In Venezuela beanspruchen beide Lager den Wahlsieg für sich. Regierung und Opposition rufen ihre Anhänger auf die Strasse. Die Lage in dem südamerikanischen Krisenstaat droht weiter zu eskalieren.

Mehr aktuelle News

Die Opposition in Venezuela bietet dem autoritären Staatschef Nicolás Maduro nach der umstrittenen Präsidentenwahl die Stirn. Ihr Kandidat Edmundo González Urrutia habe die Abstimmung am Sonntag deutlich gewonnen, sagte Oppositionsführerin María Corina Machado. Zuvor hatte das Wahlamt des südamerikanischen Krisenstaates Maduro offiziell zum Sieger erklärt.

Die Opposition wirft der Regierung Betrug vor. Auch die Europäische Union, die USA und eine Reihe lateinamerikanischer Länder erhoben Zweifel am fairen Ablauf der Wahl und dem Ergebnis.

Mindestens ein Toter bei Protesten

Bei Protesten gegen das Wahlergebnis hat es nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation mindestens einen Toten gegeben. Zudem seien 46 Menschen in verschiedenen Städten und Bundesstaaten des südamerikanischen Landes festgenommen worden, teilte die NGO Foro Penal auf der Plattform X mit. Den Toten gab es demnach im Bundesstaat Yaracuay, weitere Details waren zunächst nicht bekannt. Lokale Medien berichteten von mindestens zwei Toten.

Ein Demonstrant in Caracas am Tag nach der Präsidentschaftswahl. © Matias Delacroix/AP/Matias Delacroix

Landesweit kam es zu teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Im Fernsehen war zu sehen, wie Polizisten Tränengas einsetzen und vereinzelt auf Menschen einschlagen. Ausserdem wurden Schüsse auf Demonstranten abgegeben, die zum Präsidentenpalast in der Hauptstadt Caracas zogen, wie die Zeitung "El Nacional" berichtete und in einem Video zu sehen war.

Bei den Schützen könnte es sich um sogenannte Colectivos handeln - regierungsnahe paramilitärische Gruppen, die die Agenda der Regierung mit Gewalt durchsetzen. Das Video zeigt, wie Polizisten beim Angriff auf die Demonstranten nicht eingreifen, um diesen zu verhindern.

Für heute rief die Opposition zu einer Grossdemonstration gegen die Regierung auf. Auch das Regierungslager will seine Anhänger auf die Strasse bringen.

Regierung verweist kritische Diplomaten des Landes

Nach Protestnoten aus verschiedenen lateinamerikanischen Ländern verwies die venezolanische Regierung deren Botschafter des Landes. Die Vertreter von Argentinien, Chile, Costa Rica, Peru, Panama, der Dominikanischen Republik und Uruguay sollten das Land verlassen. Gleichzeitig zog die Regierung in Caracas auch ihr diplomatisches Personal aus diesen Ländern ab.

Angesichts der Manipulationsvorwürfe forderten sowohl die Europäische Union als auch die Vereinten Nationen den Nationalen Wahlrat zur Veröffentlichung der detaillierten Abstimmungsdaten auf. "Die Wahlergebnisse wurden nicht verifiziert und können nicht als repräsentativ für den Willen des venezolanischen Volkes angesehen werden, bis alle offiziellen Aufzeichnungen der Wahllokale veröffentlicht und überprüft wurden", teilte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell mit.

Menschenrechtler zählen über 300 politische Häftlinge

Die jahrelange politische Krise in dem südamerikanischen Land könnte sich jetzt noch einmal verschärfen. Schon die Wiederwahl Maduros 2018 war international von vielen Ländern nicht anerkannt worden. Der damalige Parlamentspräsident Juan Guaidó erklärte sich 2019 zum Interimspräsidenten, konnte sich aber im Land nicht durchsetzen – vor allem, weil das Militär hinter Maduro stand. Die Sicherheitskräfte gehen hart gegen Regierungsgegner vor. Nach Angaben von Menschenrechtlern sitzen über 300 politische Gefangene hinter Gittern.

Der frühere Gewerkschafter und Busfahrer Maduro hatte 2013 die Nachfolge des charismatischen Präsidenten Hugo Chávez angetreten, der mit 59 Jahren an Krebs gestorben war. Unter Maduro verschlechterte sich die Lage in dem einst reichen Land mit seinen grossen Erdölvorkommen rapide.

Venezuela leidet unter Missmanagement, Korruption und internationalen Sanktionen. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Über sieben Millionen Menschen - rund ein Viertel der Bevölkerung - haben das Land nach UN-Angaben in den vergangenen Jahren wegen Armut und Gewalt verlassen. (dpa/lag)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © Matias Delacroix/AP/Matias Delacroix