Die Beziehung zu China ist für Russland seit seinem Angriff auf die Ukraine äusserst wichtig geworden. Mit einem Besuch in Peking will Putin das Bündnis noch weiter stärken. In China wird er mit offenen Armen empfangen.
Symbolträchtig führt die erste Auslandsreise nach seiner Amtseinführung Russlands Präsidenten
Die zweitägige Visite soll die Qualität der Beziehungen sichtbar demonstrieren. "Die Russland-China-Beziehungen haben das höchste Niveau erreicht und trotz der schwierigen weltweiten Lage werden sie stärker", sagte der Kremlchef vorab Chinas Staatsagentur Xinhua.
Peking ist wirtschaftlich und politisch Moskaus wichtigster Partner. Putins letzter Staatsbesuch war 2018. Im vergangenen Herbst reiste der 71-Jährige für ein internationales Forum nach Peking und sprach Xi am Rande persönlich. Eigenen Angaben zufolge traf er den Chinesen schon mehr als 40 Male.
Während der Westen auf den russischen Angriff auf die Ukraine mit Sanktionen reagierte, hat Peking die Invasion nicht verurteilt, gibt sich neutral und Russland im UN-Sicherheitsrat Rückendeckung. Bereits vor dem Überfall einigten sich beide auf eine Freundschaft "ohne Grenzen". Xi sagte Putin erneut Chinas Zusammenarbeit zu.
Allianz gegen Westen
"Moskau und Peking werden die Gelegenheit nutzen, um ihre enge Partnerschaft und die gemeinsamen Ambitionen zu unterstreichen, die globale Ordnung zu reformieren und einen Gegenpol zu den USA zu bilden", sagt Analystin Helena Legarda vom China-Forschungsinstitut Merics in Berlin. Ihr zufolge dürften die beiden auch den Gaza-Krieg und Kritik an den USA sowie eine mögliche Umgehung westlicher Sanktionen besprechen.
Natürlich geht es für Putin in erster Linie darum, die Allianz gegen den Westen zu stärken. Einerseits ist der Schulterschluss als Geste nach aussen wichtig, um zu zeigen, dass Moskau nicht isoliert ist. Andererseits hofft der Kreml auf wohlwollende Neutralität in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine.
China bei Konferenz in der Schweiz?
Moskau will auf keinen Fall, dass Vertreter Pekings an der Friedenskonferenz in der Schweiz am 15. und 16. Juni teilnehmen. China hat noch nicht zugesagt, gilt wegen seines Einflusses auf Moskau jedoch als entscheidender Teilnehmer. Demonstrativ hat Putin daher die chinesische "Friedensinitiative" gelobt, in der von "legitimen Sicherheitsinteressen" aller Staaten die Rede ist.
China hatte vor mehr als einem Jahr einen Zwölf-Punkte-Plan zur Beilegung der "Ukraine-Krise" veröffentlicht. Darin forderte Peking, die Bedenken aller Länder ernst zu nehmen. Detaillierte Lösungsvorschläge kamen aber nicht vor, weshalb der Plan international auf Kritik stiess. Moskau hat den Angriff gegen die Ukraine immer auch mit der Verteidigung eigener Sicherheitsinteressen begründet.
Schon bei der Visite von Russlands Aussenminister Sergej Lawrow im April versuchte der russische Top-Diplomat eine gemeinsame Linie mit China zu erarbeiten. Beide Länder seien entschlossen, eine multipolare Welt zu schaffen und sich Versuchen zu widersetzen, die "lang überfälligen Prozesse der Demokratisierung und Gerechtigkeit" bremsen. Genau das würden die USA und ihre Verbündeten nämlich versuchen, behauptete Lawrow.
Russlands Handel mit China floriert
Der Handel der Nachbarn erreicht vor diesem Hintergrund ein Rekordhoch. Im vergangenen Jahr stieg das Handelsvolumen zwischen Russland und China um 26 Prozent auf 240 Milliarden Dollar (umgerechnet mehr als 220 Milliarden Euro). Die Tendenz hielt auch im ersten Quartal 2024 an.
Knapp 77 Milliarden Dollar bedeuten ein Plus von 4,7 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Wobei Russland vor allem Öl, Gas und Kohle, Kupfererz, Holz und Meeresfrüchte verkauft, während es aus China die Waren bezieht, die es zuvor grossteils im Westen erwarb, also Maschinen, Autos, Smartphones und Computer.
Was Putin trotz der auf den ersten Blick imposanten Zahlen nicht gefallen dürfte: Der Import aus China ging im ersten Quartal leicht zurück, was wohl daran liegt, dass Peking unter dem Druck des Westens die Ausfuhr von Sanktionsgütern an Russland einschränkte.
Zudem haben chinesische Banken jüngst die Forderungen an russische Klienten verschärft, um sich gegen Folgesanktionen der USA abzusichern. Washington will Moskau von Gütern abschneiden, die für zivile und militärische Zwecke genutzt werden können, und chinesische Banken ins Visier nehmen, die Überweisungen für solche Geschäfte tätigen. Die Einschränkungen im Zahlungsverkehr sind für Moskau extrem lästig.
Xi jüngst erst in Europa
Doch anders als Russland hat China noch Spielraum bei den Beziehungen mit westlichen Staaten. Putin besucht das "Reich der Mitte" nur kurze Zeit nach Xis Europareise, die den Chinesen nach Frankreich, Ungarn und Serbien führte.
Der chinesische Staatsfunk feierte den Besuch als Erfolg. Beim Thema Ukraine-Krieg wurden in Paris, Budapest und Belgrad allerdings keine Fortschritte erzielt. China sieht Frankreich als eine "Brücke zwischen dem Westen und China", wie die staatliche "Global Times" titelte. Das mächtige EU-Land könnte helfen, Europa zu beeinflussen.
In Ungarn hat China bereits ein wohlgesonnenes und russlandfreundliches Partnerland und EU-Mitglied, das regelmässig Entscheidungen Brüssels bremst. Auch der EU-Aspirant Serbien pflegt mit Peking und Moskau seit Jahren eine enge wirtschaftliche Partnerschaft.
Mehr Gas für China?
Wirtschaftsthemen spielen bei Putins Besuch eine Rolle. Russland will den Ausbau der Gaspartnerschaft vorantreiben. 2023 kamen über die Pipeline namens Kraft Sibiriens 22,7 Milliarden Kubikmeter Gas nach China - die Kapazität der Leitung kann auf 38 Milliarden Kubikmeter pro Jahr ausgebaut werden. Doch Moskau träumt schon von einem Nachfolgeprojekt Kraft Sibiriens 2 mit einer Kapazität von 50 Milliarden Kubikmeter. Das soll die weggefallenen Lieferungen gen Westen wettmachen.
Bislang sind die Parameter für das ambitionierte und milliardenschwere Projekt allerdings nicht vereinbart, auch weil sich China nicht zu sehr binden will und weiter auf eine Diversifizierung der Lieferungen setzt. Womöglich muss Russland weitere Rabatte auf sein Gas geben.
In Europa wird der Besuch genau verfolgt. Besonders dürften Äusserungen zum Ukraine-Krieg genau beobachtet werden. Expertin Legarda ist da eher pessimistisch: "Europa sollte von Peking keine Änderung seiner Haltung zum Krieg in der Ukraine erwarten." (dpa/thp)
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