Woher kommt der Hass? Und wie viel Meinungsfreiheit gibt es in Deutschland noch? Maybrit Illner und ihre Gäste widmen sich einem schwierigen und emotionalen Thema. Unversöhnliche und bittere Diskussionen bleiben da nicht aus – sogar ganz ohne die AfD.
Linke Politiker bekommen Morddrohungen, Liberale und Konservative werden an Reden und Vorträgen gehindert. Die einen beklagen ungezügelten Hass, die anderen einen Verlust der Meinungsfreiheit. Die politische Debatte in Deutschland scheint aus den Fugen geraten zu sein.
Das zeigt sich auch, als sich
Wer sind die Gäste?
Gerade von Frauen würde sie immer wieder hören, dass sie sich aus Angst vor öffentlichen Reaktionen nicht mehr politisch engagieren wollen. "Das ist eine ganz gefährliche Entwicklung", so Bär.
Das gelte gerade für Meinungen im Internet: "Wir hatten eine ganze Reihe von Attentaten, bei denen messbar aus Netzbewegungen Gewalt geworden ist."
Ralf Schuler: Beim Thema Meinungsfreiheit seien alle gefordert, findet der Leiter des Parlamentsbüros der BILD-Zeitung. Dass vor allem rechte Hetze im Netz zu Gewalt im wahren Leben führen kann, hält er eher für die grosse Ausnahme.
"Am Ende reden wir uns selbst in eine Bürgerkriegsstimmung rein, die ich so nicht sehe."
Ulf Buermeyer: Der Berliner Strafrichter macht Schwachstellen im deutschen Rechtssystem aus: Beleidigung wiege dort weniger schwer als ein Ladendiebstahl.
Das eigentliche Problem liege aber in der mangelnden Ausstattung von Polizei und Staatsanwaltschaften: "Selbst die gemeldeten Straftaten können nicht konsequent verfolgt werden."
Was ist das Rede-Duell des Abends?
Der Frontalangriff kommt früh: "Wir haben hier auch einen Vertreter einer altmodischen Hassmaschine sitzen, nämlich der BILD-Zeitung", sagt Sascha Lobo mit Blick auf seinen Nebenmann Ralf Schuler.
Der BILD-Journalist dagegen kritisiert den Blogger für dessen Aussage, Nazis dürfe man ruhig hassen. "Ich würde einfach niemanden hassen", sagt Schuler. Die bissige Reaktion von Sascha Lobo: "Dann sind Sie bei der falschen Zeitung."
Was ist der Moment des Abends bei Maybrit Illner?
In diesem Ton geht es zumindest stellenweise weiter. So greift Schuler Igor Levit für einen Tweet an, indem der Pianist schreibt, die AfD bestünde "aus Menschen, die ihr Menschsein verwirkt haben." Für den Journalist scheidet Levit damit "aus jedem humanen Diskurs" aus.
Levit kontert mit einem konkreten Beispiel. Er erzählt von einem AfD-Mann, der fälschlich behauptet habe, dass ein Mädchen in seinem Wahlkreis von einem Flüchtling vergewaltigt worden sei. Für ihn habe der AfD-Mann damit seine Ehre als Mensch verwirkt.
Schuler droht anschliessend sogar indirekt damit zu gehen - weil er in Levits Aussage einen Verstoss gegen die Achtung der Menschenwürde in Artikel 1 des Grundgesetzes sieht.
Ausgerechnet die beiden Politiker am Tisch – Dorothee Bär und Cem Özdemir – wirken in solchen Momenten wie die ruhenden und mässigenden Pole.
"Es ist wichtig, dass wir uns in den Methoden und in der Art, wie wir reden, von denen unterscheiden, die uns und diese grossartige Gesellschaft bekämpfen wollen", warnt Özdemir.
Was ist das Ergebnis?
Zunächst stellt sich die Frage, ob die Redaktion bei diesem Thema nicht auch einen AfD-Vertreter hätte einladen sollen. Schliesslich sind es deren Politiker, die bei der Verbreitung von Hass-Nachrichten meistens in der Kritik stehen.
Andererseits beschleicht den Zuschauer das ungute Gefühl: Eine vergiftete politische Diskussion ist in Deutschland inzwischen offenbar leider auch ohne die AfD möglich.
Reden sei das Heilmittel für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt, sagt BILD-Journalist Ralf Schuler. Allerdings bewegen sich er sowie Igor Levit und Sascha Lobo in dieser Sendung praktisch nicht aufeinander zu. Die Seiten verschanzen sich lieber hinter ihren Meinungen – auch wenn sie miteinander reden.
Öffentliche Meinung müsse ein Stück weit reguliert werden, findet Lobo. Es sei wichtig, auch die Grenzen des Sagbaren aufzuzeigen. "Dann müssten wir uns über den Grenzverlauf einigen – ich glaube, das wird schwierig", sagt Schuler.
Und auf Illners Abschlussfrage, wie die politische Debatte in Deutschland "entgiftet" werden könne, meint Igor Levit: "Darauf habe ich heute keine Antwort." Eine ehrliche Antwort. Aber eben auch eine traurige.
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