"Maybritt Illner" will unter dem Eindruck der Anschläge von Paris und des Terror-Alarms von Hannover Vorschläge für die Bekämpfung des IS erörtern. Es gelingt der Runde in bemerkenswerter Eintracht. Die Verteidigungsministerin nennt ungewohnt konkret eine erste Massnahme der Bundeswehr.

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Was ist das Thema?

Auch Deutsche werden lernen müssen, mit der Angst zu leben. Mit diesem schonungslosen Satz beginnt "ZDF"-Polit-Talkerin Maybritt Illner ihre Sendung zum Thema "Angriff auf die Freiheit – wie bekämpft Europa den Terror?" Nach den Eindrücken aus Paris und Hannover bedarf das Thema keiner Polarisierung. Es ist, was die Menschen in diesen Tagen bewegt. Der Islamische Staat macht Angst. Die Auswahl der Gäste verspricht eine spannende Diskussion, sie folgt, wenn auch ohne produktive Reibereien.

Wer sind die Gäste?

Ursula von der Leyen, CDU, Bundesverteidigungsministerin. Ihr Parteikollege, Bundesinnenminister Thomas de Maizière, steht nach seiner Aussage "Teile dieser Antwort würden sie nur verunsichern" stark in der Kritik. Von der Leyen schützt ihn vor Millionenpublikum, sagt: "Ich bin fest davon überzeugt, dass er Recht hat. Auch ich kenne die Details nicht und möchte sie auch nicht wissen." Viele Bürger dürften das anders sehen. Die 57-Jährige verliert sich ansonsten in Phrasen wie "Deutschland wird seinen Beitrag leisten"; "Sie (der IS, Anmerk. d. Red.) sind keine Moslems, sondern extremistische Barbaren". Ihre Antwort auf die eingangs gestellte Frage, wie Europa den Terror bekämpfe: Bodentruppen, aber bloss keine europäischen.


Elmar Thevessen, Terrorismus-Experte, Stellvertretender ZDF-Chefredakteur. Er ist der Mann für klare Ansagen. Thevessen spricht bezüglich der Anschläge in Paris von einem "grossen Versagen der französischen Geheimdienste". Er nennt streitbare Thesen, etwa, dass es ohne den Einmarsch in den Irak vielleicht keinen Islamischen Staat gebe. Schliesslich seien viele der ehemaligen irakischen Militärs nun im IS, um "dem Westen zu zeigen, dass sie hier nicht machen können, was sie wollen". Der 48-Jährige nennt konkrete Vorschläge zur Terrorbekämpfung: Jungen IS-Sympathisanten, die meist Verlierer der Gesellschaft seien, müssten Chancen gegeben werden, "das haben sie in Frankreich und in Belgien versäumt." Es müsse eine Gegenkampagne in den Sozialen Medien geben. Und: "Die Bundeswehr muss sich Gedanken machen, wie sie aktiv mit Waffengewalt in Syrien und Irak eingreift."

Daniel Cohn-Bendit, Die Grünen, Publizist. Meinungsstark und forsch, wie man es vom 70-Jährigen mit Revolteur-Vergangenheit kennt. Für einen Grünen-Politiker vertritt er teils "radikale" Meinungen. So sagt der ehemalige Europa-Abgeordnete zum Tod des mutmasslichen Strippenziehers der Pariser Attentate, Abdelhamid Abaaoud: "Als ich gehört habe, dass er tot ist, war ich erleichtert." Er fordert gemäss Artikel 7 der Charta der Vereinten Nationen den Sicherheitsrat zum Zentrum im Kampf gegen den IS zu machen. Richtung von der Leyen schlägt er vor: "Erlassen sie Tunesien die Schulden. Es hat die einzige Regierung aus dem arabischen Frühling, die Hoffnung macht und muss einen Kampf gegen den Terror führen." Der französische Präsident Francois Hollande indes solle einen Pakt mit Arbeitgebern schliessen, um die Jugendlichen in seinem Land in Arbeit zu bringen. "Und wenn die Franzosen auf ein Schuldenwachstum von 3,5 Prozent kommen."


Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin und Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bündnisses. Auch für sie gilt: meinungsstark. Ihr Ansatz: "Wir müssen darüber nachdenken, was wir hierzulande tun können." Ansonsten zielt sie auf ein Thema ab, das die Eingangsfrage zwar nur am Rande betrifft, für das künftige Zusammenleben in der Bundesrepublik aber umso wichtiger ist. "Die Stimmung in unserem Land ist am Kippen", meint sie. "Der IS, das sind für uns genauso Extremisten. Doch wir Muslime begegnen einem unglaublichen Misstrauen. Das wollen die Terroristen erreichen."

Aktham Suliman, syrischer Journalist. Sachlich, nüchtern, kompetent - das ist seine Argumentation. Seine Schilderungen sind umso dramatischer. "Das ist eine Dimension, die noch nie dagewesen ist", sagt er. "Der IS kümmert sich nicht um Freiheit oder Krieg. Er kennt die Probleme der Gesellschaften hier." Seiner Meinung nach sind manche Verbündete des Westens gleichzeitig Förderer des IS. Er nennt Katar und Saudi-Arabien als Beispiele. Suliman fordert: "Machen sie die Botschaft in Damaskus wieder auf und die in Saudi-Arabien zu."


Was war das Rede-Duell des Abends?

Es ist keines auszumachen. Der Schrecken des Terrors eint auch diese Talk-Runde. Der Stärke der Diskussion tut dies keinen Abbruch.

Was war der Moment des Abends?

Als Ministerin Von der Leyen erfrischend konkret wird, als es um die militärischen Hilfen für Frankreich geht. "Die Franzosen brauchen, dass wir sehr viel mehr nach Mali reingehen und sie da entlasten", sagt die 57-Jährige. Aktuell sind für die European Training Mission in Mali (EUTM Mali) 350 Bundeswehrsoldaten in Westafrika stationiert. Ihr Kontingent dürfte folglich aufgestockt werden. Endlich klare Aussagen aus der Politik.

Wie hat sich Illner geschlagen?

Zwar führt sie zielsicher durch die Sendung mit zahlreichen Antworten auf die Eingangsfrage, doch es gibt einen Makel: Sie lässt unverhältnismässig oft Thevessen zu Wort kommen. Der ist nämlich sowas wie ihr Chef. Vom "ZDF" wünscht man sich daher ein bisschen mehr Ausgewogenheit.


Was ist das Ergebnis?

Bodentruppen, Sicherheitsrat, Militärhilfe für Frankreich, Investitionen in den Sozialstaat, nordafrikanischen Staaten die Schulden erlassen – Ideen für Massnahmen gibt es viele. Das Wissen, dass dem Westen ein so nie dagewesener Feind erwachsen ist, eint. Und so war es eine angenehm konkrete und kurzweilige Talk-Runde.

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