- Berlin und Madrid sind schon überzeugt: Sie wollen ihre Energie-Zusammenarbeit verstärken und die europäische Süd-Nord-Gaspipeline (Midcat) durch das Pyrenäen-Gebirge fertigstellen.
- Doch Paris zögert noch. Warum?
- Mit welchen Argumenten Frankreich noch überzeugt werden könnte.
Es war das Thema beim deutsch-spanischen Regierungsgipfel in der Stadt A Coruña: Die Erdgas-Pipeline Midcat, die durch das Pyrenäengebirge von Spanien nach Zentraleuropa führen soll. Eigentlich wurde ihr Bau schon 2013 besiegelt und begonnen, doch 2019 wurde das Projekt eingefroren. Berlin und Madrid drängen darauf, es wiederzubeleben. Paris aber ist dagegen. Warum und welche Bedeutung hat das Projekt? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Was ist Midcat?
Midcat ist eine Pipeline, die dafür vorgesehen ist, zunächst überschüssiges Erdgas aus Spaniens Flüssiggasanlagen nach Zentraleuropa zu transportieren. Sie verläuft über 300 Kilometer vom nordspanischen Martorell, nahe Barcelona, bis zum südfranzösischen Barbaira. Parallel zum Mittelmeer macht sie dabei Station in Hostalric, Girona, Figueres und El Petrús.
Der Bau der Pipeline begann 2013, bislang sind 86 Kilometer fertiggestellt. 2019 wurde das Projekt jedoch eingefroren, weil Spanien und Frankreich die Wirtschaftlichkeit bezweifelten. Der Ukraine-Krieg hat nun die Debatte über einen Weiterbau wieder auf den Plan gerufen.
Welche Bedeutung hat die Pipeline?
Aus Sicht von Berlin und Madrid ist Midcat für die künftige europäische Energiesicherheit unverzichtbar. Sie gilt als Schlüsselelement der Süd-Nord-Vernetzung und ist Teil des Ausbaus vom europäischen Energieverbund. "Die Pipeline würde einen massiven Beitrag zur Entspannung der Versorgungslage leisten", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor Kurzem. Sie sei für ganz Europa von grosser Bedeutung. Denkbar ist, dass die Röhre in Zukunft nicht nur fossile Brennstoffe transportiert, sondern auch Wasserstoff.
Besonders für Spanien ist die Pipeline wichtig: Fast jedes dritte Flüssiggas-Terminal steht in Spanien. Aktuell verfügt es über sechs grosse Gasterminals, ein weiteres ist für 2023 im Atlantikhafen der Stadt Gijón geplant. In den Anlagen wird Flüssiggas (LNG), das in Tankern etwa aus den USA anlandet, wieder in Erdgas verwandelt. Deutschland verfügt bislang über kein solches Terminal. Das versetzt Spanien in die Lage zum "LNG- Tor" zu werden.
Nach Angaben des Betreibers "Enagas" können allein im geplanten Terminal in Gijón pro Jahr 100 Supertanker abgefertigt werden. Ihre LNG-Ladung entspricht acht Milliarden Kubikmeter Erdgas – also etwa 15 Prozent der Menge, die früher durch "Nordstream 1" nach Deutschland strömte.
Warum bremst Frankreich?
Frankreich hat dem Projekt bislang eine Absage erteilt. Aus Sicht von Paris ist Midcat nicht rentabel und umweltpolitisch nicht durchsetzbar. "Wir brauchen keine neuen Gasverbindungen", hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch im September betont. Die zwei kleineren Pipelines, die bereits zwischen Spanien und Frankreich bestehen, seien selbst jetzt – trotz Gasknappheit infolge des Ukraine-Kriegs – nicht ausgelastet.
Die Annahme, Midcat könne Europas Gasprobleme lösen, sei "absolut falsch", so Macron. Es werde zudem viel zu lange dauern, bis die Pipeline fertiggebaut sei. Berlin und Madrid versuchen, Paris noch zu überzeugen und sehen das Projekt nicht als begraben an. Der spanische Präsident Pedro Sanchéz forderte die französische Regierung auf, den bereits vor Jahren vereinbarten Ausbau des europäischen Energieverbunds, zu dem auch die Midcat-Pipeline gehöre, nicht zu behindern.
"Das ist keine bilaterale Frage, sondern sie betrifft die gesamte EU", hiess es von Berlin und Madrid. Hinter der europäischen Versorgung müssten die Interessen einzelner Staaten zurückstehen.
Wie geht es weiter?
Zum Abschluss des jetzigen deutsch-spanischen Regierungsgipfels wurde ein Aktionsplan vereinbart, in dem die Energiekooperation festgeschrieben wurde. Gemeinsames Ziel ist es, die Midcat-Pipeline bis spätestens 2025 fertigzustellen. Deutschland und Spanien wollen die EU-Kommission in die Gespräche einbinden, weil das Projekt Relevanz für die gesamte Staatengemeinschaft hat. Brüssel befürwortet den Pipeline-Bau.
Ob sich Frankreich noch bewegt, ist unklar. Macron erklärte, er sei bereit, seine Meinung zu überdenken, wenn es neue Argumente gebe. Ein solches Argument könnte die Wasserstoff-Perspektive sein, die eine EU-Förderung des Milliarden-Projekts erleichtern dürfte – oder aber der Verweis darauf, dass man sich gegebenenfalls statt mit Frankreich auch mit dem Mittelmeernachbarn Italien stärker vernetzen könnte.
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