Es sollte um die Bundeskanzlerin gehen und um die Frage, wie viel Macht sie im zehnten Jahr ihrer Kanzlerschaft noch hat. Diskutiert hat die Talkrunde bei Anne Will dann aber hauptsächlich über Asylpolitik.

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Die Flüchtlingsfrage ist in deutschen Polit-Talks schon seit Monaten das alles beherrschende Thema - da ist ein wenig Abwechslung gern gesehen. Dass Angela Merkels Amtseinführung sich nun zum zehnten Mal jährt, nahm Anne Will zum Anlass, mit ihren Gästen über die derzeitige Situation der Kanzlerin zu sprechen. Doch auch diese Frage ist eng mit der Flüchtlingspolitik verbunden - und so erlebten die Zuschauer erneut eine Diskussion, die um dieses Thema kreiste.

Bei der Auswahl der Gäste hatte die Redaktion auf Ausgewogenheit geachtet. Mit der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und dem ehemaligen Ersten Bürgermeister von Hamburg Klaus von Dohnanyi (SPD) waren zwei Merkel-Fürsprecher vertreten. Mit Sarah Wagenknecht, der Fraktionsvorsitzenden der Linken, und FDP-Parteichef Christian Lindner waren zwei geladen, von denen mit Kritik an der Kanzlerin zu rechnen war.

Dabei fielen die Urteile der Gäste zunächst erstaunlich milde aus. Anne Will sprach Seehofers Auftritt auf dem CSU-Parteitag an, bei dem er Merkel öffentlich brüskiert hatte, was sie regungslos über sich hatte ergehen lassen. Die Runde war sich erstaunlich einig: Merkel habe "würdevoll" reagiert (Lindner), indem sie Seehofers Auslassungen ertragen habe. Sie habe deutlich gemacht, dass sie sich nicht dem Gegenwind beuge (Kramp-Karrenbauer), und die Situation letztlich gewonnen (Wagenknecht).

Die Linken-Franktionvorsitzende war es dann, die Merkel als Erste scharf kritisierte. Der Satz "Wir schaffen das" sei nicht das Problem. "Aber man hat nicht das Gefühl, dass sie ein Konzept hat." Wagenknecht zeichnete ein Bild von einem Deutschland, in dem die Versorgung von Flüchtlingen auf Kosten der Ärmsten geht. "Wir haben einen Mangel an sozialem Wohnungsbau." Wenn nun infolge des Flüchtlingszuzugs die Mieten in armen Gegenden steigen würden, treibe das die Wähler der AfD zu.

Es gibt nicht nur die Bundesregierung

Als "vollkommen überzogen" empfand Kramp-Karrenberger diese Aussage - zumindest für ihr Bundesland. Sie erinnerte daran, dass die Bundesregierung nicht allein Verantwortung dafür trage, was geschehe - auch auf Länderebene werde viel entschieden.

Damit waren die Gäste wieder beim Kanzlerinnen-Thema. Auch Christian Lindner durfte noch mal was zu Merkels Machtposition sagen - und machte klar, wie er die Äusserungen von Innenminister Thomas de Maizière und Finanzminister Wolfgang Schäuble deutet: als Autoritätsverlust der Bundeskanzlerin.

Doch dann änderte sich der Fokus der Diskussion endgültig hin zur Flüchtlingspolitik - und daran trug die Moderatorin einen entscheidenden Anteil: "Braucht es nicht doch eine neue Regelung wie zum Beispiel eine Obergrenze für Flüchtlinge?", fragte sie immer wieder. Ein Einspieler zum Stichwort Obergrenze zeigte, dass das keine spontane Eingebung war: Die Verlagerung des Diskussionsschwerpunkts war durchaus geplant.

Die Gäste bekamen also Gelegenheit, ihre Lösungsideen zu präsentieren. Auf eine Obergrenze wollte sich niemand festlegen. Christian Lindner schwebte stattdessen eine die Einführung einer "europäischen Rechtsfigur auf nationaler Ebene" vor: Statt Asyl solle Deutschland Flüchtlingen ausschliesslich während der Zeit der Bedrohung Schutz gewähren.

Klaus von Dohnanyi wollte dagegen lieber ausserhalb Europas ansetzen: Er schlug vor, in der Türkei, im Libanon und in Jordanien Flüchtlings-Siedlungen aufzubauen, die von Deutschland, Frankreich und England bezahlt und gemanagt werden. Auch die beiden Frauen in der Runde hielten es für notwendig, die Türkei zu unterstützen: Merkel solle sich mit Erdogan über die Verbesserung der Situation syrischer Flüchtlinge im Land unterhalten, sagte Kramp-Karrenbauer. Und Wagenknecht bestand darauf, dass die Türkei den IS nicht mehr länger unterstützen solle.

Was bei der Diskussion über Flüchtlinge irgendwann auffiel: Es ging fast ausschliesslich um Syrer. Dass viele der Asylbewerber, die in Deutschland ankommen, auch aus afrikanischen Ländern stammen, kam nicht zur Sprache.

Fazit: Kramp-Karrenbauer gerierte sich als loyale Merkel-Unterstützerin und trat ebenso ernsthaft wie bestimmt auf. Klaus von Dohnanyi wiederholte sich gern und hinkte der Diskussion zuweilen etwas hinterher, schaffte es aber auch immer wieder, die Stimmung aufzulockern. Sarah Wagenknecht gab wieder mal den unbeirrbaren Querkopf, verstand sich aber auch darauf, Kritik an der Kanzlerin zielsicher zu formulieren. Und Christian Lindner nutzte die Sendung, um in Übung zu bleiben - schliesslich hofft er, bald nicht nur bei Anne Will, sondern mit der FDP auch in der Bundespolitik wieder mitreden zu können.

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