Der frühere Ex-Regierungschef von Katalonien, Carles Puigdemont, hat eine Amnestie für katalanische Unabhängigkeitsaktivisten im Gegenzug für die Unterstützung einer neuen Regierung in Madrid durch seine Partei JxCat gefordert. Damit seine Abgeordneten dem bisherigen Regierungschef Pedro Sánchez ihre Stimme gäben und so Neuwahlen in Spanien verhinderten, sei die "vollständige Einstellung der Gerichtsverfahren" gegen die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter notwendig, die wegen ihrer Verwicklung in den katalanischen Abspaltungsversuch im Jahr 2017 von der spanischen Justiz verfolgt werden, sagte Puigdemont am Dienstag in Brüssel vor Reportern. Er forderte dafür ein "Amnestiegesetz".
Der 60-Jährige war Chef der katalanischen Regionalregierung, als diese im Oktober 2017 ein von den spanischen Gerichten und der Zentralregierung in Madrid verbotenes Unabhängigkeitsreferendum abhalten liess. Die Regionalregierung wurde daraufhin abgesetzt, viele führende Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung wurden festgenommen und später zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Puigdemont floh ins Exil nach Belgien, wo er seitdem lebt, um der Strafverfolgung durch Spanien zu entgehen.
Wenn die Amnestie und weitere Bedingungen erfüllt sein sollten, fordert Puigdemont die Aufnahme von Verhandlungen, um ein "historisches Abkommen" über die Zukunft Kataloniens zu erreichen - das seiner Ansicht nach ein Referendum über ein selbstbestimmtes Kataloniens umfassen muss. Eine solche Abstimmung sieht Madrid als verfassungswidrig an.
Puigdemonts Partei wurde nach der Parlamentswahl vom Juli in Spanien unverhofft zum Königsmacher: Die grösste konservative Partei PP gewann zwar die meisten Sitze, aber weder sie noch Sánchez' sozialdemokratische PSOE gingen mit einem einfachen Weg zu einer Mehrheit von 176 Parlamentssitzen aus der Abstimmung hervor. Diese Anzahl von Stimmen benötigt ein potenzieller Regierungschef, um vom Parlament im Amt bestätigt zu werden.
Puigdemonts Partei Junts per Catalunya (JxCat) wird für diese Mehrheit benötigt. Er versicherte aber nun, dass derzeit keine Verhandlungen im Gange seien, um festzulegen, welche Regierung seine Partei unterstützen könnte.
König Felipe VI. hatte PP-Chef Alberto Núñez Feijóo Ende August zu einem Versuch der Regierungsbildung aufgefordert, doch bisher fehlen ihm genügend Stimmen, um aus einer für den 27. September geplanten Sitzung als Ministerpräsident hervorzugehen. Er wäre voraussichtlich auch auf die Unterstützung der rechtsextremen Partei Vox angewiesen, die eine katalanische Unabhängigkeit vehement ablehnt. Sollte Feijóo wie erwartet als Regierungschef scheitern, dann wäre Sánchez an der Reihe. Käme auch er nicht auf eine Mehrheit, wären Neuwahlen die Folge.
Seine PSOE und das Linksbündnis Sumar können eine arbeitsfähige Mehrheit zusammenbekommen, wenn sie die Unterstützung von katalanischen und baskischen Parteien gewinnen - darunter die JxCat. Am Montag hatte Puigdemont deshalb die Chefin des Linksbündnisses Sumar, Yolanda Díaz, in Brüssel getroffen. Beide Seiten erklärten danach das Treffen sei "fruchtbar" gewesen, sie wollten "allen demokratichen Möglichkeiten" nachgehen, um die politische Blockade in Spanien aufzuheben. Sumar und die PSOE von Sánchez hoffen gemeinsam auf eine Regierungsmehrheit.
Die Rechte und extreme Rechte kritisierten Puigdemonts Bedingungen. "Wer ist am Drücker und entscheidet, wer der nächste Regierungschef wird? Puigdemont", sagte Feijóo und sprach von einer "demokratischen Anomalie". Die Ansprüche Puigdemonts seien die eines "Straftäters und Flüchtigen", erklärte seinerseits der Chef der rechtsextremen Vox, Santiago Abascal. © AFP
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