Die CSU fordert in der Flüchtlingskrise strikt einen Kurswechsel der Kanzlerin und verweist vehement auf das Beispiel Österreich. Hat Angela Merkel nun gar keine andere Wahl mehr, als einzuknicken? Maybritt Illner geht dieser Frage mit ihren Gästen nach – und deckt auf, wie schlimm es um das Miteinander von CDU und CSU wirklich bestimmt ist.
Was ist das Thema?
Die politische Sackgasse, in die sich Bundeskanzlerin
"Merkel wankt, aber steht noch", sagt Moderatorin Maybritt Illner und verweist auf eine angeblich drohende Verfassungsklage der Schwesterpartie CSU. Illner fragt: "Bleibt Merkel nur die Wende?"
Es ist das etwas versteckte, eigentliche Thema der Sendung, weil es so mächtig ist, dass sich offenbar niemand offensiv daran herantraut: Kommt es zum Bruch der CDU mit Koalitionspartner CSU und steht damit sogar die Kanzlerschaft Merkels auf dem Spiel?
Wer sind die Gäste?
Überall in Europa schüttle man den Kopf über die Deutschen, meint der 49-Jährige - wegen Merkels Aufnahmebereitschaft für Asylsuchende.
Söders Vorbild: Österreich. Das hatte jüngst eine Obergrenze angekündigt. "Es ist an der Zeit, einen gemeinsamen Weg mit Österreich zu gehen", sagt er, wagt aber keine neuerliche Drohung in Richtung Berlin - obwohl Illner mehrfach nachhakt.
Ruprecht Polenz, CDU, Aussenpolitiker: Merkels linke Flanke an diesem Abend. Er verteidigt die Kanzlerin, komme, was wolle. "Nationale Grenzen in Europa dürfen nicht zu Todesgrenzen werden", sagt er zu Vorschlägen der CSU, die schärfere Grenzkontrollen will.
Zweierlei wird offenbar: Erstens, weicht er den Fragen zu einer möglichen Kurskorrektur aus, wohl, um seine Parteichefin nicht noch mehr in die Schusslinie zu bringen. Zweitens, beweist Polenz' Auftritt, wie weit CDU und CSU aktuell auseinander liegen.
"Das Benehmen von CSU-Ministern fällt auf die CSU zurück", meint er harsch und verweist damit indirekt auf den politischen Spiessrutenlauf der Kanzlerin bei der CSU-Tagung in Kreuth.
Selbst die Kritik zweier ehemaliger Verfassungsrichter am Kurs Merkels, die in einem Einspieler erläutert wird, will er nicht gelten lassen: "Es gilt der Satz: drei Juristen, drei Meinungen."
Es ist aber ansonsten ein wenig souveräner Auftritt. Die 38-Jährige wirkt oft, als wolle sie einstudierte Phrasen platzieren.
Schliesslich verzettelt sich Kipping in Parteiparolen, fordert eine Millionärssteuer, um die sozial schwächeren Deutschen vor vermeintlichen Kosten der Flüchtlingskrise zu bewahren. Das geht doch recht weit am Thema vorbei.
Prof. Ulrich Battis, Staatsrechtler: Der Jurist redet hektisch, reagiert mitunter dünnhäutig. Es ist typisch für ihn und auch die konservative Haltung, die er vertritt.
"Die deutschen Grenzen können nicht geschützt werden, wie sollen dann die europäischen Grenzen geschützt werden", sagt er, spricht sich zaghaft dafür aus, Obergrenzen zu benennen – und ist gegen den Kurs der Regierungschefin.
Michael Spreng, Politikberater und Publizist: Ein taffer Gesprächspartner für die anderen. Klare Kante, lässt sich sein Stil wohl zusammenfassen. Er sagt: "Die CSU hat politisch nichts erreicht ausser eine Schwächung der Kanzlerin und zwar nach innen und nach aussen."
Spreng besticht durch Sachkenntnis, sagt etwa, dass Merkel an Glaubwürdigkeit verliere, wenn sie von ihrer Politik abrücke, und an politischer Macht einbüsse, wenn sie bei ihrer Linie bleibe.
Er macht deutliche Ansagen, erklärt zum Beispiel, dass die CSU die Regierungskoalition eigentlich hätte längst verlassen müssen. Er stellt Söder damit dezent bloss, der weiss nichts zu erwidern.
"Der März wird der Schicksalsmonat für Frau Merkel, was ihr Amt betrifft", meint er und verweist auf EU-Gipfel, verstreichende Fristen der CSU und Landtagswahlen. Seine Tendenz: "Die Kanzlerin wird nicht alles über Bord werfen, nur weil die CSU mit einer Verfassungsklage droht."
Firas Al Habbal, Flüchtlingsbetreuer Bautzen kam 2014 als Kontingentflüchtling aus Syrien. Al Habbal, zum zweiten Mal binnen weniger Monate zu Gast, soll die Diskussion wohl menschlicher machen.
Wie denken die Flüchtlinge darüber, dass die Grenzen geschlossen werden könnten, fragt ihn Illner. "Das Bild ist bei allen im Kopf. Alle Flüchtlinge wissen das. Es ist wie eine Zeitbombe", erzählt er.
Und er schildert etwas, was grossen Nachrichtenwert hat: "Flüchtlinge sagen oft, das ist nicht das, was sie erwartet haben", sagt er und erzählt von Asylsuchenden, die enttäuscht von der Grundversorgung am liebsten wieder in die Heimat zurück wollen. Wenn das nicht Potenzial zum Polarisieren hat!?
Welches ist das Rede-Duell des Abends?
Da ist diese unterschwellige Distanz zwischen Polenz und Söder. Eine, die symptomatisch für die Stimmung im konservativen Lager der Regierungskoalition ist – und für die kommenden Wochen nichts Gutes erahnen lässt.
Polenz: "Kein einziges Land wird die Position der CSU auf den EU-Gipfeln gegen Deutschland vertreten."
Was ist der Moment des Abends?
Als Spreng erklärt, dass der März der Schicksalsmonat der Kanzlerin sei. Was vor Wochen, als die CDU-Chefin nochmal gekonnt die Kurve zu bekommen schien, ausgeschlossen wirkte, ist mittlerweile wohl tatsächlich ein realistisches Szenario: Dass sie scheitern könnte an der Flüchtlingskrise und ihre Regierung daran zerbrechen, und das nicht mal wegen der Sozialdemokraten, sondern dem Clinch mit der eigenen politischen Schwester.
Wie hat sich Illner geschlagen?
Maybritt Illner moderiert die Sendung souverän und unaufgeregt. "Ich möchte nochmal nachfragen, da ich mir meine Frage gemerkt habe, Frau Kipping", meint sie zur Linken-Chefin, als diese gerade wieder in einem Monolog abdriftet.
Journalistisch spitzfindig versucht sie zudem, Söder einen Seitenhieb in Richtung CDU zu entlocken, nur gelingt ihr das nicht.
Was ist das Ergebnis?
Offenbar sind die Konservativen zerstritten wie lange nicht, vielleicht wie noch nie. Die Opposition, diesmal in Person der Linken, bietet keinerlei Alternativen.
Die Kanzlerin dürfte sich in eine Situation gebracht haben, in der sie nur verlieren kann. Und es wird für die einstmals so unantastbare Regierungschefin wirklich ernst - spätestens im März.
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