Der Europäische Gerichtshof hat den Klagen der deutschen Nachbarländer stattgegeben. Österreich und die Niederlande hatten gegen die geplante Pkw-Maut der CSU Einspruch erhoben, da sie ausländische Reisende benachteilige und deutsche Autofahrer de facto von der Maut befreit wären. In der Presse findet das Urteil grosse Zustimmung. Ein Überblick.

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Das Prestigeobjekt der CSU in der Bundesregierung ist gescheitert. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist die Pkw-Maut in der aktuellen Form rechtswidrig. Sie sei mit europäischem Recht unvereinbar, erklärten die obersten EU-Richter am Dienstag in Luxemburg. Die wirtschaftliche Last liege praktisch ausschliesslich auf Autofahrern aus anderen EU-Staaten, damit sei die Abgabe diskriminierend urteilten die Richter.

Die Reaktionen der Presse fielen einstimmig aus.

Deutschland

Süddeutsche Zeitung: "Die Niederlage der CSU kontaminiert so die ganze Koalition"

So sehr hatte sich die CSU in diese Idee verstiegen, dass sie den Zeitpunkt der Umkehr verpasste. Nicht gesunder Menschenverstand, sondern Europas oberste Richter mussten den Wahnsinn stoppen. Für eine Regionalpartei, die es den anderen Europäern mit der Maut mal so richtig zeigen wollte, macht das die Sache umso schmerzhafter.

So wird die Maut zur bitteren Lektion für die CSU, die doch ihren Koalitionspartnern allzu oft den Willen Bayerns aufdrängen kann. [...]

Am Stammtisch aber, wo die CSU mit der "Ausländer-Maut" gewinnen wollte, wird das Urteil aus Luxemburg antieuropäische Ressentiments anfachen. Das nutzt nur der AfD. Was für ein Scherbenhaufen, aus purem Eigensinn. Zum Artikel

Bild: "Wir sind die Maut-Deppen Europas!"

Und nun? Dem Verkehrsminister fehlen ab Herbst 2020 geplante Maut-Einnahmen: jährlich rund eine halbe Milliarde Euro! Hinzu kommt wohl ein neuer heftiger Rechtsstreit.

Denn zur technischen Umsetzung der neuen Maut hatte Scheuer bereits Verträge über zwei Milliarden Euro geschlossen: u. a. mit der Firma Kapsch mit Sitz in Österreich. Sie rechnet nicht mit Einnahmeausfällen.

Heisst: Wieder zahlt der deutsche Steuerzahler – für eine Maut, die bereits jetzt 150 Millionen Euro verschlungen hat: für Beratung, Verwaltung und Planung. Zum Artikel

Zeit: "Weitere Nachbesserungsversuche wären kontraproduktiv"

Die CSU und die Bundesregierung wären jetzt gut beraten, ihre bisherigen Mautpläne fallen zu lassen.

Stattdessen sollte die grosse Koalition darüber nachdenken, wie sie zügig ein sinnvolles Gesamtkonzept zur Reduktion der CO2-Belastung durch den Verkehr – inklusive CO2-Abgabe – auf den Weg bringen kann.

Ärgerlich aber, dass bereits viele Millionen Euro in die Vorbereitung der jetzt gescheiterten Maut geflossen sind. Ärgerlich auch, dass bereits ein Betreiberkonsortium mit dem Aufbau des Mautsystems beauftragt wurde. Das war voreilig. Da sind wohl jetzt zusätzlich Schadenersatzzahlungen fällig, auf Kosten des Steuerzahlers. Zum Artikel

Frankfurter Allgemeine: "Diese Maut war eine populistische Schnapsidee"

Es gibt Urteile des Europäischen Gerichtshofs, die das Vertrauen der Bürger in die EU nicht gerade stärken. Das zur Maut gehört nicht dazu. Hier sollte die CSU nicht mit dem Feuer spielen.

Die europäische Rechtsgemeinschaft ist ein fragiles Gebilde, das nicht nur von illiberalen Regierungen in Ostmitteleuropa bedroht wird. Diese Maut war eine populistische Schnapsidee. Kluge Volksnähe sieht anders aus. Freiheitsliebe auch. Zum Artikel

Frankfurter Rundschau: "Ein Prestigeprojekt der CSU liegt nun in Trümmern"

Das ist eine Ohrfeige für die CSU, die die Strassenabgabe seit Jahren so vehement durchsetzen will, als hinge davon das Wohl und Wehe des Staates ab. Besonders getroffen muss sich Alexander Dobrindt fühlen, der die Ausländermaut seit seiner Zeit als Bundesverkehrsminister gegen allen Sinn und Verstand einführen will.

Die CSU wollte ihre Klientel, die an der bayerisch-österreichischen Grenze unter dem Transitverkehr leidet, bedienen. Das ist komplett gescheitert. Zum Artikel

Schweiz

Neue Zürcher Zeitung: "Das Urteil ist eine Blamage für die CSU"

Wichtig ist der Richterspruch aber besonders aus zwei Gründen: Er zeigt, dass der Gerichtshof nicht jede Schlaumeierei durchgehen lässt, die angeblich formaljuristisch gerade noch so passt. Die Judikative zeigt hier der Exekutive für einmal die Zähne.

Und zweitens können auch grosse Länder wie Deutschland nicht damit rechnen, dass man bei ihnen stets beide Augen zudrückt, wenn sie das Unionsrecht so unverschämt ritzen wie jetzt im Fall der Maut. Zum Artikel

Österreich

Der Standard: "Der Fleckerlteppich mit Vignetten und Mautstellen wird daher wohl bleiben"

Das Beste wäre, wenn das EuGH-Urteil als Anlass für die Einführung einer gesamteuropäischen kilometerabhängigen Pkw-Maut genommen wird, was die EU-Kommission schon länger betreibt.

Das würde niemanden in der EU diskriminieren und niemanden bevorzugen. Doch dagegen stellen sich zahlreiche Staaten mit funktionierenden Mautsystemen, darunter auch Österreich. Zum Artikel

Kurier: "Für die bayerische CSU ist das Urteil eine schwere Schlappe"

In einem Wahlkampf hat sie die umstrittenen Mautpläne nach dem Motto "Deutsche zuerst" geboren. Vor Häme sei dennoch gewarnt:

Auch Österreichs türkis-blaue Regierung hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den Anti-Diskriminierungstest erst noch bestehen muss: die Kindergeld-Indexierung. Eine Klage vor dem EuGH, so hört man in Brüssel, steht unmittelbar bevor. Zum Artikel

Die Presse: "Denn es ist diesmal nicht nur ein Sieg für Österreich, sondern ein Sieg des Rechts und der Vernunft"

Wenn den Mitgliedstaaten auf diese Weise eine nationalistisch ausgerichtete Politik erlaubt worden wäre, hätte die Europäische Union ihre wichtigste Funktion – als Basis für gemeinsamen Wohlstand und für ein friedliches Nebeneinander – nach und nach verloren.

Die EuGH-Entscheidung sollte deshalb nicht nur Erinnerungen an Cordoba wachrütteln – an den so euphorisch gefeierten Fussballsieg Davids gegen Goliath. Zum Artikel

(sus mit Material von dpa und AFP)

Angela Merkel zittert beim Empfang von Wolodymyr Selenskyj

Sorge um Angela Merkel: Die Bundeskanzlerin hat beim Empfang des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erheblich gezittert. Der Vorfall ereignete sich, als Merkel auf das Abschreiten der Ehrenformation der Bundeswehr wartete. Es war nicht der erste Vorfall dieser Art.
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