Maybrit Illner zieht Bilanz und fragt, was 2017 verloren ging. Da dürfen natürlich die Themen des Jahres wie der G20-Gipfel, Trumps Isolationismus, das Insektensterben oder die Nordkorea-Krise nicht fehlen. Taten sie aber. Stattdessen bestimmte gestern Abend wieder einmal ein Thema das ganze Geschehen.

Christian Vock
Eine Kritik
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Spätestens nach dem Ausstieg der USA aus dem Klimavertrag dürfte es jedem gedämmert haben: Mit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten weht ein neuer Wind durch die internationale Politik. Alte Bündnisse werden in Frage gestellt, während in Nordkorea und im Nahem Osten gezündelt wird.

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Auch in Europa ist vieles ins Wanken geraten, was bisher als sicher galt. Und so kann man ohne zu übertreiben festhalten: 2017 ist so einiges an sicher Geglaubtem flöten gegangen. Wie viel, das wollte gestern Abend Maybrit Illner von ihren Gästen wissen und fragte deshalb: "Vertrauen, Wahrheit, Sicherheit – was ging 2017 verloren?"

Das waren die Gäste bei "Maybrit Illner":

Darüber wurde bei "Maybrit Illner" gesprochen:

Über die Flüchtlingskrise und die AfD. Natürlich. Waren ja auch grosse Themen 2017. Genauso wie 2016. Und 2015. Dass es bei der gestrigen Ausgabe von "Maybrit Illner" aber wieder einmal fast ausschliesslich um diese Themen ging, zeigt was in Medien, Politik und Gesellschaft 2017 so gründlich falsch gelaufen ist.

Trotz der anhaltenden Monothematik fanden Illners Gäste noch etwas, das zu diesem Themenkomplex noch nicht oder zumindest nicht in exakt diesen Worten gesagt wurde. So fand beispielsweise Peter Frey, dass mit der AfD nun im Bundestag Kräfte eingezogen seien, "die vorher gefehlt haben."

Sigmar Gabriel indes fand, dass die AfD bereits früher im Parlament gewesen sei, nämlich in Teilen der Union. Bei der Politikvermittlung machte er das Versäumnis aller Parteien aus, den Menschen zu zeigen: "Das Land hier ist stark genug, dass wir beides können. Die, die da sind, nicht zu vergessen und denen, die kommen, trotzdem zu helfen."

Melinda Crane erkannte derweil Parallelen zu den USA. In Iowa beispielsweise gebe es ähnliche Probleme wie in Mecklenburg-Vorpommern, nämlich den Verlust von Einwohnern, Jobs oder Institutionen. Das seien eigentlich "klassische SPD-Themen".

Darüber wurde bei "Maybrit Illner" tatsächlich auch noch gesprochen:

Man kann natürlich nur spekulieren, was passiert wäre, wenn nicht mit Serdar Somuncu ein Gast mit türkischen Wurzeln anwesend gewesen wäre. Aber dank des Kabarettisten wurde auch Erdogan thematisiert – wenn auch wieder im Flüchtlingskontext, aber immerhin.

Ob er Erdogan auf Deniz Yücel anspreche, wollte Somuncu vom Aussenminister wissen. "Immer", antwortete Gabriel, um zu ergänzen: "Es gibt kein Gespräch mit Vertretern der türkischen Regierung, bei dem dieser Name und der einiger anderer nicht fällt."

Gabriel zu Somuncu: "Ich halte das für dummes Zeug"

Für Somuncu ist das aber nur zusätzlicher Ansporn und der Kabarettist legt mit der Behauptung nach, dass die Bundesregierung Erdogan bezahle, um sich die Flüchtlingsfrage vom Hals zu halten. Das bringt Gabriel kurz in Wallung: "Ich halte das für dummes Zeug, was sie da sagen."

Der anschliessende Schlagabtausch über Moral in der internationalen Politik und Somuncus Fragen nach Geschäften mit China, lässt Gabriel dann den Satz entfahren: "Wir haben nicht nur Werte, sondern auch Interessen". Das klingt erst einmal nach einer Anfänger-Lektion in Realpolitik, ist für ein demokratisches Land aber nur akzeptabel, wenn die Interessen von den Werten geleitet werden und nicht umgekehrt.

Und, was ging 2017 nun verloren?

Bestimmt so einiges. Nur lag Maybrit Illner und ihren Gästen wenig daran, dem Zuschauer zu verraten, was das denn gewesen sein könnte. Gabriel, Stoiber und Co. machten zwar einen vermehrten Individualismus in Deutschland und weltweit aus. Dass sich die Welt in den vergangenen 50 Jahren weiterentwickelt hat, liegt aber gewiss nicht am Jahr 2017.

Und 2018? Wird man dort etwas wiederfinden?

Vielleicht. In Frankreich wartet nämlich Staatspräsident Emmanuel Macron seit einiger Zeit darauf, dass die Bundesregierung wegen seiner Vorstellungen zu Europa endlich Laut gibt. Deshalb, da ist sich die Runde einig, wäre es nicht schlecht, wenn sich in Deutschland in naher Zukunft eine Regierung bilden würde.

Man müsse, so Gabriels Rezept für ein solidarischeres und geeinteres Europa, zwar nicht die Meinungen anderer Länder teilen, aber zumindest nachvollziehen. Europa, das mit einer Perspektive nach innen gegründet wurde, müsse nun als weltpolitischer Akteur nach aussen hin auftreten.

Das Fazit des Abends

Nun war es gestern Abend nicht so, dass Maybrit Illner nicht die Gelegenheit gehabt hätte, den Themenkreis über die Flüchtlingskrise hinaus zu erweitern. Sogar Serdar Somuncu baute der Moderatorin Brücken für einen Themenwechsel: "Wir hatten einen Jahresrückblick vor und kleben wieder beim Flüchtlingsthema."

Aber Illner machte keine Anstalten, sich ihr Zepter von den Gästen zurückzuholen und so wurde mit grosser Leidenschaft und seltener Klarheit weiter ohne Ziel diskutiert. Besonders Edmund Stoiber vertrat seine Thesen mit dem gewohnten Überdruck, so dass ihm Serdar Somuncu, nachdem sich Stoiber wieder einmal in Rage geredet hatte, die Hand auf die Schulter legte und beruhigte: "Is doch gut."

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