Hat der Krieg in der Ukraine nach zwei Jahren einen Wendepunkt erreicht? Mit dem Sieg in Awdijiwka gelang dem russischen Militär jüngst ein bedeutender Erfolg, der auch psychologisch wichtig für Russland sei.
Aufgrund der Niederlage schwinde laut ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf die Hoffnung vieler Ukrainer darauf, den Krieg zu gewinnen. Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Die Lage in der Ukraine spitzt sich immer weiter zu - und nach zwei Jahren Krieg ist noch längst kein Ende in Sicht. Zuletzt mussten die ukrainischen Truppen in der hart umkämpften Stadt Awdijiwka einen Rückschlag erleiden. Laut der "Süddeutschen Zeitung" sei die Eroberung von Awdijiwka für Moskau der bedeutendste militärische Erfolg seit der Übernahme von Bachmut im Mai 2023.
Markus Lanz wagte am Dienstagabend einen Blick in die Zukunft und sprach über den weiteren Kriegsverlauf sowie die Möglichkeit eines russischen Angriffs auf einen NATO-Mitgliedsstaat.
Das sind die Gäste
Mike Mohring , CDU-Politiker: "Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen."- Florence Gaub, Militärexpertin: "Die Lage ist ernst."
- Martin Machowecz, Journalist: "Es wird das Land total verändern, was da im Herbst passiert."
- Katrin Eigendorf, ZDF-Korrespondentin: "Das Land kann den Konflikt nicht mehr lange durchstehen."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Auf die Frage von Markus Lanz, ob Russland in naher Zukunft einen NATO-Mitgliedsstaat angreifen könnte, antwortete Militärexpertin Florence Gaub ehrlich: "Krieg mit Russland wird jetzt von fast allen als echte Möglichkeit begriffen." Gleichzeitig fügte sie hinzu: "Man muss sich der Tatsache stellen, (...) aber wir haben auch Lösungen dafür." Eine Lösung sei laut Gaub die Entschlossenheit und Zusammenarbeit der einzelnen NATO-Mitglieder: "Je mehr wir uns zusammentun - alle investieren, alle machen sich bereit - dann schickt das natürlich die Botschaft an Russland: 'Wir wehren uns'."
Zum jetzigen Zeitpunkt wäre ein Angriff Russlands dennoch verheerend, wie Gaub zugeben musste: "Ja, die Lage ist ernst!" Wenn Russland laut der Militärexpertin heute angreifen würde, "haben wir echt ein Problem. Aber wir haben noch etwas Zeit. Und wir haben Ressourcen und vor allem sind wir nicht alleine". Markus Lanz hakte weiter nach und wollte wissen, wo ein Angriff von russischer Seite denkbar wäre. Gaub antwortete vorsichtig, dass das "billigste Szenario für Russland" sei, eine Rakete auf einen deutschen Acker zu werfen und zu sehen, wie die Alliierten darauf reagieren. In dem Zusammenhang merkte die Expertin an, dass Russland bereits "seit längerer Zeit" den deutschen Luftraum verletze. "Der Trick dahinter" sei laut Gaub, "uns zu verunsichern", uns "unsere eigene Schwäche klarzumachen" und "das Gefühl zu geben: 'Ihr seid nicht in Sicherheit'".
Russland beherrsche laut Gaub auch die Kunst, "Grauzonen ausnutzen". Bei Cyberattacken und Ähnlichem sei es für das NATO-Bündnis schwierig, entsprechend einzugreifen und Grenzen aufzuziehen; "Das sind diese Bereiche, die uns Sorgen machen." Die Reaktion Deutschlands sollte darauf jedoch keine Panik sein, sondern die Antwort sei laut Gaub, weiter in die Bundeswehr und in die NATO zu investieren. Lanz fragte daraufhin, ob eine eigene Atombombe für Deutschland denkbar wäre. Die Militärexpertin wiegelte ab und sagte, dass dies niemand wolle, da die deutsche DNA politisch zutiefst "anti-nuklear" sei.
Ähnlich sorgenvoll sprach Markus Lanz in dem Zusammenhang auch über die prekäre Lage in der Ukraine und sagte: "Dieser Krieg geht mit einer unglaublichen Härte und Brutalität weiter." Mit dem Fall der Stadt Awdijiwka verliere die Ukraine, wie die aus Kiew zugeschaltete ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf erklärte, nicht nur einen "wichtigen Brückenkopf" im Osten des Landes, sondern der Fall habe auch eine schwere "moralische Konsequenz" für die Ukrainer, da der Eindruck entstehe, man schaffe es nicht einmal mehr, "das Land zu verteidigen". Eigendorf zeichnete ein erschreckendes Bild, als sie sagte: "Es fehlt an Soldaten, es fehlt (...) in vielen Bereichen der Armee auch an Munition, es fehlt an Geräten. Und die Ukraine ist wirklich in einem ganz, ganz schlimmen Dilemma."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Die Korrespondentin erklärte bei "Markus Lanz" weiter, dass der Krieg im Moment eine Phase erreicht habe, in der die Ukrainer "mit dem Rücken zur Wand" stehen. "Die Lage ist sehr dramatisch", so Eigendorf. Sie ergänzte sorgenvoll, dass die ukrainische Bevölkerung angefangen habe, zu resignieren, da der Krieg mittlerweile "auch eine grosse Auswirkung auf die Lebensverhältnisse der Menschen" habe. Immer mehr Ukrainer seien "verarmt" und lebten seit zwei Jahren "in einer Situation des Terrors".
Eigendorf führte aus: "Man ist irgendwann (...) zermürbt von diesem permanenten Luftalarm. Und die Situation hat sich jetzt auch nochmal deutlich verschlimmert, weil Russland setzt verstärkt Drohnen ein." Derweil könnten die Ukrainer "keine wirklich durchschlagenden Erfolge" mehr verbuchen. Besonders brisant: Obwohl sich die Sicherheitslage "nochmal deutlich verschlechtert" habe, zeige die Regierung "keine klaren Rezepte" zum Erfolg. Die Folge: Die Beliebtheit von Selenskyj habe laut Eigendorf deutlich nachgelassen und es gebe sogar einen "offenen Machtkampf" zwischen der Opposition, der Militärführung und dem ukrainischen Präsidenten. Das Bild eines "geeinten Landes" fange mittlerweile "ganz stark" an, zu bröckeln.
Die alarmierenden Worte der ZDF-Korrespondentin lösten bei Florence Gaub jedoch Kopfschütteln aus. "Mit Pessimismus gewinnt man keinen Krieg", so die Militärexpertin. Lanz konterte trocken: "Aber ohne Munition auch nicht." Gaub liess sich davon nicht beirren und erklärte weiter: "Natürlich, man muss die Fakten als negativ anerkennen." Dennoch sei ein Krieg immer "furchtbar" und verursache "sehr viel Leid". Laut Gaub sei es daher "am Ende kontraproduktiv", pessimistisch auf die Ukraine zu blicken, weil es Russland suggeriere, "wir lassen die Ukrainer bald fallen, weil da gibt es nichts mehr zu gewinnen". Viel wichtiger sei es stattdessen, "weiter Unterstützung" zu bieten und der Ukraine "alles, was nötig ist", zu versprechen, "um am Ende das Ziel zu erreichen".
Gaub ergänzte: "Auf jeden toten Ukrainer kommen sieben tote Russen. Ich würde nicht sagen, dass es hier aussieht, als würde Russland da komplett (...) durchmähen." Dem konnte die ZDF-Korrespondentin nicht zustimmen. Sie warnte: "Das Land kann den Konflikt nicht mehr lange durchstehen." Eigendorf ergänzte: "Russland hat sehr viel Potenzial an Menschen, die sie hier in diesem Krieg einsetzen können. Und Russland hat eine sehr gut funktionierende Kriegsmaschinerie." Aus diesem Grund werde bereits "hinter vorgehaltenen Händen" darüber nachgedacht, ukrainische Gebiete an Russland abzutreten. "Ich sehe nicht, dass die Ukraine hier so überzeugt davon ist, diesen Krieg so bald gewinnen zu können. Ich sehe auch ehrlich gesagt keine Anzeichen am Boden dafür, dass das passiert", so Eigendorf. Florence Gaub schüttelte derweil entschieden mit dem Kopf und erklärte, dass es auch als Sieg verbucht werden könne, Gebiete abzutreten, denn: "Militärischer Sieg ist immer eine Skala."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz gelang am Dienstagabend eine vielseitige Diskussionsrunde, in der vor allem ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf erstaunliche Einblicke in das Kriegsgeschehen innerhalb der Ukraine lieferte. Der ZDF-Moderator forderte daraufhin mehrfach Militärexpertin Florence Gaub heraus, die die Lage nicht so dramatisch einzustufen schien wie Eigendorf.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Wie der Krieg in der Ukraine ausgeht, ist nach wie vor unklar. Katrin Eigendorf verriet zwar bei "Markus Lanz", dass die Ukraine hinter vorgehaltener Hand über Verhandlungen mit Russland nachdenke. Sie stellte aber auch klar: "Ich sehe (...) nach wie vor die Entschlossenheit, sich zu verteidigen." Irgendwann müsse es laut Eigendorf zwar "zu einem Friedensvertrag kommen", dafür gebe es jedoch bislang "keine einfache Lösung und kein klares Ziel".
Journalist Martin Machowecz warnte in dem Zusammenhang davor, dass Putin "zu keinerlei Kompromiss mehr bereit" sei. Dem stimmte CDU-Politiker Mike Mohring zu und stellte klar, dass der Angriffskrieg "nicht Rechtsbestand werden" und Putin den Krieg nicht gewinnen dürfe. © 1&1 Mail & Media/teleschau
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