Söldner gegen den IS? Private Sicherheitsfirmen sind in diversen Konflikten im Einsatz und könnten auch im Irak und in Syrien gegen den sogenannten "Islamischen Staat" vorgehen. Doch wäre das in diesem Fall wirklich eine Lösung?
Nicht zum ersten Mal schlägt der ehemalige Chef der umstrittenen US-amerikanischen Sicherheitsfirma Blackwater Erik Prince vor, private Dienstleister als Bodentruppen nach Syrien und in den Irak zu senden.
Dass die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) nicht allein durch Luftangriffe zu besiegen ist, darüber sind sich Experten längst einig. Dennoch ist nach wie vor niemand bereit, eine breite Bodenoffensive zu starten.
Sind hoch bezahlte Mitarbeiter von privaten Sicherheitsfirmen eine Lösung? Mit dieser Frage setzt sich Ulrich Petersohn, Associate Professor für Internationale Politik an der Universität Liverpool, in einem Gastbeitrag in der Dienstagsausgabe der "Süddeutschen Zeitung" auseinander.
Private Dienstleister in Konflikten sind keine Seltenheit
Generell, so Petersohn, sei die Idee gar nicht so weit hergeholt. Private Militärdienstleister seien längst in Kriege eingebunden, beispielsweise bei russisch-syrischen Militäroperationen oder in Nigeria, wo wahrscheinlich südafrikanische Spezialisten die Regierung im Kampf gegen die Terrorgruppe Boko Haram unterstützten.
Dennoch sind Söldner seiner Meinung nach unter den aktuellen Bedingungen keine Lösung für die verfahrene Situation in Syrien und im Irak.
Diese Meinung vertritt auch Sicherheitsexperte Jörg H. Trauboth, Oberst a. D. der Luftwaffe, gegenüber unserer Redaktion. Dass die Privatisierung von Kampfeinsätzen ein Thema ist, beobachtet auch er: "Wir leben in einer Welt der asymmetrischen Konflikte, in denen sich die Militärmächte gern verstecken, um keine politischen Risiken einzugehen."
Während es bei der Annexion der Krim und den Kämpfen in der Ostukraine offensichtlich gewesen sei, dass es sich um russisches Militär ohne Hoheitsabzeichen handelte, erlebe man parallel dazu ein "verstecktes Outsourcing" militärischer Operationen. "Es ist die Zeit von Sicherheitsfirmen, die den hochgefährlichen Job am Boden machen und dabei die staatlichen Hände sauber halten", so Trauboth.
Militärisches Outsourcing - ein "quasi rechtsfreier Raum"
Die Beweggründe sind für ihn klar: "Wenn man Soldaten gegen Söldner austauscht, bleibt man unsichtbar. Man befindet sich ausserhalb der Gesetzgebung demokratischer Systeme, ausserhalb des Kriegsvölkerrechts und arbeitet quasi im rechtsfreien Raum."
Das militärische Outsourcing werde vor allem von den USA und neuerdings auch von Russland vorangetrieben. Theoretisch, so Trauboth, könne für die entsprechenden Firmen und den Staat eine Win-win-Situation entstehen: Als Beispiel zieht er – wie auch der Gastautor der SZ – Sierra Leone heran: Dort hatte eine private Sicherheitsfirma Mitte der 1990er-Jahre Bürgerkriegsrebellen an den Verhandlungstisch gezwungen.
In Bezug auf die aktuelle Situation ist für Trauboth aber klar, dass private Dienstleister in Syrien operativ nichts zu suchen haben: "Denn für einen Söldnereinsatz bedarf es immer eines überschaubaren Szenarios."
Söldner sind keine Allzwecklösung
Die Lage in Syrien ist aber nach wie vor völlig unübersichtlich. Über 60 Konfliktparteien sind wohl mit unterschiedlichen Zielen an den Kämpfen direkt oder indirekt beteiligt, dazu kommen diverse Terrorgruppen.
"Die USA, Russland, Syrien, der Irak, Iran, die Türken und Kurden müssten ihr Einverständnis geben, falls Sicherheitsfirmen regional für Kämpfe eingesetzt werden", sagt Trauboth. "Und sicherstellen, dass die eigenen Truppen die Söldner nicht angreifen." Ausserdem bleibe die Frage, wer überhaupt der Auftraggeber der Kämpfer wäre.
Trauboth sieht weitere Probleme, die auch der Liverpooler Professor in seinem Gastbeitrag anspricht: "Die Bevölkerung akzeptiert Söldner in Kriegsgebieten erfahrungsgemäss nicht. Meiner Meinung nach kann keine Söldnerarmee, insbesondere eine nicht-muslimische, im Irak oder in Syrien Sympathien erwarten."
Hinzu komme, dass es bei Söldnereinsätzen ausschliesslich ums "Töten oder Nicht-getötet-werden" gehe. "Das ist immer eine siegorientierte Operation ohne jeglichen Plan für eine Nachkriegsordnung."
Die Gefahr der verrohten Konflikte
Trauboth sieht bei Söldnereinsätzen das Risiko, dass international geltendes Recht ausgehebelt wird, und warnt vor Verrohung. Ein Aspekt, der wohl nicht weit hergeholt ist: Blackwater-Kräfte haben für die USA im Irak und in Afghanistan gekämpft – ihr Vorgehen dort stand zwischenzeitlich massiv in der Kritik.
Einige Mitarbeiter mussten sich wegen einer Schiesserei in Bagdad der Justiz stellen. Ihnen wurde vorgeworfen, willkürlich Zivilisten getötet zu haben. Sie wurden freigesprochen.
Die US-amerikanische Anwältin Susan Burke nannte Erik Prince im Zusammenhang mit den Ermittlungen "einen Kaufmann des Todes", der eine "Firmenkultur der Gesetzlosigkeit und der Unverantwortlichkeit" schaffe, berichtete der "Spiegel" 2009.
Für Jörg H. Trauboth ist klar: "Privatarmeen sind keine Lösung für internationale Konflikte." Deswegen sieht er die Vereinten Nationen in der Pflicht, dem wachsenden Sicherheitsdienstleistungsmarkt Grenzen zu setzen. Allerdings hält er es für akzeptabel, dass private Sicherheitsdienste in Kriegs- und Krisengebieten zum Schutz von Ressourcen eingesetzt werden – "kontrolliert und eingebunden in rechtliche Strukturen".
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