Noch gar nicht offiziell vorgestellt, lässt der erste Bericht der EU-Kommission zur Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsländern bereits aufhorchen. Nicht nur bei den üblichen Verdächtigen sieht die Kommission Probleme.
Die EU-Kommission sieht in einer Reihe von Mitgliedstaaten Probleme durch Verstösse gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Bei der Unabhängigkeit der Justiz äussert die Behörde nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP in ihrem Rechtsstaatsbericht "ernsthafte Bedenken" zur Unabhängigkeit der Justiz in Polen und Ungarn. "Herausforderungen" in diesem Bereich gebe es in unterschiedlichen Facetten aber auch in Bulgarien, Rumänien, Kroatien und der Slowakei.
Die EU-Kommission stellt am Mittwoch erstmals einen Bericht zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in allen 27 Mitgliedstaaten vor. Ziel des nun jährlich geplanten Rechtsstaatsberichts ist es der Behörde zufolge, "einen Dialog" mit den Mitgliedstaaten über gemeinsame Grundwerte zu starten, um Probleme in Zukunft zu verhindern und die Demokratie zu stärken.
Gegen Polen und Ungarn laufen Strafverfahren auf EU-Ebene
Bisher standen in diesem Bereich vor allem Polen und Ungarn wegen der Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz und der Medienfreiheit prominent am Pranger der EU. Gegen beide Länder laufen auf europäischer Ebene Strafverfahren, die bis zum Entzug von Stimmrechten in der EU führen könnten.
Der Rechtsstaatsbericht sieht nun etwa bei der strafrechtlichen Verfolgung von Korruptionsfällen Probleme in Ungarn, aber auch in Bulgarien, Kroatien, Tschechien und Malta. "Politischer Druck auf Medien" sorge insbesondere in Bulgarien, Malta und Polen für Besorgnis, heisst es. Bei Ungarn äussert die Kommission Bedenken wegen der Übernahme unabhängiger Medien durch regierungsnahe Unternehmen.
Journalisten sind auch in der EU Drohungen ausgesetzt
In einigen Mitgliedstaaten seien Journalisten zudem "Drohungen" und sowohl verbalen und teils sogar körperlichen Angriffen ausgesetzt, heisst es weiter. Die Kommission verweist dabei auf Beispiele insbesondere aus Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Slowenien und Spanien.
Im Falle Deutschlands verweist die Kommission auf die laufende Diskussion, ob Justizminister in Bund und Ländern gegenüber Staatsanwälten weisungsbefugt sein sollten. Brüssel sieht aber generell genügend rechtlich Garantien, "um das Risiko eines Missbrauchs des Weisungsrechts zu mindern".
Mit Blick auf ihren Rechtsstaatsbericht für alle EU-Länder fordert die Kommission auch nationale Parlamente und Behörden auf, diesen zu diskutieren. Er könne als "Ermutigung" dienen, Reformen voranzutreiben. Denn die Achtung der Rechtsstaatlichkeit sei "unerlässlich, damit Bürger und Unternehmen den öffentlichen Institutionen vertrauen" und Demokratie gedeihen könne, heisst es weiter.
Deutschland will Vorschlag für finanzielle Sanktionen einbringen
Der Bericht soll am Mittwoch offiziell vorgestellt werden. Darüber hinaus will der deutsche EU-Vorsitz bei einem Treffen der Botschafter der Mitgliedstaaten seinen Vorschlag für finanzielle Sanktionen bei Verstössen gegen die Rechtsstaatlichkeit zur Abstimmung stellen.
Er sieht die Kürzung oder Streichung von Geldern vor, wenn Rechtsstaatsverstösse die EU-Finanzen betreffen. Nötig für eine Annahme ist eine qualifizierte Mehrheit - dies wären mindestens 15 Mitgliedstaaten, die für 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU stehen. (afp/ank)
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