Wladimir Klitschko dürfte den meisten Deutschen als "Dr. Steelhammer" in Erinnerung sein. Doch seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine kennt man ihn auch als leidenschaftlichen Kämpfer für sein Land. Bei Sandra Maischberger sprach der ehemalige Boxer nun über seine persönlichen Eindrücke vom Krieg und sorgte damit für den spannendsten Teil des Abends.

Christian Vock
Eine Kritik
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Mit Wladimir Klitschko, mehrfacher Box-Weltmeister und Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko, wartete Mittwochnacht ein nicht alltäglicher Gast bei "maischberger" auf die Zuschauer. Zumindest auf die Zuschauer, die die Sendung nicht per Live-Stream sehen wollten. Auf die wartete nämlich nur der eingeblendete Hinweis "Diese Sendung steht Ihnen aus rechtlichen Gründen leider nicht zur Verfügung".

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Die Themen des Abends:

Sandra Maischberger geht mit Ulrich Wickert, Mariam Lau und Iris Sayram die Themen der Woche durch, darunter der Besuch des amerikanischen Präsidenten Joe Biden in Kiew, die mögliche Dauer des Krieges oder der neue Ton im Bundesverteidigungsministerium unter Minister Boris Pistorius. Brigadegeneral a. D. Erich Vad und Florence Gaub diskutieren die Lage in der Ukraine und über das „Manifest für den Frieden“ von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht.

Wladimir Klitschko berichtet darüber, wie er die ersten Kriegstage erlebt hat und was der Krieg aus ihm gemacht hat. Am eindrücklichsten dürfte aber Klitschkos Appell an den Westen gewesen sein, die Ukraine weiter zu unterstützen. Sicherheitsexpertin Florence Gaub und Brigadegeneral a. D. diskutieren die aktuelle Lage in der Ukraine, das "Manifest für den Frieden" und die Frage, wie der Krieg enden könnte.

Mit diesen Gästen diskutierte Sandra Maischberger:

  • Waldimir Klitschko: Der mehrfache Box-Weltmeister sagt an Deutschland gerichtet: "Ich möchte ein riesiges Dankeschön an die Deutschen sagen, auch an die deutsche Regierung." Bezogen auf "Das Manifest für den Frieden" von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht empfiehlt Klitschko den beiden eine Reise nach Butscha, um den Eltern der vergewaltigten, gefolterten und ermordeten Kinder und Teenager von ihren Ideen zu erzählen. Einen Waffenstillstand sollte es geben, so Klitschko, aber nur, wenn die russischen Streitkräfte die Ukraine vollständig verlassen haben.
  • Ulrich Wickert: Wickert ist ehemaliger Journalist und Buchautor und begeistert vom jüngsten Besuch des amerikanischen Präsidenten Biden in der Ukraine. "Das ist ein unglaubliches historisches Zeichen", meint Wickert und glaubt, dass dies den Westen noch stärker zusammenschweissen werde. "Ich fürchte, das wird ein langer Krieg werden", erteilt Wickert Hoffnungen auf ein baldiges Ende des Krieges hingegen eine Absage.
  • Iris Sayram: Sayram ist Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio. Über die im Vergleich zu Olaf Scholz klaren Worte des neuen Verteidigungsministers Boris Pistorius, etwa, dass man die Ukraine, solange es nötig sei, unterstützen werde, sagt Sayram: "Es ist zwar schön, dass man Klartext redet, aber bitte nur, wenn man das auch einhalten kann – und da habe ich hier Zweifel." Wann man nun Kriegspartei ist, ist für Sayram nicht so eindeutig: "Das Völkerrecht ist sehr, sehr schwammig."
  • Mariam Lau: Die politische Korrespondentin der "Zeit" erkennt einen neuen Ansatz in Putins Umgang mit der atomaren Abschreckung: "Er nutzt den Schutz der Atomwaffen, um territoriale Eroberungen zu machen." Was passieren werde, sei, dass "die russische Artillerie vollkommen in den Dutt gerannt wird und dann bleibt ihm eigentlich nur noch das Nukleararsenal. Und dann wird man sehen, was passiert. Er weiss ja ganz genau, was die Risiken sind, da hat ja Joe Biden keinen Zweifel gelassen", meint Lau. Putins Bemerkung zu den Atomwaffen sei Richtung Deutschland gerichtet, weil man hierzulande Angst habe. Lau wundert sich, welche der Kompromisse, die im „Manifest“ gefordert werden, die Ukraine denn machen solle: "Wenn Putin die Waffen niederlegt, ist der Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine die Waffen niederlegt, ist sie zu Ende."
  • Erich Vad: Der Brigadegeneral a. D. ist Erstunterzeichner des "Manifest für den Frieden". Er kritisiert, dass man nur Waffen liefere, aber die politischen Ziele nicht definiere: "Mir fehlt einfach bei diesen Waffenlieferungen, bei unserem militärischen Engagement das politische Gesamtkonzept." Das sei auch militärisch schwierig, da ohne Steuerung. Die Lage an der Front sei festgefahren, so Vad: "Es ist einfach ein Blutbad. Es ist ein Abnutzungskrieg, wie wir ihn auch aus dem Ersten Weltkrieg kennen." Das massenhafte Sterben hält Vad für "unsinnig und abwegig".
  • Florence Gaub: Die Expertin für Sicherheitspolitik sagt über das "Manifest für den Frieden": "Der Ansatz der Verhandlungen ist nicht falsch, aber der Zeitpunkt ist unglücklich gewählt." An einem Wendepunkt des Krieges sei man nämlich jetzt noch nicht. Gaubs Kritik an den Verfassern des "Manifest": "Zu glauben, dass Sie das Monopol haben auf Frieden, das suggeriert, dass wir, die wir eine andere Position vertreten, gerne mögen, dass Menschen sterben, dass wir blutrünstig sind, das stimmt halt nicht. Wir haben nur eine andere Idee davon, wie man zum Frieden kommt, als Sie." Gaub vergleicht die Lage in der Ukraine eher mit dem Zweiten Weltkrieg und sagt: "Wenn man Hitler früher gestoppt hätte, dann wäre es gar nicht zum Zweiten Weltkrieg gekommen."

Das Gespräch des Abends:

Wladimir Klitschko berichtet von den ersten Kriegstagen, davon, dass die Situation in Kiew selbst sehr brenzlig war, weil die Stadt kurz vor einer Einkesselung stand und wie beeindruckt er von seinem Bruder ist, wie dieser in der schwierigen Situation reagiert habe. Über die Möglichkeit, selbst zur Waffe greifen zu müssen, sagt Klitschko: "Jeder Mann unter 60 Jahren kann an die Front gerufen werden. Das ist das Gesetz und ich bin keine Ausnahme."

Über die aktuelle Lage sagt Klitschko: "Die Offensive von russischer Seite hat schon angefangen vor Tagen und sie geht weiter." Die ukrainische Armee tue alles, damit sich die Frontlinie nicht weiter nach Westen verschiebt. "Deswegen brauchen wir auch die weitere Unterstützung. Humanitäre genauso wie militärische." Russland entwickle sich zurück zu Sowjetzeiten. Putin habe "den Traum, das sowjetische Reich wieder herzustellen." Die Ukraine sei erst der Anfang, daher sei die Antwort auf die Frage "wann ist es genug?": "Es ist eigentlich nie genug, bis wir die Ukraine verteidigt haben und die Menschen in Russland verstanden haben, dass dieser sinnlose Krieg ein Fehler war."

"Ich glaube, alles sollte Konsequenzen haben", sagt Klitschko über die Kriegsverbrechen in der Ukraine und meint: "Schade, dass wir nach einem Jahr kein Militärtribunal und keine Kriegsverbrecher in dem Tribunal haben, weil das sollte ein Zeichen sein für die anderen Angreifer, die das heute tun, dass es für jedes Kriegsverbrechen eine Konsequenz gibt. Und die Konsequenzen sollte die russische Seite jetzt lernen. Wenn wir das nicht machen, wird es weiter auf der ganzen Welt passieren."

Maischberger spielt Klitschko ein Interview seines verstorbenen Vaters vor, in dem dieser bezogen auf den Boxsport sagt, die stärkste Kraft eines Menschen sei dessen Wille. Daraufhin richtet Klitschko einen "Appell an die freie Welt": "Bitte glauben Sie an uns in der Ukraine! Wir haben den Willen. Seit 2014 läuft dieser sinnlose Krieg. Wir wissen, wer der Gegner ist, wir wissen, warum das passiert. Wir glauben an uns selbst und wir haben einen Riesenwillen und ich möchte, dass auch die freie Welt an uns glaubt."

Der Schlagabtausch des Abends:

Den grossen Schlagabtausch des Abends dürfte man vom Gespräch zwischen Florence Gaub und Erich Vad erwartet haben, denn hier trafen Erstunterzeichner und Kritikerin des "Manifest für den Frieden" aufeinander. Es wäre vielleicht auch der grosse Schlagabtausch geworden – hätte man die Argumente beider Seiten noch nie zuvor gehört. Doch genau das ist nicht der Fall, erst eine Woche zuvor sassen beispielsweise mit Katrin Göring-Eckardt und Franz Alt an gleicher Stelle ebenfalls Kritiker und Befürworter des Manifests bei Maischberger. Dementsprechend wenig Neues gab es bei diesem Gespräch zu erfahren.

So schlug sich Sandra Maischberger:

Gut, nur an einer Stelle wurde es ein wenig heikel. "Wo stehen wir in diesem Krieg?", will Sandra Maischberger von Klitschko wissen und verweist auf die Zerstörung und auf "unglaublich viele Opfer gerade auf ukrainischer Seite". Da unterbricht Klitschko Maischberger: "Nur auf ukrainischer Seite! Die Opfer sind nur auf ukrainischer Seite!" "Die zivilen Opfer sicherlich, wenn man die Soldaten mitzählt, muss man wahrscheinlich …", versucht Maischberger ihre Wortwahl zu erklären, doch Klitschko unterbricht erneut: "Wenn man mit den Waffen kommt, wie es die russische Armee gemacht hat, dann wird man natürlich auch durch die Waffen fallen. Aber das sind keine Opfer. Richtige Opfer, das sind die Ukrainer und die Zivilisten und davon gibt es wahnsinnig viele."

Das Fazit:

Es war eine spannende und informative Diskussionsrunde am Mittwochabend, nimmt man einmal das Gespräch zwischen Florence Gaub und Erich Vad aus. Nicht, weil die beiden nichts Interessantes zu sagen gehabt hätten, sondern weil die Argumente zwischen Kritikern und Befürwortern des "Manifests für den Frieden" nun bereits einige Male, auch bei „maischberger" ausgetauscht wurden. Dementsprechend dürfte für Politikinteressierte der Erkenntnisgewinn dieses Gesprächs ein wenig unter den Erwartungen geblieben sein.

Anders hingegen das Gespräch mit Wladimir Klitschko, das natürlich der ebenso zu erwartende wie verständliche Appell an den Westen war, die Ukraine weiter zu unterstützen. Es lieferte aber auch private Einblicke, etwa, als Klitschko erzählte, er habe erst vor einem Jahr angefangen, Ukrainisch zu sprechen oder als ihm Maischberger ein Interview seines verstorbenen Vaters vorspielt, das der ehemalige Boxer noch nicht kannte. Hier vermischte sich Biografisches, Persönliches und Politisches und genau das war das Spannende an dem Gespräch mit Wladimir Klitschko.

Vitali Klitschko

Vitali Klitschko würde mit Putin gerne in den Boxring steigen

Der ehemalige Box-Weltmeister Vitali Klitschko würde sich gerne im Boxring mit Russlands Präsident Wladimir Putin messen. Dafür wäre Kiews Bürgermeister auch fit genug, wie er der "Bild am Sonntag" erzählte. (Photocredit: Wochit/Getty Images)
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