Der Westen und Iran verhandeln wieder über das umstrittene Atomprogramm. Nur noch zwei Wochen bleiben für eine Einigung. Doch wichtige Punkte sind nach wie vor ungeklärt – US-Präsident Obama warnt vor einem Scheitern.
Es ist still geworden in den vergangenen Monaten um den Iran und sein Atomprogramm. Zu sehr hält der Kampf gegen den Islamischen Staat den Nahen Osten in Atem. Dabei ist die Frage nach Teherans nuklearen Zielen aktueller denn je. Denn bis zum 24. November wollen der Iran und die P5+1-Gruppe – die fünf UN-Vetomächte plus Deutschland – sich im Atomstreit einigen.
Aus diesem Grund verhandeln seit Sonntag Vertreter von USA, Europäischer Union (EU) und Iran in Omans Hauptstadt Maskat über die Details. Auch US-Aussenminister John Kerry, sein iranischer Kollege Mohammed Dschawad Sarif und die EU-Verhandlungsführerin Catherine Ashton sind bei den Gesprächen anwesend.
Denn die Zeit drängt, es bleiben nur noch zwei Wochen. Und
Seit mehr als einem Jahrzehnt schwelt der Konflikt nun. Der Westen beschuldigt den Iran, heimlich an Atomwaffen zu bauen – Teheran hingegen beruft sich auf zivile Ziele und erklärt stets, es wolle nur Energie erzeugen. Im November 2013 hatten die Beteiligten schon einmal eine Zwischenlösung vereinbart. Seit Januar dieses Jahres gilt deshalb der Genfer Aktionsplan. Er beinhaltet erste Schritte, um das iranische Programm auf friedliche Zwecke zu begrenzen und das Land dauerhaft von der Bombe fernzuhalten.
Sanktionen, Uran und Zentrifugen als Streitpunkte
Trotz Obamas Warnung sind Beobachter zuversichtlich: "Beide Seiten sind sich so nah wie nie zuvor. 95 Prozent des Textes sind geschafft – aber die letzten fünf Prozent sind die schwierigsten", erklärt Joseph Cirincione, Direktor des Ploughshares Fund, einer US-Abrüstungsinitiative.
Die Verhandlungen drehen sich vor allem um drei offene Punkte: Wie viele Jahre soll eine Einigung über das Atomprogramm gelten? Wie schnell lockert der Westen die Sanktionen gegen Teheran? Und wie viele Zentrifugen darf der Iran behalten und welche Menge an Uran damit anreichern?
Am wichtigsten für die P5+1 ist der letzte Punkt. Denn die Menge an Zentrifugen und Uran bestimmt, wie schnell Iran im Ernstfall nach der Bombe greifen könnte. Als Faustregel gilt: Je mehr Zentrifugen und je grösser der Vorrat an Uran, desto schneller wäre auch eine Atombombe fertig gebaut. Doch wie gross ist die nukleare Gefahr?
Bericht der Atomenergie-Organisation: Offene Fragen bleiben
Wichtige Hinweise gibt der jüngste Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO vom 7. November. Demnach arbeite der Iran wie vereinbart daran, seinen Vorrat an 20-prozentigem Uran soweit zu zerstören, bis das Material nur noch auf 3,5 Prozent angereichert ist.
Für Experten ein gutes Zeichen: Die Anreicherung auf 20 Prozent ist ein entscheidender Schritt zur Bombe. Sind die 20 Prozent erst einmal geschafft, ist es technisch einfacher auf 90 Prozent zu erhöhen – um damit waffenfähiges Material zu bekommen. Seit der Genfer Aktionsplan in Kraft getreten ist, reicherte der Iran zudem kein weiteres Uran mehr auf 20 Prozent an.
Auf der anderen Seite zeigt der Bericht jedoch auch: Der Iran hat wichtige Fragen zu einem möglichen militärischen Teil seines Programms bisher nicht beantwortet. Auch vergrösserte es seinen Vorrat an 3,5-prozentigem Uran in den vergangenen zwei Monaten auf rund 8,4 Tonnen – um fast acht Prozent also. Zwar eignet sich dieser Vorrat nicht direkt für Bomben. Aber er könnte erneut auf 20 Prozent – und später auch 90 – angereichert werden, wenn eine Einigung scheitern sollte.
Fachleute fürchten das sogenannte "Breakout"-Szenario: dass Teheran plötzlich ausschert und in der kurzer Zeit eine Bombe fertigstellt. Laut US-Sicherheitskreisen will Washington die iranischen Kapazitäten deshalb soweit begrenzen, dass ein "Breakout" mindestens ein Jahr dauern würde – genug Zeit, um ihn zu verhindern.
Das Szenario erklärt auch, warum der Westen ebenso die Anzahl der Zentrifugen beschränken möchte. Derzeit hat der Iran rund 19.000 Zentrifugen aufgebaut, wovon er 10.000 betreibt. Die USA pochen hingegen auf etwa 2.000 bis 5.000 aktive.
Beide Seiten brauchen den Erfolg
Auch wenn die Gräben auf den ersten Blick gross wirken, sind sie nicht unüberwindbar. "Es gab so viele Fortschritte. Es wäre ein Rückschlag, wenn sie sich nicht bis 24. November einigen könnten", sagt der Nahost-Analyst Meir Javedanfar, der in Iran geboren wurde.
Beide Seiten brauchen den Erfolg – zu viel haben sie schon investiert. Gerade Barack Obama. Nachdem ihn die Wähler bei den Kongresswahlen vergangene Woche abstraften, könnte er sich mit einer Einigung ein aussenpolitisches Denkmal setzen. Und auch der iranische Präsident Hassan Rohani hatte 2013 sein Amt mit dem Versprechen angetreten, sein Land endlich von den erdrückenden Sanktionen zu befreien.
Es sind geostrategische Ziele, die Washington und Teheran enger zusammenrücken lassen. Beide sind daran interessiert, Afghanistan und den Irak zu stabilisieren – Nachbarländer des Iran. Vor allem aber eint sie der Kampf gegen den Islamischen Staat. Schon jetzt sollen iranische Spezialkräfte im Irak kämpfen und dort schiitische Milizen ausbilden. Die USA fliegen ohnehin regelmässig Luftangriffe.
Ob diese Gemeinsamkeiten auch im Atomstreit nutzen, zeigt sich spätestens am 24. November. In Maskat wird weiter verhandelt.
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