Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat europäische Politiker "Faschisten" genannt und ihnen Islamfeindlichkeit vorgeworfen. Ausserdem rief er seine Landsleute dazu auf, französische Produkte zu boykottieren. Die Bundesregierung verurteilt Erdogans Äusserungen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat europäischen Politikern Islamfeindlichkeit vorgeworfen und sie als "Kettenglieder der Nazis" bezeichnet.
"Feindlichkeit gegenüber dem Islam und den Muslimen ist in manchen europäischen Ländern zu einer Politik geworden, die auf Ebene der Staatschefs persönlich ermutigt und unterstützt wird", sagte Erdogan am Montag in Ankara.
"Ihr seid im wahrsten Sinne des Wortes Faschisten", sagte er. "Die Muslime erleben heute eine ähnliche Lynchkampagne, wie sie gegen Juden in Europa zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg geführt wurde."
Ausserdem rief Erdogan in der Auseinandersetzung mit Macron seine Landsleute zum Boykott französischer Produkte auf. "So, wie in Frankreich einige sagen 'Kauft keine türkischen Marken!', richte ich mich an meine Nation: Beachtet französisch gekennzeichnete Waren bloss nicht, kauft sie nicht", sagte Erdogan am Montag in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache.
Mehrere arabische Länder hatten bereits am Sonntag einen Boykott gegen Frankreich begonnen. Händler in Jordanien, Kuwait und Katar nahmen französische Waren aus ihren Filialen.
Bundesregierung verurteilt Äusserungen
Die Bundesregierung verurteilte Erdogans Äusserungen. "Das sind diffamierende Äusserungen, die ganz und gar inakzeptabel sind", sagte Regierungssprecher
Dies sei inakzeptabel, "erst recht vor dem Hintergrund der Mordtat eines islamistischen Fanatikers" an dem französischen Lehrer Samuel Paty, sagte Seibert dazu weiter.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts wies darauf hin, dass auch Aussenminister
Macron hatte nach der Enthauptung eines Lehrers in Frankreich klargestellt, dass die Meinungsfreiheit in Frankreich auch das Recht beinhaltet, den Propheten Mohammed zu karikieren.
Frankreich werde nicht "auf Karikaturen und Zeichnungen verzichten, auch wenn andere sich davon zurückziehen", sagte Macron bei einer Gedenkfeier zu Ehren des getöteten Samuel Paty.
Dieser hatte Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt und war auf offener Strasse getötet und danach enthauptet worden. Die islamische Tradition verbietet es, den Propheten Mohammed abzubilden.
Recep Tayyip Erdogan zweifelt an Emmanuel Macrons Gesundheit
Erdogan hatte am Wochenende bereits zu einer verbalen Attacke gegen Macron ausgeholt. "Was für ein Problem hat diese Person namens Macron mit dem Islam und Muslimen?", fragte er bei einer Veranstaltung am Samstag.
Er warf dem französischen Präsidenten Islamfeindlichkeit vor, zweifelte an dessen geistiger Gesundheit und bezeichnete Macron unter anderem als Krankheitsfall, der sich untersuchen lassen müsse.
Verbalattacken Erdogans gegen Macron sind nicht neu. Im vergangenen November hatte der türkische Präsident schon einmal die psychische Gesundheit des Franzosen infrage gestellt.
Damals hatte Macron dem Verteidigungsbündnis NATO den "Hirntod" attestiert. Erdogan sagte anschliessend, Macron solle besser seinen eigenen Hirntod untersuchen lassen.
Französischer Botschafter aus Ankara zurückgerufen
Paris rief aus Protest seinen Botschafter aus Ankara zurück - einen Vorfall, den es zuvor noch nie gegeben hat, wie Élyséekreise bestätigten.
Indes forderte Frankreich ein sofortiges Ende der Boykottaufrufe. Diese würden die von Frankreich verteidigten Positionen zugunsten der Gewissens-, Meinungs- und Religionsfreiheit sowie der Ablehnung jeglichen Aufrufs zum Hass verzerren, hiess es am Sonntag in einer Mitteilung des Aussenministeriums. Die Aussagen würden von einer radikalen Minderheit instrumentalisiert und politisiert.
Anfang 2006 waren bei gewaltsamen Protesten gegen Mohammed-Karikaturen mehr als 150 Menschen ums Leben gekommen. Auslöser waren damals Karikaturen der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten".
2015 starben bei einem Attentat auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo", das ebenfalls Karikaturen des Propheten gezeigt hatte, zwölf Menschen. (ff/dpa/afp)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.