Am Donnerstagabend diskutierte Maybrit Illner mit ihren Gästen über die Gefahr einer Kriegsmüdigkeit, die Wirksamkeit der Sanktionen sowie Szenarien für ein Kriegsende. Für die meiste Aufregung im Studio sorgte dabei Politikwissenschaftler Johannes Varwick: Er plädierte dafür, einen aussichtslosen Kampf nicht weiter zu unterstützen und den Konflikt einzufrieren.

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Bald dauert der Ukraine-Krieg bereits 100 Tage und die Einigkeit im Westen bröckelt zunehmend: Beim letzten Sanktionspaket der EU bremste Mitgliedsstaat Ungarn gehörig, die Türkei blockiert derweil den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden. Gleichzeitig hat Russland mittlerweile die Überhand an der Front gewonnen.

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Das ist das Thema bei "maybrit illner"

"Kriegsmüdigkeit" lautete das Stichwort des Abends bei Maybrit Illner. "Bröckelt die Solidarität im Westen?", wollte sie von ihren Gästen wissen. Die Runde blickte noch einmal auf die Sanktionen des Westens, die fehlenden Waffenlieferungen und diskutierte: Wie lange kann der Krieg noch dauern? Wie lang wird der Atem des Westens sein? Dabei ging's sowohl um das Öl-Embargo als auch um Verhandlungslösungen, das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine und die Kommunikation von Kanzler Scholz.

Das sind die Gäste

Robert Habeck (Grüne): Der Vize-Kanzler und Bundeswirtschaftsminister sagte: "Wir machen einen Fehler, wenn wir uns nur über die Rohstoffe definieren und immer nur auf das Öl oder Gas schauen." Die Sanktionen seien höchst wirksam. "Putin hat zwar noch Geld, aber er kann sich immer weniger davon kaufen", erinnerte Habeck. Deutschland unterstütze die Ukraine bei ihren Kriegszielen, aber: "Die Ukraine soll selbst darüber bestimmen, wie der Krieg erfolgreich abgeschlossen werden kann", so Habeck.

Katrin Eigendorf: Die ZDF-Auslandsreporterin beobachtete: "Mit dem Verlauf des Krieges und den steigenden Verlusten wächst auch bei den Ukrainern die Verzweiflung." Für die grosse Mehrheit sei es allerdings alternativlos, das Heimatland weiter zu verteidigen. "Der Krieg geht uns viel zu sehr an, wir können es nicht zulassen, dass die Ukraine den Krieg verliert", war sie sich sicher. Dennoch dürfe man die Ukraine nicht dazu bewegen, einen halbherzigen Frieden einzugehen.

Johannes Varwick: "Dieser Konflikt ist im Moment nicht lösbar", konstatierte der Professor für Internationale Beziehungen und europäische Politik an der Universität Halle-Wittenberg und forderte Nüchternheit und Realismus sowie ein Einfrieren des Konflikts. "Einen aussichtslosen Kampf zu unterstützen, macht keinen Sinn“, sagte Varwick. Der Westen reite derzeit auf der Rasierklinge. "Ein Einfrieren geht nicht mit neuen Waffenlieferungen, das ist der falsche Weg", so der Politikwissenschaftler.

Kevin Kühnert (SPD): "Niemand kann sagen, was der richtige Ausweg ist, ausser die Ukrainer selbst", betonte der SPD-Generalsekretär. Man müsse deutlich machen, dass man keinen umgekehrten imperialen Krieg gegen Russland führen wolle. "Uns geht es einzig und allein um die Integrität der Ukraine", so Kühnert. Bei den eigenen Schritten müsse man zwar erwägen, wie die Reaktion Putins ausfallen könnte, man dürfe das aber nicht zum Massstab seines eigenen Handelns machen, "sondern, um sich nicht vorwerfen zu müssen, fahrlässig zu handeln", sagte Kühnert.

Roderich Kiesewetter (CDU): Der CDU-Politiker und Oberst a. D. der Bundeswehr befand: "Präsident Selenskji ist ein sehr nüchterner Realpolitiker". Aktuell befinde sich die Ukraine aber in einer schwierigen Lage: "Die meisten gelieferten Waffen sind verbraucht", so Kiesewetter. Es helfe der Ukraine nicht, fast 60 Jahre alte Schützenpanzer zu bekommen. Statt komplizierter Ringtausche müsse Deutschland direkt liefern.

Eva Quadbeck: "Olaf Scholz hat von Beginn des Krieges an immer defensiv agiert", analysierte die stellvertretende Chefredakteurin und Leiterin des Hauptstadtbüros beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Es ist nicht so, dass Deutschland nichts tut. Aber wir sind im hinteren Feld, wenn es darum geht, aus unseren Worten auch Taten werden zu lassen", so Quadbeck. "Mit Putin kann man keinen Deal mehr machen", war sie sich sicher.

Das ist der Moment des Abends bei "maybrit illner"

Robert Habeck war nur ins Studio zugeschaltet, trotzdem sorgte er in seinem Live-Interview für den Moment des Abends. Moderatorin Illner wollte von ihm wissen: "Tut die Bundesregierung alles Mögliche?" Der Zuschauer erwartete bereits eine ausweichend diplomatische Antwort, wie man sie in der Politik häufig hört.

Annalena Baerbock: "Die Ukraine muss gewinnen"

Bundesaussenministerin Annalena Baerbock spricht ausserdem davon, dass sich das Ziel Wladimir Putins im Krieg verändert habe. Bundesaussenministerin Annalena Baerbock bezieht bei Markus Lanz klar Stellung für die Ukraine. Ausserdem spricht sie spricht davon, dass sich das Ziel Wladimir Putins im Krieg verändert habe.

Aber Habeck überraschte. "Nein", gab er zu. "Wir tun nicht alles, was wir können. Aber wir tun alles, was verantwortbar ist jetzt in dieser Situation, um der Ukraine zu helfen", sagte er weiter. Man wolle keine Kriegspartei werden und damit einen Schritt zum globalen Krieg gehen. "In dieser Situation kann man nicht nur emotional entscheiden", erinnerte der Vizekanzler.

Das ist das Rede-Duell des Abends

"Wir haben versäumt im Vorfeld des Krieges, die russische Perspektive besser zu lesen." Er sei nach wie vor davon überzeugt, dass es möglich gewesen wäre, einen Interessensausgleich hinzubekommen, sagte Politikwissenschaftler Varwick und brachte damit direkt Journalistin Eigendorf gegen sich auf.

"Worin hätte denn bitte der Interessensausgleich mit Russland bestanden?", wollte sie wissen. Varwick setzte an, über "überlappende Einflusszonen in dieser komplizierten Region" zu sprechen, kam aber nicht zum Punkt. "Wir haben es hier mit einem aggressiven, totalitären Regime zu tun – wo sehen Sie da bitte den Ausgleich?", setzte Eigendorf nämlich nach.

"Wir werden Erfolg haben, wenn es wieder gelingt mit Russland einen Ausgleich zu haben, der auf Gleichgewicht beruht. Das sind Gedanken in der deutschen Debatte, die völlig diffamiert sind", befand Varwick. Ein Einfrieren des Konflikts sei das Gebot der Stunde.

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Viel Input musste Illner am Donnerstagabend (2.) gar nicht geben, die Debatte nahm ganz von alleine Fahrt auf. "Waren wir zu optimistisch?", wollte sie beispielsweise mit Blick auf die Siegeschancen der Ukraine wissen und "Wer hat den längeren Atem – der Westen oder Russland?" Etwas überflüssig allerdings war es, dass sie die Studiogäste immer wieder zu Olaf Scholz befragte. Ob er ein Ankündigungskanzler sei, fragte sie zum Beispiel. Welche Antwort mit Mehrwert hätte Generalsekretär Kühnert hier geben sollen?

Das ist das Ergebnis bei "maybrit illner"

Auch wenn sich die Talkrunden immer wieder um den Ukraine-Krieg drehen und die Gefahr der Kriegsmüdigkeit auch in der Sendung auf den Tisch kam, an diesem Abend wurde deutlich: In dem ganzen Thema steck doch noch ordentlich Zündstoff. Vor allem nämlich beim Blick in die Zukunft: Fragen zu einem Kriegsausgang, Waffenstillstand und Verhandlungslösung sollten noch breiter debattiert werden.

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