Heimlich baut Wladimir Putin die Goldreserven Russlands massiv aus. Mit grossem Spekulationserfolg. Er will sich vom Dollar abkoppeln und profitiert nun vom US-China-Handelsstreit. Der steigende Goldpreis beschert Putin ein milliardenschweres Geschenk zum 20-Jährigen Machtjubiläum.
Putin lässt seine Zentralbank derzeit 4 bis 5 Tonnen Gold kaufen. Und zwar jede Woche. Seit vielen Monaten macht er das so. Fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit hat
Edelmetall im Wert von über 100 Milliarden US-Dollar
Putins Spekulation scheint aufzugehen. Da der Goldpreis binnen Jahresfrist um 20 Prozent gestiegen ist und inzwischen ein Sechsjahreshoch erreicht, mehren sich die russischen Reserven rechnerisch um etwa 20 Milliarden Dollar. Analysten beziffern den Wert des Edelmetalls in den russischen Zentralbank-Tresoren auf inzwischen mehr als 100 Milliarden US-Dollar. Putin verkündet stolz: "Zum ersten Mal in unserer Geschichte decken unsere Reserven die gesamte Auslandsverschuldung ab, sowohl staatliche als auch private."
Der World Gold Council hat ermittelt, dass die russische Zentralbank bereits im vergangenen Jahr der weltgrösste Goldkäufer war – 274,3 Tonnen seien in Moskau neu eingebunkert worden, unter anderem mit den Dollars, die man aus dem Verkauf der US-Staatsanleihen erlöst hatte.
Insgesamt stieg der weltweite Goldanteil bei den Zentralbanken innerhalb eines Jahres um 651 Tonnen. Das ist der grösste Kennwert seit 1971, als die USA auf den Goldstandard verzichteten. Fast die Hälfte davon entfällt auf die Zentralbank Russlands. Und der von Putin ausgelöste Goldrausch geht Woche für Woche weiter.
Wladimir Putin strebt eine "Entdollarisierung" an
Putin verfolgt mit seinen Goldkäufen primär ein politisches Motiv. Russland will die amerikanische Dollardominanz schwächen und strebt eine "Entdollarisierung" seiner Reserven und seiner Handelswährung an. Importe und Exporte werden mit immer mehr Staaten systematisch auf Landeswährungen umgestellt. Nach einer Bloomberg-Analyse werden inzwischen gewaltige Handelsströme von und nach Russland völlig ohne Dollarfakturierungen abgewickelt.
Und weil der Dollar - aus Sicht Moskaus - als politische Waffe gegen Russland benutzt wird, ist Gold die perfekte Anlage, um sich gegen Dollar-Sanktionen zu schützen. Während die Goldreserven also auf absolute Rekordstände emporschiessen, verfügt die russische Zentralbank nur noch über US-Staatsanleihen im Wert von 12,8 Milliarden Dollar; 2010 waren es noch fast 180 Milliarden Dollar.
Der anti-amerikanisch motivierte Einstieg ins Gold hat für Putin nun zwei überraschend spekulative Effekte. Zum einen steigt der Goldpreis mit jeder weiteren Verschärfung des amerikanisch-chinesischen Handelsstreites. Jede dadurch ausgelöste Verunsicherung an den Weltfinanzmärkten führt zu steigenden Goldpreisen. Denn Gold gilt bei vielen Anlegern rund um den Erdball als sicherer Hafen für Krisenfälle. Je heftiger sich also
Wladimir Putin - der lachende Dritte
Zum anderen profitiert Putins Goldspekulation auch von Donald Trumps Politik des billigen Geldes. Je niedriger Washington und die Fed die Zinsen drücken, desto interessanter wird Gold als globale Geldanlage. Und so geniesst Putin die Zufalls-Profite der amerikanischen Politik gleich doppelt.
Aber er befördert seine Spekulation auch durch gezielte Eigeninitiative. So wird fast das gesamte Gold, das russische Minen derzeit fördern, mittlerweile von der Zentralbank aufgekauft. Im vergangenen Jahr kaufte die Zentralbank 274 Tonnen von den 314 Tonnen in Russland geschürften Goldes. Die Produktionsmenge fehlt natürlich auf dem Weltmarkt, so dass die Preise dort tendenziell weiter steigen. Denn die globalen Fördermengen stagnieren. Laut einer Prognose von Goldman Sachs werden die Mengen der globalen Goldförderung in den kommenden Jahren sogar zurückgehen.
Inzwischen folgen auch die Chinesen der Goldfinger-Politik Putins. Auch Peking verkauft jetzt US-Staatsanleihen in grösserem Stil und kauft an deren Stelle Gold. Im ersten Halbjahr fügte Peking seinem Goldvermögen weitere 74 Tonnen hinzu. China und Russland wollen sich demonstrativ von der Dominanz der US-Währung emanzipieren. Sogar die Türkei, Polen, Ungarn und Kasachstan kopieren plötzlich die Strategie und kurbeln Goldkäufe an. Alleine im ersten Halbjahr 2019 haben Zentralbanken nach Angaben des World Gold Council 374,1 Tonnen hinzu gekauft. So viel wie seit 19 Jahren nicht mehr. Putins Plan "Weg mit dem Dollar, her mit dem Gold" macht also Schule. Es ist zu seinem 20jährigen Machtjubiläum ein weltpolitischer Coup der kapitalistischen Art. Er will die USA mit deren eigenen Mitteln schlagen.
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