- Ein Machtwechsel im Iran gilt als fast sicher. Unklar ist, ob es dem Land danach besser gehen wird.
- Die Stimmung der Iraner ist eher pessimistisch. Dementsprechend war auch die Wahlbeteiligung relativ niedrig.
Die Präsidentenwahl im Iran ist nach 19 Stunden beendet. Gewählt wurde am Freitag ein Nachfolger für Präsident Hassan Ruhani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten durfte. Stimmberechtigt waren mehr als 59 Millionen Menschen, allerdings wollten weniger als die Hälfte von ihnen an der Wahl teilnehmen. Wegen der Corona-Krise war die Öffnungszeit der Wahllokale verlängert und ihre Zahl auf mehr als 70.000 erhöht worden. Erste Ergebnisse werden laut Innenministerium am Samstag oder spätestens Sonntag erwartet. Der neue Präsident soll dann im August vereidigt werden.
Nach Angaben des iranischen Staatsfernsehens war die Wahlbeteiligung landesweit hoch, auch in der Hauptstadt Teheran. Laut Augenzeugen jedoch gab es zwar eine rege Beteiligung in einigen Teilen im Süden Teherans, aber sonst waren die Wahllokale in der Millionenmetropole relativ leer. Laut Umfragen wollten ungefähr 40 Prozent an der Wahl teilnehmen, über 30 Prozent weniger als noch vor vier Jahren.
Beobachter erwarten politischen Machtwechsel
Nach der Wahl erwarten Beobachter einen politischen Machtwechsel. Von den zunächst sieben zugelassenen Kandidaten gingen am Wahltag nur noch vier ins Rennen. Ein erzkonservativer Kleriker, ein Reformer, ein ehemaliger General und ein Hardliner. Als klarer Favorit wird der Kleriker und Justizchef Ebrahim Raeissi gehandelt. Aussenseiterchancen werden dem reformorientierten Ökonomen Abdolnasser Hemmati eingeräumt, der insbesondere auf Proteststimmen hofft.
In weiten Teilen der Bevölkerung gilt ein Wahlsieg Raeissis als sicher. Vor vier Jahren noch an Ruhani gescheitert, stellt sich dieses Mal sein Weg ins Präsidialamt wesentlich einfacher dar. Dafür sorgte auch der sogenannte Wächterrat, der als Wahlgremium ernsthafte Konkurrenten aussortierte. Dies führte sogar in den eigenen Reihen zu heftigen Protesten - und zu grossem Desinteresse der Menschen an einer Wahl, die weithin als inszeniert und undemokratisch wahrgenommen wurde.
Als Präsident würde Raeissi nach Überzeugung von Experten den moderaten Kurs Ruhanis nicht fortsetzen. Im Wahlkampf fokussierte er sich mehr auf Wirtschaftsthemen und versprach ein schnelles Ende der durch die US-Sanktionen verursachten Finanzkrise. Doch ohne Verhandlungen mit den USA über die Zukunft des inzwischen von beiden Seiten unterminierten Wiener Atomabkommens von 2015 wäre ein Ende der Sanktionen - und der schon fast drei Jahre währenden Wirtschaftskrise - nicht machbar.
Die Iraner erwarten keine grossen Veränderungen
Genau dieses Abkommen hat Raeissi in den vergangenen Jahren indes scharf kritisiert. Inzwischen klingt sein Standpunkt jedoch weniger radikal. "Wir werden das Abkommen respektieren, die Bedingungen dafür stellen aber wir, nicht die USA", sagte er im Wahlkampf. Seine Bedingungen dafür wolle er erst später bekanntgeben. Auch in der Nahost-Politik erwarten Beobachter bei Übernahme des Präsidentenamts durch Raeissi einen radikaleren Kurs, im Verhältnis zum Erzfeind Israel einen gar noch feindseligeren als bislang.
In der Bevölkerung herrscht mehr Skepsis als Hoffnung. Von Ruhani und den Reformern enttäuscht, erwarten die meisten Perser auch von Raeissi keine grossen Veränderungen. Sie hoffen vor allem auf ein Ende der Wirtschaftskrise. Gleichzeitig befürchten viele, dass Raeissis Politik zu einer erneuten Isolierung ihres Landes führen könnte. (dpa/fra) © dpa
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