Wenn Flüchtlinge in Deutschland ankommen, sind sie noch lange nicht in absoluter Sicherheit. Anschläge auf Flüchtlingsheime sind keine Seltenheit. Um so wichtiger ist es, die Unterkünfte und Menschen zu schützen. Doch hier gibt es ein Problem: Die Wachleute sind oftmals selbst überzeugte Rechtsradikale.

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Das Investigativ-Magazin "Frontal 21" des ZDF deckte jüngst mehrere Fälle von Übergriffen rechter Sicherheitsleute in Flüchtlingsheimen auf.

Als sich beispielsweise vor einer Unterkunft im sächsischen Freital wütende Asylgegner versammelt hatten und fremdenfeindliche Parolen riefen, waren es linke Gegendemonstranten, die sich vor der Unterkunft positionierten, um die Flüchtlinge zu schützen. "Die Sicherheitsleute sassen im Heim und taten gar nichts", erzählt eine Frau, die an diesem Tag mit ihren beiden Kindern in der Unterkunft angekommen war.


"Frontal 21" identifizierte einen der Wachleute, der sich auf seiner Facebook-Seite mit einer Waffe präsentierte und gleich eine eigene Definition des Begriffes "Nazi" lieferte: "Nicht Anpassbar Zur Islamisierung".

80 Prozent Verbrecher

Über die Menschen in dem Heim, die er als Sicherheitsmann eigentlich schützen sollte, schrieb er in einem Posting: "Es sind 20% Hilfe bedürftige und der Rest Verbrecher."

Die Wachfirma erklärte gegenüber dem ZDF, man führe "intensive Einstellungsgespräche". Zudem habe jeder Mitarbeiter vor der Einstellung ein "einwandfreies erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt."

Um aber zu garantieren, dass keine Wachleute mit rechter Gesinnung eingestellt werden, sei dies zu wenig, erklärt uns Sicherheitsexperte Stephan Leukert. Eine "Gesinnungsprüfung" würde es nicht geben. "Die Ausübung würde nur dann untersagt, wenn es eindeutige Hinweise auf eine rechtsradikale Betätigung gäbe, etwa durch eine entsprechende Verurteilung."

Liegt die nicht vor, so Leukert, sei es "genauso einfach, mit einem radikalen Hintergrund ein Sicherheitsunternehmen zu gründen oder sich dort anstellen zu lassen, wie in anderen zivilen Berufen auch."


Körperlich durchsetzungsfähig

Das Kulturbüro Sachsen weiss um die Brisanz von rechtsradikalem Sicherheitspersonal in deutschen Flüchtlingsunterkünften. Danilo Starosta bestätigte gegenüber "Frontal 21", dass vor allem "körperlich durchsetzungsfähige junge Männer bei den Sicherheitsfirmen einen Job finden."

Den Firmen gehe es weniger um die politische Gesinnung oder etwaige gesellschaftsfeindliche Überzeugungen. Starosta berichtet von mehreren Fällen, in denen Wachleute tatsächlich der organisierten Neonazi-Szene zuzuordnen waren.

Dieser untragbare Zustand beschränkt sich dabei keinesfalls auf ostdeutsche Flüchtlingsunterkünfte. So wurde in einem Heim in Heidelberg ein Sicherheitsmann eingestellt, der als Mitglied der Neonazi-Gruppe "Sturm 18" identifiziert wurde.

Brisant in diesem Fall: Zur Qualifikation habe nicht einmal ein polizeiliches Führungszeugnis vorgelegen, berichtet das ZDF. Dabei sei der Neonazi bereits wegen Körperverletzung und Zeigen des Hitlergrusses verurteil worden.

"Firmen mit fragwürdigem Hintergrund"

In vielen Fällen, erklärt uns Sicherheitsexperte Leukert, führten wirtschaftliche Gründe dazu, dass Qualitätsstandards ignoriert würden: "Leider ist es so, dass die öffentliche Hand in den allermeisten Fällen das Angebot nimmt, das den billigsten Preis bietet. In der Ausschreibung wird sehr selten Wert auf die Qualität des Dienstleisters gelegt. Und dann kann es sein, dass auch sehr kleine Firmen mit einem fragwürdigen Hintergrund zum Zuge kommen."


Die für den Fall in Heidelberg verantwortliche Sicherheitsfirma war schon zuvor in die Schlagzeilen geraten, weil Sicherheitspersonal gezielt Flüchtlinge gequält haben soll. In einem Video ist zu sehen, wie der Bewohner eines Heims gezwungen wird, sich in sein eigenes Erbrochenes zu legen.

Ein weiteres Foto, das "Frontal 21" veröffentlichte, dokumentiert einen Vorfall in der ehemaligen Siegerland-Kaserne in Burbach (NRW) und erinnert auf erschreckende Weise an die Bilder aus dem irakischen Foltergefängnis Abu Ghuraib:


Ein Flüchtling liegt bäuchlings auf dem Boden, die Hände auf den Rücken gefesselt. Ein Sicherheitsmann drückt den Kopf des Mannes mit dem Fuss zu Boden, während der Wachmann für den Fotografen zu posieren scheint. Die Staatsanwaltschaft hatte damals im September 2014 die Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung, Körperverletzung und Nötigung gegen 50 Personen aufgenommen. Das Verfahren läuft noch.

"Maschinenpistole raus"

In einer Facebook-Gruppe, in der sich speziell Personenschützer und Wachleute austauschen, hetzt ein User in seiner Dienstuniform gegen Flüchtlinge: "maschinenpistole raus und da zwischen halten das ist das geeignetes mittel dann ist ruhe. sofort abschieden in der heimat egal was die da erwartet."


Ein anderer teilt ebenfalls auf Facebook Propaganda der rechtsradikalen "Jungen Nationaldemokraten" und einer rechtsnationalen Initiative gegen ein Flüchtlingsheim in Oberlungwitz.

Auch in einer Unterkunft in Meissen identifizierte das ZDF-Team einen Wachmann, der über Facebook NPD-Tiraden verbreitete. Auch dieser Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens zeigte sich dabei in den Dienstuniform seines Arbeitgebers. Das Unternehmen wiegelte gegenüber dem ZDF ab: "Keine Auskunft".

In Heidenau wurde der Fall eines Mannes bekannt, der ebenfalls in einem Flüchtlingsheim eigentlich für die Sicherheit der schutzsuchenden Menschen sorgen sollte, über Facebook aber NPD-Hetzereien verbreitete.

Zudem wurde der Wachmann bei einer NPD-Kundgebung gegen ein Flüchtlingsheim identifiziert, bei der es in der Folge zu Angriffen auf die Polizei kam. Alles nur Einzelfälle? - Von wegen.


Carlo Weber, der Leiter des brandenburgischen Verfassungschutzes, erklärte gegenüber dem ZDF, dass man in dem Bundesland "etwa 1.100 Rechtsextremisten registriert" habe.

Politische Gesinnung abtasten

Der Verfassungsschutz gehe davon aus, dass "jeder Zehnte im Sicherheitsgewerbe tätig war." Die Firmen müssten bei den Einstellungsgesprächen neuer Mitarbeiter zwingend auch die politische Gesinnung des Bewerbers abtasten, fordert Weber.

Nordrhein-Westfalen hat auf diese gefährlichen Missstände nun reagiert und Regeln für Wachpersonal in Flüchtlingsheimen ausgegeben. Ein polizeiliches Führungszeugnis allein reicht nicht mehr aus. Zusätzlich müssen sich die Kandidaten auch vom Verfassungsschutz überprüfen lassen.

Für Sicherheitsexperte Stephan Leukert geht das aber noch nicht weit genug. Im Gespräch mit unserer Redaktion fordert er, dass Wachpersonal für Flüchtlingsheime speziell geschult werden müsse. Schliesslich mache es einen Unterschied, "ob ich ein Flüchtlingsheim bewache oder ein städtisches Parkhaus."

"Es bedarf interkultureller Kompetenzen"

Leukert verweist auf die Notwendigkeit von Sprachkenntnissen, grundlegenden Ersthelfer-Fähigkeiten sowie interkulturellem Bewusstsein. "Der Mitarbeiter sollte wenigstens Grundkenntnisse in Englisch nachweisen können. Dazu sollte auch eine Ausbildung als Ersthelfer und Brandschutzhelfer gehören. Es bedarf interkultureller Kompetenzen."


Die Politik müsse auf diese neuen Qualitätsanforderungen reagieren, so Leukert. "Ich habe ein Flüchtlingsheim, ich habe traumatisierte Menschen, ich habe Menschen, die aus einem anderen Kulturkreis kommen. Und dann den Gedanken zu haben, dass ich das mit einer 0815-Ausschreibung bewältigen kann, so wie ich letztes Jahr die Bewachung meines Schützenfestes ausgeschrieben habe, das ist absurd."

Wer hier an der falschen Stelle sparen würde, lautet sein Fazit, der "holt sich dafür andere Probleme ins Haus."

Im schlimmsten und grotesken Fall einen Nazi als Beschützer für dessen eigenes Feindbild.



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