Es gibt in der Tat einen europaweiten Trend zu rechten Parteien, sagt ein Politikwissenschaftler im Gespräch mit unserer Redaktion. Und: Die Ursachen sind überall ähnlich. Eine Strategie, den Rechtspopulismus zu bekämpfen, nennt er auch. Doch dafür müssten die etablierten Parteien ihr Verhalten grundlegend ändern. Vor allem in Deutschland.

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In Österreich wird beinahe ein Rechtspopulist zum Bundespräsidenten gewählt. In Polen und Ungarn regieren bereits rechte Regierungen. In Frankreich und Deutschland gewinnen rechtspopulistische Parteien immer mehr Anhänger.

Europaweiter Rechtsruck mit unabsehbaren Folgen

Viele Beobachter sprechen von einem europaweiten Rechtsruck, dessen Auswirkungen bisher noch gar nicht absehbar sind.

Dass dieser Trend tatsächlich deutlich erkennbar ist, glaubt auch der Politikwissenschaftler Julian Rappold von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin.

"Natürlich kann man da einen europaweiten Trend erkennen", betont Rappold im Gespräch mit unserer Redaktion. Allerdings dürfe man nicht übersehen, dass die Ursachen für das Erstarken der Rechtsextremen "immer noch stark vom nationalen Kontext abhängig sind. In Ungarn oder Polen finden wir eine ganz andere Situation vor als zum Beispiel in Österreich, Frankreich oder Deutschland".

Grundsätzlich sei aber überall zu beobachten, dass populistische Parteien immer dann Zulauf bekämen, "wenn die Menschen das Gefühl haben, ihre Probleme werden von den etablierten Parteien nicht mehr wahrgenommen und ihre Interessen nicht mehr vertreten".

Parteien müssen Differenzen zum Ausdruck bringen

"Das hat auch ganz viel mit Kommunikation zu tun", betont Rappold. "Gerade wenn, wie in Deutschland oder Österreich, eine Grosse Koalition regiert." Denn natürlich gäbe es auch in solchen Grossbündnissen noch unterschiedliche Meinungen, "manchmal nur in Nuancen, aber manchmal auch als grundsätzlich unterschiedliche Positionen".

Diese Differenzen müssten von den Regierenden deutlicher zum Ausdruck gebracht und auch für jedermann sichtbar diskutiert werden, "zum Beispiel in den Parlamenten".

"Die Menschen dürfen nicht zu dem fatalen Eindruck gelangen, es gäbe nur noch eine alternativlose Einheitsmeinung und keinerlei politische Diskussion mehr", betont Rappold. "Denn genau dann erstarken die Rechtspopulisten, die mit einfachen Antworten und Gegenpositionen zum vermeintlichen Mainstream auf Stimmenfang gehen."

Auch auf den täglichen Umgang der etablierten Parteien mit den Rechtspopulisten komme es an, wenn der Trend eines europaweiten Rechtsrucks noch gestoppt werden soll.

"In Deutschland beobachten wir exemplarisch zwei Positionen, die beide nicht erfolgreich sind", erklärt Rappold.

"Wer wie die CSU oder Teile der CDU in Sachsen-Anhalt den Rechtspopulisten verbal hinterherläuft und deren Positionen teilweise übernimmt, der wird damit langfristig diese Parteien noch fördern", glaubt Rappold, weil "die Menschen dann doch lieber das Original wählen".

Kein Ignorieren, kein Ausgrenzen!

Aber auch der andere Weg einer "völligen Ignorierung und Ausgrenzung der Rechtspopulisten" sei wenig Erfolg versprechend. "Parteien wie die AfD erscheinen dann schnell als Opfer und die vermeintlich unfaire Behandlung führt noch zu Solidarisierungseffekten."

Es gehe im Gegenteil um eine "Entmystifizierung von politischem Handeln". "Die etablierten Parteien müssen viel offensiver erklären, warum sie bestimmte Massnahmen, auch Einschnitte, für unumgänglich halten", sagt Rappold.

"Sie müssen untereinander um den richtigen Weg ringen und Lösungen aufzeigen." Und sie sollten auch mit Parteien wie der AfD diskutieren und deutlich herausarbeiten, warum deren Konzepte keine Lösungen seien.

Die Politik darf nicht aufgeben

Ob sich damit der europaweite Rechtsruck langfristig stoppen lässt, mag auch Rappold nicht prognostizieren. "Aber wenn die Politik jetzt aufgibt oder gar rechte Positionen übernimmt, wird die Entwicklung eher noch an Fahrt zunehmen."

Grundsätzlich müsse man auch berücksichtigen, dass das Phänomen rechtspopulistischer Parteien in anderen Ländern gar nicht so neu sei wie in Deutschland - Beispiel Frankreich. "Dort gab es auch in der Vergangenheit schon Stichwahlen zwischen Rechtspopulisten und Vertretern gemässigter Parteien."

Das Auf und Ab des extremistischen Randes innerhalb einer gewissen Spannbreite sei dort Teil des Parteien-Systems, das in der Vergangenheit trotzdem immer zu seiner Mitte zurückgefunden habe.

Julian Rappold von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin (DGAP) arbeitet als Politikwissenschaftler im Alfred von Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen. Er beschäftigt sich schwerpunktmässig mit den Themen deutsche Europapolitik, Südeuropa (insbesondere Griechenland), Europäische Integration sowie europäische Aussenpolitik.
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