Meinungsfreudig geht es am Mittwochabend bei Sandra Maischberger zu: Ein Kabarettist bedenkt den US-Präsidenten mit dem A-Wort – und zwei Politiker geraten sich beim Dauerthema Brexit in die Haare.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Fabian Busch dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

In der Redaktion von Sandra Maischberger hat man in den vergangenen Monaten reichlich am Konzept herumgedoktert. Die "alte" Konstellation von einer gemeinsamen Runde mit nur einem Thema ist jedenfalls Geschichte. Doch auch die drei Journalisten, die im Sommer das Geschehen kommentierten, hat man wieder aus dem Studio verbannt.

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Was sind die Themen bei Sandra Maischberger?

Maischberger und ihre Gäste widmen sich gleich mehreren Themen. Das passt gut in diese Zeit, in der es politisch an vielen Stellen brennt: Die Türkei führt Krieg in Nordsyrien, nach dem Anschlag von Halle diskutiert Deutschland über rechten Terror – und in Brüssel wird mal wieder um den Brexit gerungen.

Wer sind die Gäste?

Katarina Barley: Seit kurzem ist die frühere Bundesjustizministerin Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Als Deutsch-Britin ist der EU-Austritt Grossbritanniens für sie auch persönlich tragisch. Doch die SPD-Politikerin wirbt entschieden für die europäische Zusammenarbeit: "Die Hoffnung der Briten ist, dass die USA sich ihnen zuwenden. Da kann ich nur sagen: Gute Reise!"

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Axel Thill: Auch der frühere Investmentbanker ist Deutsch-Brite. Von der EU in ihrer heutigen Form hält der Kandidat der Brexit-Partei aber gar nichts. Er will so schnell wie möglich raus aus der EU. Negative Folgen befürchtet er für die Briten auch bei einem ungeregelten No-Deal-Brexit nicht: "Viele werden einsehen: Es läuft doch eigentlich alles ganz gut."

Cem Özdemir: Der Grünen-Politiker ist gerade bei der Wahl zum Fraktionschef durchgefallen. Trotzdem nimmt er motiviert zum "Einzelgespräch" Platz. Kein Wunder, es geht um seinen Intimfeind Recep Tayyip Erdogan. Der türkische Staatspräsident lasse sich beim Umgang mit den Kurden nur von Taktik leiten, sagt Özdemir: Einst wollte er Frieden mit ihnen schliessen, jetzt bekämpfe er sie wieder. "Da ist er völlig beliebig. Das wichtigste Ziel ist, an der Macht zu bleiben."

Jürgen Becker: Der Kabarettist verpackt seine Botschaften humorvoll – meint sie aber bitterernst. Zum Beispiel, wenn er sich über den Preisunterschied zwischen Autofahren und den öffentlichen Verkehrsmitteln ärgert: In Köln koste eine Einzelfahrt mit Bus und Bahn drei Euro, Schwarzfahren sogar 60 Euro. Wer falsch parke, zahle dagegen nur zehn Euro. Ein Unding, findet Becker.

Katharina Nocun: Die Bloggerin ärgert sich über die AfD: Die Partei trage Mitverantwortung an Gewalttaten wie dem Anschlag in Halle, so Nocun. Etwa, wenn ihre Politiker im Bundestag von einer "Umvolkung" reden. "Dann wissen sie genau, dass sie damit an rechte Verschwörungstheorien anknüpfen, auf die sich Attentäter wie der von Christchurch berufen haben."

Christoph von Marschall: Der Korrespondent des "Tagesspiegels" vertritt in der Dreier-Runde mit Becker und Nocun eher konservative Positionen. "Fridays for Future" ist für ihn vor allem eine Bewegung von Grossstadt-Jugendlichen aus dem Bildungsbürgertum. Von Marschall ist aber überzeugt: Für den Klimaschutz müsse man auch die Menschen mitnehmen, die zum Beispiel auf dem Land wohnen.

Was ist das Rede-Duell des Abends?

Besonders kontrovers wird es ganz am Ende, als sich Katarina Barley und EU-Gegner Axel Thill über den Brexit streiten. Thill unterstellt den EU-Befürwortern, mit Lügen überzogene Angst vor dem EU-Austritt zu schüren. Er rechnet vor: Für jedes Pfund, das die Briten derzeit an Brüssel überweisen, bekämen sie nur 33 Cent zurück. Mit dem Geld, das London in Zukunft spare, könne es alle EU-Programme aber in Zukunft alleine weiterverfolgen. Das sei die "klassische Nettozahler-Milchmädchenrechnung", entgegnet Barley: "Als würde es nur darum gehen, Geld hin- und herzuschieben." Für sie ist klar: Geld, das für gemeinsame Programme ausgegeben werde, erzeuge auch einen Mehrwert.

Was ist der Moment des Abends?

Auf eines können sich wohl alle einigen. Es war ein Riesenfehler von Donald Trump, die US-Truppen aus den syrischen Kurdengebieten abzuziehen und somit Türkei und Russland die Tür zu öffnen. Verbal auf den amerikanischen Präsidenten einzuschlagen, ist sicherlich nichts Neues und ziemlich einfach. Aber niemand macht es so drastisch wie Jürgen Becker, der sich als Kabarettist sogar das A-Wort erlauben kann: "Der Trump ist ein so grosses Arschloch, da können Sie mit dem Lkw durchfahren!"

Wie hat sich Sandra Maischberger geschlagen?

Das Format liegt der Gastgeberin. Maischbergers Stärke ist das persönliche Gespräch in einer kleineren Runde, weniger der grosse Streit. Dass sie von Thema zu Thema und je nach Gesprächspartner vom Hocker auf den Sessel wechselt, mag ein wenig verwirrend sein. Doch es bringt auch Abwechslung in die Sendung. In einer so ereignisreichen Woche wäre es ohnehin verschenkt, sich 75 Minuten lang an nur einem Thema festzukrallen.

Was ist das Ergebnis?

So interessant das neue Konzept auch ist: Es fördert nicht unbedingt neue Erkenntnisse zu Tage. Interessant immerhin: Ausgerechnet SPD-Politikerin Barley scheint dem polternden konservativen britischen Premier Boris Johnson einiges zuzutrauen. Ihm würden seine Landsleute ein Brexit-Abkommen mit der EU vermutlich abnehmen, glaubt sie – auch wenn es sich gar nicht so sehr von dem Deal unterscheide, mit dem seine Vorgängerin Theresa May daheim gescheitert sei. "Ich könnte mir vorstellen, dass er das vermitteln kann", so Barley.

Und Cem Özdemir macht Hoffnung, dass es Mittel gibt, um den türkischen Präsidenten von seinem Kriegskurs abzubringen: harte wirtschaftliche Sanktionen nämlich. "Das ist die einzige Sprache, die Erdogan versteht", glaubt Özdemir. "Seine Macht beruht darauf, dass er Geld zum Verteilen hat."

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