Auch wenn alle Gäste bei Maybrit Illner auf eine Niederlage Marine Le Pens bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich am Sonntag tippen - die Sorgen um Frankreich und Europa sind noch da. Die Frage ist nur: Wer ist schuld an der Krise der Grande Nation? Angela Merkel?
Was gibt es da noch zu diskutieren? Das TV-Duell zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron hat mit dem liberalen Pro-Europäer einen klaren Sieger hervorgebracht, in den Umfragen führt Macron mit einem Vorsprung, der eigentlich keinen Zweifel mehr an seinem Sieg am Sonntag lässt.
Eine Tatsache, die doch etwas die Luft herausliess aus dem Thema für den Donnerstagabend-Talk bei
Vor allem die engagierte Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot vermieste all jenen die Vorfreude, die Le Pen und damit die Gefahr für die EU schon verhindert sehen. "Wenn Macron gewinnen sollte, wäre das nur Gefahrenabwehr", sagte sie und zeichnete das Bild eines gespaltenen Landes: Weder die ganz jungen Wähler noch die 25- bis 35-Jährigen stehen hinter Macron, nach den Parlamentswahlen im Juni braucht er die kriselnden klassischen Parteien im Bunde, sonst hat er kaum Rückhalt für seine Projekte.
Falls er scheitern sollte, auch das sagte Guérot in eindringlichem Ton, "dann haben wir Le Pen halt in fünf Jahren".
Ein neues Europa vs. Reformen a lá Agenda 2010
Die Frontstellung an diesem Abend verlief anhand der Antwort auf die Frage, wer den französischen Schlamassel zu verantworten hat und wie er zu beseitigen ist.
Guérot und die Co-Vorsitzende der Linkspartei,
Der CDU-Mann zog ohnehin eine Miene, als hätte ihn
Zu allem Überfluss musste er sich von Kipping erklären lassen, warum ihrer Meinung nach Angela Merkel Le Pen als Sündenbock dient: "Die deutsche Politik und die Dominanz in der EU haben den Boden bereitet für die Rechtspopulisten."
Guérot erinnerte ihn daran, dass Berlin etliche französische Initiativen für ein sozialeres, solidarisches Europa in den Wind geschlagen hat. Zu viel für den Kanzleramtsminister: "Ich verstehe sie wirklich nicht, und ich weiss auch nicht, ob die Zuschauer sie verstehen", grantelte er und gab der Professorin einen überflüssigen Grundkurs in Sachen Europäische Zentralbank - "Mansplaining" nennt man das auf Neudeutsch.
Ein Bock als Gärtner
Le Maire sprach vom grossen Scheitern der Volksparteien, die abgestraft wurden in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen. Zum ersten Mal in der Geschichte der V. Republik landete keiner ihrer Kandidaten in der Stichwahl - dafür mit
Wie, das sollte ein merkwürdiger Gast erklären, den sich Illner nicht zum ersten Mal in die Sendung eingeladen hat: Stefan Petzner, im babyblauen Hemd, knapp vorgestellt als ehemaliger Pressesprecher von Jörg Haider.
Dabei war er viel mehr als das, nämlich sein Spin Doctor, vor allem berüchtigt für Slogans wie "Kärnten wird tschetschenenfrei". Das sei halt damals sein Job gewesen, sagt er gern, wenn er damit konfrontiert wird.
Heute tingelt er durch die Talkshows - als gutes Beispiel dafür, wie man erfolgreich von Bock auf Gärtner umschult: Er warnt vor der Populismus-Welle, die er selbst losgetreten hat.
Lernen kann der Zuschauer von Petzner wohl noch weniger als Professorin Guérot in Peter Altmaiers EZB-Vorlesung. Was die Populisten so tun und wie, das wird spätestens seit Trumps Wahlsieg in jeder zweiten Talkshow besprochen: Ängste schüren, in Zeiten der Unsicherheit die Wiederherstellung der Kontrolle versprechen, und all das mit inkohärenten Inhalten.
Dass Petzner sich in die Aussage versteigt, Katja Kipping müsste die Sozialpolitik des Front National oder der AfD gutheissen, lässt allerdings auf eine veritable Links-Rechts-Schwäche schliessen.
Ihre Klarstellung nutzte die Linkspartei-Chefin gleich für einen weiteren Seitenhieb auf Altmaier: "Wir wollen soziale Rechte für alle, nicht nur für die mit dem richtigen Pass. Da ist die CDU näher an der AfD als wir."
Der CDU-Mann bekam die Chance zum Konter, als die Sendung in der Zielgerade in ein wildes Wortgefecht zwischen ihm und Kipping und Guérot ausartete. Wenn Deutschland Frankreich nicht dabei helfe, ein besseres Europa zu schaffen, habe auch Macron keine Chance, wetterte Guérot.
Altmaier forderte hingegen ein breites französisches Bündnis für Reformen, wie es seine Partei mit Rot-Grün für die Agenda 2010 gebildet hat - die Grundlage für den deutschen Erfolg, sagte der Kanzleramtsminister.
Die Grundlage für den Sozialabbau, sagte Kipping, aber ihr Widersacher hatte das letzte Wort. "Na wenn Sie mir widersprechen, sehe ich das als Kompliment." Da lächelte plötzlich auch Peter Altmaier.
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