Es soll der etwas andere Talk bei Sandra Maischberger werden, ohne grosse Politiker-Reden, mit viel Authentizität und Erfahrungsschatz. Es kommen interessante Geschichten dabei rüber, doch die Debatte wirkt reichlich ziellos.

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Was ist das Thema?

Die Flüchtlingskrise mal aus einer anderen Perspektive. Das ist das offensichtliche Ziel der Sendung. Und so sollen diesmal die, um die es in polarisierenden Debatten seit Monaten geht, zu Wort kommen: die Flüchtlinge.


Wer sind die Gäste?

Majd al Hosaini, syrischer Flüchtling. Ein junger, schneidiger Mann, Anfang 20. Einst war er Fussballspieler in der ersten syrischen Liga. Moderatorin Sandra Maischberger will von ihm wissen, warum er nach Deutschland kam. "Deutschland war mein Traumland, schon als ich ein Kind war", sagt er. "Hier hat man eine viel bessere Aussicht darauf, sich ein gutes Leben aufzubauen."

Hosaini wurde, als er 17 war, in Damaskus ins Knie geschossen. Er erzählt von seiner dramatischen Flucht. Etwa, wie er 4.000 Euro an ägyptische Schlepper zahlte, wie er mit 300 Leuten in einem knapp 17 Meter langen Boot um sein Leben fürchtete, wie er noch zehn Euro in der Tasche gehabt habe, als er in München ankam.

"Ich möchte bleiben, ich habe mir hier alles aufgebaut", sagt er. Hosaini holte den Hauptschulabschluss nach, hat eine Lehre in der Metallverarbeitungsbranche begonnen. Ein Musterbeispiel für schnelle Integration, sozusagen.

Jasmin Taylor, Unternehmerin und ehemaliger Iran-Flüchtling. Mit 17 kam sie als junge Frau während des achtjährigen Krieges zwischen Iran und dem Irak nach Deutschland. Sie hatte Angst vor vergewaltigenden irakischen Soldaten, schildert sie die Gründe für ihre Flucht. Hier hat sie es weit gebracht.

Taylor machte ein Einser-Abitur, studierte, gründete ein Touristikunternehmen, beschäftigt 60 Mitarbeiter, ist Millionärin. Ohne Krieg wäre sie niemals gekommen, erzählt sie und wirbt für die Flüchtlinge, die jetzt um Asyl bitten. 50 Prozent der Iraner, die seinerzeit kamen, hätten heute einen Bachelor-Abschluss, meint sie. Die Chance auf Fachkräfte sei auch diesmal gross.

Beq Zeqiri, abgelehnter Asylbewerber. Der Kosovo-Albaner war während der ersten Balkankriege von 1993 an bereits vier Jahre in Deutschland, als anerkannter Asylbewerber. Er ging zurück, wollte seine Familie nachholen. Einer seiner Söhne geht aufs Gymnasium, der andere hat eine Ausbildung angefangen.

Doch jüngst kam der Bescheid, dass die Familie zum 7. Dezember abgeschoben wird. Die sogenannte Härtefallkommission lehnte den Asylantrag ab. Markant: Nach Taylor spricht der, der abgeschoben wird, das beste Deutsch.

Dr. Dilovan Alnouri, syrischer Arzt. Der Mediziner, adrett gekleidet, in den Fünfzigern, erzählt vom Bürgerkrieg in seiner Heimat. Oft muss er pausieren, sein Deutsch ist überschaubar. Er schildert, wie er zwischen die Fronten des Assad-Regimes und der Freien Syrischen Armee geriet, wie sein Krankenhaus beschossen wurde, wie Ärzte umgebracht worden seien, weil sie die "falschen Patienten" behandelt hätten.

Er floh, hofft auf den Familiennachzug, versteht aber auch Bedenken gegen diesen. Auch er argumentiert, dass viele fähige Leute nach Deutschland kommen.

Franz Wasmeier, Flüchtlingsheimleiter. Er wird zugeschaltet, erzählt von seiner Arbeit mit Flüchtlingen in Gartlberg, Niederbayern. Teils wird es amüsant: "Man muss ihnen erklären, dass sie sich nicht auf eine Motorhaube setzen. Aber das ist ja kein böser Wille", sagt er und erzählt von Flüchtlingen, die den Reichtum sähen und ständig mehr forderten.

In Richtung Politik verlangt er weniger Bürokratie und "Papier-Kram".

Simone Peter, Bundesvorsitzende B'90/Die Grünen. Maischberger fragt sie, ob die Attraktivität Deutschlands ein Problem sei. "Nein", sagt die 49-Jährige, "sondern eine Chance".

Sie spricht den drohenden Fachkräftemangel in den kommenden Jahren an und fordert, dass Deutschland allein schon wegen seiner wirtschaftlichen Stärke Solidarität leisten müsse. Sie verzettelt sich jedoch in Verbalattacken gegen die CDU.

Paul Ziemiak, Bundesvorsitzender Junge Union. "Wir sind an die Grenzen von dem gekommen, was möglich ist", sagt er. Familiennachzug, unkontrollierter Zuzug, keine europäische Solidarität – der CDU-Politiker bemüht klassische Rhetorik, wird beinahe polemisch.

"Eine Million Asylsuchende, wenn jeder noch drei, vier Menschen nachholt, kann man sich das ja leicht ausrechnen", meint er und verweist auf Alnouri und Hosaini: "Ein Arzt und eine Fachkraft in der Metalltechnik, das ist ja nicht der Durchschnitt derer, die kommen." Harte Worte.

Was war das Rede-Duell des Abends?

Peter versus Ziemiak. Dieser fordert eine Obergrenze für Flüchtlinge. "Wir können doch nicht bei 500.000 Schluss machen", sagt dagegen Peter. Und weiter: "Sie werfen Zahlen in den Raum." Ziemiak meint: "Schauen Sie doch mal ins Ruhrgebiet oder Neukölln." Das Ergebnis: Parteipolitischer Zank, ohne vernünftiges Resultat.

Was war der Moment des Abends?

Es ist ein wirklich bemerkenswerter. Zeqiri beweist im Angesicht seiner bevorstehenden Abschiebung Charakterstärke. Er beschwert sich nicht, meint die Regeln zu kennen. "Sie sind vor dem Krieg geflohen", sagt er in Richtung der beiden Syrer in der Runde. "Wir müssen Platz machen." Er geht erhobenen Hauptes. Chapeau!

Wie hat sich Maischberger geschlagen?

Unspektakulär. Sie gibt sich gegenüber Hosaini und Zeqiri einfühlsam. Routiniert moderiert sie durch die Sendung und ihre Gäste. Wiederholt muss sie Peter und Ziemiak zurechtweisen. Sie wählt eine klare Ansprache: "Bitte lassen sie die Parteipolitik raus."

Was ist das Ergebnis?

Es ist das Manko, das sich durch die vergangenen Wochen zieht. Vieles wird angeschnitten, wie die Obergrenze, der Familiennachzug und die Aussichtslosigkeit der sogenannten Balkan-Flüchtlinge. Am Ende stehen neue Impressionen, aber keine Lösungen. Ein Thema herausgelöst, die Gäste danach ausgesucht - das täte der Sendung gut. Bleibt die Erkenntnis, wie nahe Glück (Hosaini) und Leid (Zeqiri) für Asylsuchende beieinander liegen.

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