Trotz massiver Kritik will die CSU das neue Polizeiaufgabengesetz im bayerischen Landtag durchsetzen. Wir haben mit dem Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, gesprochen: Warum das Gesetz in seinen Augen nicht als Mustervorlage für den Bund taugt.

Ein Interview
von Fabienne Rzitki

Herr Malchow, wie bewerten Sie das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) aus Bayern?

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Oliver Malchow: Es ist sehr weitreichend. Einige Punkte des Gesetzes machen es kaum möglich, dem Ziel eines einheitlichen Musterpolizeigesetzes für ganz Deutschland nahe zu kommen. Allein der Punkt der Präventivhaft, die immer wieder verlängert werden kann, wird deutschlandweit nicht umzusetzen sein. Die mögliche Dauer des Gewahrsams ist einfach zu lang. Bayern geht da doch sehr weit.

Worin sehen Sie die grösste Gefahr?

Wir wollen weiterhin, dass die Bürger keine Angst vor der Polizei haben müssen. Die Beamten müssen jedoch – auch wenn sie bürgernah auftreten – Massnahmen umsetzen können, wenn es sein muss auch mit körperlicher Gewalt. Aber ich befürchte, dass die Befugnisse in Bayern zum Teil so umfassend sind, dass dadurch das Vertrauen in die Polizei massiv gestört werden könnte.

Es regt sich bereits grosser Widerstand gegen das Polizeiaufgabengesetz in Bayern. Am Ende aber muss die Polizei genau dieses Gesetz anwenden, das von einem grossen Teil der Bevölkerung womöglich nicht akzeptiert wird. Für die Kolleginnen und Kollegen erschwert das die Situation.

Inwiefern?

In dem Gesetz geht es um Massnahmen der Strafverfolgung insbesondere mit Blick auf die Gefahrenabwehr. Teilweise handelt es sich um operative Massnahmen. Die anzupassen, ist notwendig. Das ist ganz klar.

Und die datenschutzrechtlichen Regeln müssen auch überprüft und eingeführt werden. Aber es gibt dort Änderungen, die sich nicht nur auf den Bereich des Terrorismus anwenden lassen, sondern auch auf andere Gefahrenlagen. Das finden wir schon sehr bedenklich.

Wird demnach jeder Bürger inkriminiert?

Das hoffe ich natürlich nicht. Und das zu behaupten, so weit würde ich auch nicht gehen. Es muss natürlich Anhaltspunkte geben, die eine drohende Gefahr beschreiben, sonst würde man die Massnahmen nicht umsetzen können. Das würde auch höchstwahrscheinlich kein Richter mitmachen.

Aber die Frage ist eben: Wie weit reicht die drohende Gefahr von dem eigentlich möglichen Schadensereignis weg? Wie weit zeitlich vorverlagert ist die drohende Gefahr? Die Gewerkschaft der Polizei akzeptiert selbstverständlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vor zwei Jahren, aber Bayern will eben die drohende Gefahr auch auf andere Bereiche als den Terrorismus übertragen. Und ob das im Sinne des Bürgers ist, ist die Frage.

Der bayerischen Regierung wird vorgeworfen, mit dem PAG den Weg in einen Überwachungsstaat zu ebnen. Wie sehen Sie das?

Wir wollen nicht, dass die Polizei in den Ruf kommt, so weitreichende Befugnisse zu besitzen, dass sie die Bürger lückenlos überwachen könnte. Wir plädieren zwar für die Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten im öffentlichen Raum; für andere Lebensbereiche muss aber die Verhältnismässigkeit gelten und überprüft werden.

Es ist notwendig, dass die Polizei überwachen können muss, etwa um im Bereich der Terrorismusbekämpfung frühzeitig eingreifen zu können. Das Vertrauen für solche wichtige Massnahmen bekommt man aber nur über rechtsstaatliche Transparenz. Man darf nicht so tun, als gäbe es dafür keinen Regelungsbedarf.

Was halten die Beamten vom bayerischen Gesetz?

Die Reaktionen sind ganz unterschiedlich. Es gibt Befürworter und Kritiker. Vor allem hinsichtlich der Entwicklung der Polizei wird sehr engagiert diskutiert. Wir wollen auch weiterhin, dass die Polizei eine hohe Reputation bei den Bürgerinnen und Bürgern hat. Das bedeutet auch, dass die Polizei einerseits Grenzen ihres Handelns erfährt und letztlich auch akzeptiert; andererseits muss sie aber auch handlungsfähig bleiben, um vor Terror zu schützen.

Die GdP (Anm. d. Red.: Gewerkschaft der Polizei) ist sehr darum bemüht, hier das Gleichgewicht zu halten. Deshalb kritisieren wir auch nicht das ganze Gesetz. Aber es gibt schon Punkte, die eben eine Mustervorlage für ganz Deutschland erschweren. Wir halten nicht nur den Punkt mit der beschriebenen "drohenden Gefahr" für problematisch. Auch der Einsatz von Waffen wird im bayerischen Gesetz anders interpretiert.

Das heisst, es gibt Regelungen, die sehr weit gehen und Bayern geht diesbezüglich wirklich sehr forsch vor. Die Frage ist, ob jeder Zweck das Mittel heiligt. Diese Diskussion müssen wir zu Ende bringen. In anderen Bereichen beziehungsweise bei bestimmten Massnahmen, die sich auf die Gefahrenabwehr beziehen, macht es Bayern allerdings richtig. Unser Ziel, also das der GdP, ist es jedoch, ein länderübergreifendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Das ist auch im Koalitionsvertrag so vereinbart.

Zur Person: Kriminaloberrat Oliver Malchow ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei und verantwortlich unter anderem für die Themenfelder Gewerkschafts- und Gesellschaftspolitik, Grundsatzfragen, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Kriminalpolitik, Bundesfachausschuss (BFA) Kriminalpolizei.
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