Über Energie, Geld und Jobs wollte Maybrit Illner am Donnerstagabend mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing diskutieren. Herausgekommen ist ein Polittalk mit selten klaren Antworten und einer unglücklich agierenden Moderatorin, die mit dieser Klarheit erst einmal umgehen musste.
"Energie, Geld, Jobs – keine Strategie in der Mega-Krise?", fragt
Mit diesen Gästen diskutierte Maybrit Illner:
Robert Habeck (B’90/Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz- Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender Deutsche Bank
Die Themen des Abends:
"Was ist das für eine Wirtschaft, die in jeder Krise gerettet werden muss?", steigt Maybrit Illner in Bezug auf die Bankenrettung 2008 und die aktuelle Rettung von Energieversorgern ein und da gibt es auch schon Gegenwind: "Zunächst einmal ist es nicht so, dass in jeder Krise die Wirtschaft gerettet werden muss", widerspricht Christian Sewing und erklärt die aktuelle Krise zu einer "Ausnahmesituation, ausgelöst durch den Krieg". Daher sei es richtig, unverschuldet in die Krise gekommene Unternehmen jetzt zu retten.
Auch Robert Habeck sieht die Welt in einer "Sondersituation", trotzdem habe sich "das Land ausserordentlich bewährt in den verschiedenen Institutionen, in den Prozessen, die wir verabredet haben, in dem Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern." Es seien viele Entscheidungen schnell getroffen worden, "die jetzt dafür gesorgt haben, dass die Situation beherrschbarer, […], zu Beginn des Winters ist, als sie hätte sein können, wenn wir nicht so gehandelt hätten."
So weit die erste Einschätzung zur Besonderheit der Lage, danach geht es Illner um die Bewältigung dieser Lage und die Moderatorin geht das in einer merkwürdigen Mischung aus Vergangenheitsbewältigung, Blick aufs Detail, aktueller Kritik und vor allem vielen Gedanken um Begleiterscheinungen an: Ob die Bürger Habeck noch vertrauen, ob die Sorge um die hohen Energiekosten gut gelöst wurde, ob neue Krisen bei der Deutschen Bank ausgeschlossen sind, was mit dem Dezemberabschlag ist, wie gerecht die Entlastungen sind, ob bei der Gasumlage Zeit verschenkt wurde, ob Atomkraftwerke länger laufen sollen und so weiter.
Es ist der berühmte wilde Ritt und so vielfältig sind dementsprechend auch die Aussagen der beiden Gäste. Christian Sewing sagt über die Arbeit der Bundesregierung in der Krise: "Ich glaube, die Bundesregierung hat insgesamt sehr ordentlich agiert." Über die aktuelle Situation urteilt Sewing: "Wir können die Krise nicht wegdiskutieren, aber wir haben auch keine Weltuntergangsstimmung." Wichtig sei nun, "dass wir das Jahr 2023 nutzen, um wieder aus dieser Rezession, die kommen wird in 2023, herauszukommen." Hauptaufgabe sei dabei gleichzeitig, die Inflation zurückzuführen.
Für Robert Habeck sind die kommenden Aufgaben ein Balanceakt zwischen der Bekämpfung der Inflation und der Rezession: "Wenn wir die Inflation nur runterkriegen, um den Preis einer schweren Wirtschaftskrise, also wirklich dann Insolvenzen, Betriebsschliessungen, Arbeitslosigkeit, dann haben wir das Kind mit dem Bade ausgeschüttet."
Mit Blick auf die Zukunft der deutschen Wirtschaft sagt Deutsche-Bank-Chef Sewing: "Die europäische Wirtschaft auf den Green Deal umzuwandeln, wird länger dauern und wird noch viel, viel mehr Milliarden kosten. Aber genau da müssen wir jetzt anfangen zu investieren." Robert Habeck zieht hier aus den Fehlern der Vergangenheit und den Anforderungen durch die aktuelle Krise das Fazit: "Wenn es etwas gibt, was in diesem Land gerade passiert ist, ist es das tiefe Verständnis, dass wir keine Zeit mehr haben."
In Bezug auf China sind sich Habeck und Sewing einig, dass die deutsche Wirtschaft auch weiterhin Handel mit China betreiben werde, sich aber unabhängiger machen müsse. Auch auf die USA bezogen sagt Habeck: "Wir sind insgesamt, meine ich, auch mit Blick auf das, was in Amerika passieren kann, gut beraten, die europäische Souveränität, also eine eigene Linie, eine eigene politische Kraft zu stärken."
So schlug sich Robert Habeck:
Wenn man den Auftritt von Robert Habeck mit einem Wort beschreiben soll, dann könnte dieses Wort "klar" sein. So fragt Maybrit Illner den Wirtschaftsminister in Bezug auf die hohen Energiekosten: "Wann kommt dieser Dezemberabschlag?" Da antwortet Habeck: "Na im Dezember. Deswegen heisst er ja Dezemberabschlag."
Klar ist Habeck nicht nur bei solchen Fragen, sondern auch bei denen, die er für nicht zielführend hält. Zum Beispiel, als Illner fragt, warum Habeck als Einziger den gemeinsamen Vorschlag der Gasumlage verteidigen musste und sich Kanzler Scholz nicht vor ihn gestellt hat. Da antwortet Habeck: "Ich hoffe, dass sie mir das nicht krumm nehmen: Ich finde das völlig irrelevante Fragen. Das interessiert mich überhaupt nicht." "Das interessiert Sie nicht?", fragt Illner ungläubig und Habeck erklärt ihr, dass es in einer Regierung eben Debatten gebe, die auch mal weh täten. "Ich glaube, das nennt man Demokratie. Völlig in Ordnung", so Habeck.
So schlug sich Christian Sewing:
Routiniert. Das lag aber vor allem daran, dass er auch nicht wirklich gefordert wurde. Nur ganz am Anfang versuchte Illner, den Chef der Deutschen Bank in die Bredouille zu bringen, als sie ihn mit den Verfehlungen seines Hauses in der Ackermann-Ära konfrontiert. Die räumt der Vorstandsvorsitzende voller Läuterung ab und auch an anderer Stelle hat er leichtes Spiel. Als ihn Illner fragt, ob es in der Krise einen Energiesoli für Reiche geben sollte, legt sich Sewing nicht fest, antwortet nur, dass es hier einer "detaillierten Analyse" bedarf – und Illner lässt ihn damit durchkommen.
So schlug sich Maybrit Illner:
Maybrit Illners Moderationsstil ist geprägt davon, ihren Gesprächspartnern ins Wort zu fallen, sie zu unterbrechen und deren Sätze zu vervollständigen. Das ist unhöflich ihren Gästen, aber auch den Zuschauern gegenüber, schliesslich nimmt sie ihnen dadurch die Chance, selbst zu entscheiden, ob man das nun hören möchte oder nicht. Anders formuliert: Wenn man schon fragt, dann sollte man auch an einer Antwort interessiert sein. Das war an diesem Donnerstagabend auch wieder ein Problem, allerdings nicht das einzige.
Problem Nummer eins: Illners Fixierung auf die Vergangenheit. Zum Beispiel, als sie noch einmal auf die Gasumlage zu sprechen kommt, ohne dass dem Zuschauer der Grund klar wird. Natürlich kann man noch in der Vergangenheit bohren, wenn es eine Relevanz hat oder es noch offene Fragen gibt, aber das ist bei der Gasumlage nun ja längst nicht mehr der Fall. Dementsprechend wundert Habecks Antwort auch nicht: "Das ist mir alles ein bisschen viel Vergangenheitsbewältigung. […] Die Gasumlage ist jetzt Geschichte."
Problem Nummer zwei: Es ist nicht unüblich, dass sich Politiker in Talkshows gerne als "Alleskönner" profilieren. Gleichzeitig hat sich ein Massstab in Gesellschaft und auch in Polittalkshows etabliert, nach dem Politiker tatsächlich alles können, wissen und jedes Problem lösen müssen, am besten noch bevor es entsteht. Dementsprechend ist die Verwunderung Illners gar nicht so verwunderlich, als Robert Habeck am Beispiel Gasumlage sein Verständnis von Politik erklärt: "Wir haben einen Weg korrigiert, aber es wird wieder passieren, dass wir Wege korrigieren müssen. Jetzt ist die Frage […]: Ist es in dieser Republik ermöglicht, Wege zu korrigieren? Wenn die Antwort ja ist, dann kann man darüber streiten, dann kann man auch dafür abgewählt werden, aber das Gute ist doch: Wir finden erfolgreich neue Wege."
Problem Nummer drei: Illners Faible für Irrelevantes. So fragt die Moderatorin Habeck etwa, ob die Bürger ihm noch vertrauen und auch hier ist der Grund für diese Frage nicht ersichtlich. Was sollte Habeck denn antworten und noch wichtiger: Welche Konsequenz sollte er ziehen? Sein Handeln nach Umfragen ausrichten? Dementsprechend ist es wenig überraschend, wenn Habeck hier antwortet: "Die Frage ist: Mache ich meinen Job für das Land? Und ich tue das."
Das Fazit:
"Energie, Geld, Jobs – keine Strategie in der Mega-Krise?", wollte Maybrit Illner etwas tendenziös im Titel ihres Polittalks wissen und vielleicht hätte die Sendung unter dieser voreingenommenen Prämisse mit einer anderen Gäste-Konstellation auch funktioniert. Vielleicht wäre es dann das übliche Profilieren, Dementieren und Rechtfertigen geworden, das lediglich den Abend, nicht aber die Erkenntnis füllt.
So aber hatten weder Christian Sewing noch Robert Habeck – die vielleicht erhofften – Ambitionen, gegeneinander zu diskutieren, sondern zeigten in den allermeisten Punkten sogar Einigkeit. Für den Zuschauer sorgte das für klare Aussagen in Sachfragen, aber noch vielmehr für Einblicke die Denk- und Politikweise von Robert Habeck.
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