Die Union scheint zufrieden. Nach all den gegenseitigen Anfeindungen im Asylstreit ist jetzt ein Kompromiss gefunden. Die Opposition hält hingegen nichts davon. Auch die SPD wird bemitleidet, weil sie die Lösung nun mittragen müsse - wobei schon jetzt manche Sozialdemokraten gegen die Einigung schiessen.

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Mehrere Wochen hat der Asylstreit geschwelt, erst kurz vor der Eskalation kam es zu einer Einigung zwischen CDU und CSU.

Kernpunkt ist die Schaffung von Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze, von denen aus Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land einen Antrag gestellt haben, dorthin zurückgeschickt werden.

CSU feiert die Vereinbarung

Die CSU verbucht das als Erfolg. "Wir haben uns nach sehr intensiven Verhandlungen zwischen CDU und CSU geeinigt", sagte Innenminister Horst Seehofer nach stundenlangen Verhandlungen in der CDU-Zentrale. Die Abmachung sei eine "klare, für die Zukunft sehr, sehr haltbare Übereinkunft". Deswegen bleibe er jetzt auch im Amt - und tritt vom Rücktritt zurück.

CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte sogar, die Vereinbarung sei der letzte Baustein "hin zu einer Asylwende".

Asylbewerber würden aus den geplanten Transitzonen direkt in die EU-Staaten abgeschoben, wo sie bereits registriert seien - wenn es entsprechende Abkommen mit den Ländern gebe. Für alle anderen Fälle plane man ein Abkommen mit Österreich, wie diese Menschen grenznah abgewiesen werden könnten.

AfD: "Nur ungedeckte Schecks" der CDU

An der Formulierung der Asylwende übt die AfD Kritik. Parteichef Jörg Meuthen sagte der Deutschen Presse-Agentur, Seehofer habe von der CDU "nur ungedeckte Schecks erhalten". Deutschland werde sich auch in Zukunft schwer damit tun, Asylbewerber, die einmal die Grenze passiert haben, wieder ausser Landes zu bringen.

Auch durch die Unterbringung in grenznahen Transitzentren werde dieses grundlegende Problem nicht gelöst. Er könne sich zudem nicht vorstellen, dass die österreichische Regierung eine Zurückweisung von Ausländern an der Grenze akzeptieren werde, sagte Meuthen.

Habeck spricht von altem Kram und hat Mitleid mit der SPD

Grünen-Chef Robert Habeck kritisierte den Kompromiss als einen Aufguss alter Ideen. "CDU und CSU haben einen Vorschlag von 2015 rausgekramt und verkaufen das als Einigung", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

"Diesen alten Kram kippen sie nun der SPD vor die Füsse und sagen, super, das ist es jetzt. Dabei hat die SPD Transitzonen explizit als Massenlager abgelehnt. Arme SPD."

Ähnlich sieht es die Gewerkschaft der Polizei (GdP): "Das ist ein alter Hut", sagte der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Jörg Radek der "Mitteldeutschen Zeitung".

Auch beschränke sich das Vorhaben nur auf die deutsch-österreichische Grenze. Radek fügte hinzu: "Meine Befürchtung ist, dass der Grenzschutz zur Symbolpolitik missbraucht wird. Das gilt auch für Transitzentren."

Lobend äusserte sich hingegen die Bundespolizeigewerkschaft. "Ich begrüsse die Einigung von CDU und CSU ausdrücklich und hoffe, dass die Koalition dies jetzt aber auch sehr zügig mit der erforderlichen Rechtssicherheit umsetzt", sagte Gewerkschaftschef Ernst Walter dem "Handelsblatt".

Baerbock: Transitzentren sind "Internierungslager"

Habecks Amtskollegin auf dem Grünen-Parteivorsitz, Annalena Baerbock, nannte Transitzentren "Internierungslager". Die Union "verabschiedet sich vom Wertekompass unseres Landes", schrieb sie auf Twitter. "Einen Innenminister zu halten, der sein Amt für CSU-Rechtsruck missbraucht, ist kaum zu ertragen."

Ähnliches twitterte der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger: "Transitzonen sind Masseninternierungslager. Die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke."

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat den Kompromiss als "Einigung auf dem Rücken von Schutzbedürftigen" kritisiert.

"Flucht ist kein Verbrechen. Faire und rechtstaatliche Asylverfahren gibt es nicht in Haftlagern", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der französischen Nachrichtenagentur AFP. "Pro Asyl lehnt Haftlager im Niemandsland ab."

Differenzierte Töne aus der SPD

Wegen der Transitzentren kommt auch Kritik aus den Reihen der SPD. "Die SPD hat geschlossenen Lagern eine deutliche Absage erteilt", sagte Juso-Chef Kevin Kühnert der Deutschen Presse-Agentur. "Egal ob in Nordafrika, an der europäischen Aussengrenze oder in Passau."

Der Vorsitzende der AG Migration in der SPD, Aziz Bozkurt, sagte der "Welt": "Die Transitzentren sind null vom Koalitionsvertrag gedeckt." Und dieser liege schon "jenseits der Schmerzlinie".

Die Parteivorsitzende Andrea Nahles bleibt da sachlicher. Es gebe noch zahlreiche Fragen, die die SPD mit ihren Fachleuten und den Gremien der Partei an diesem Dienstag erörtern wolle, am Abend beim Koalitionsausschuss sei der Unionskompromiss lediglich andiskutiert worden.

Es sei aber gut, dass sich die Union geeinigt habe: "Wir finden das deswegen gut, weil wir jetzt wieder auf der Ebene der Sacharbeit sind. Das haben wir in den letzten Wochen schmerzlich vermisst."

Gabriel: Streit nur vertagt

FDP-Chef Christian Lindner glaubt aber nicht, dass es lange um die Sache gehen wird. Ohnehin sei noch völlig offen, was durch den Unionskompromiss tatsächlich erreicht werde.

"Es gibt jetzt zwischen den Unionsparteien einen Burgfrieden", sagte er im ZDF-"Morgenmagazin" am Dienstag. "Aber bei vielen Fragen, die in der nächsten Zeit debattiert werden, ist meine Prognose, dass wieder Streit aufkommt."

Als Beispiel nannte er die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion.

Ähnlich sieht es der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel. Er glaubt sogar, dass der Streit beim Thema Zuwanderung neu ausbrechen wird.

"Es ist eben sehr wahrscheinlich, dass dieser Konflikt innerhalb von CDU/CSU nur bis nach der bayerischen Landtagswahl vertagt ist", sagte er. Die Wahl ist im Oktober. (cai/dpa/afp)

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