Der Sinneswandel von Innenminister Wolfgang Sobotka beim neuen Regierungsprogramm trägt zur Mythenbildung rund um Bundeskanzler Christian Kern bei. Nicht zu Unrecht wird er bereits mit Wolfgang Schüssel verglichen.

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Der Verlierer des Tages heisst Wolfgang Sobotka. Gestern noch dröhnte der konservative Innenminister aus Niederösterreich im Interview mit dem "Kurier": "Ich mache bei diesem Popanz nicht mit." Heute hat er es doch getan und seine Unterschrift unter das Regierungsprogramm 2.0 gesetzt – wie von Kanzler Christian Kern verlangt. Sobotkas Kurswechsel garantiert fürs Erste den Fortbestand der rot-schwarzen Koalition.

Bundeskanzler Christian Kern setzt seinen Willen durch

Am Montagnachmittag haben die Spitzen von Rot und Schwarz eine Einigung verkündet, die auf Wunsch des Bundeskanzlers von allen Ministern unterschrieben wurde. Mitten in der Legislaturperiode haben die beiden Parteien auf Druck von Bundeskanzler Christian Kern das drei Jahre alte Regierungsprogramm aufgeschnürt und um eine Vielzahl kleinerer und grösserer Zusatzreformen ergänzt.

Die von manchen erwartete Revolution ist ausgeblieben: Die einzelnen Vorhaben zielen darauf ab, den Wirtschaftsstandort Österreich langfristig zu stabilisieren, die innere Sicherheit den neuen Gefahren durch den internationalen Terrorismus anzupassen und einen sanften Kurswechsel in der Bildungspolitik einzuleiten. Das Paket ist ein maximaler Minimalkonsens zweier weltanschaulich völlig unterschiedlicher Parteien. Mehr war nicht drin. Aber das Bisschen ist immerhin ein Lebenszeichen: Die Koalition arbeitet noch.

Das präsentierte Paket bietet wenig Angriffsflächen. Beide Parteien müssen ideologische Kröten schlucken, können dafür aber auch einige Errungenschaften verbuchen. Die SPÖ hat an der Flexibilisierung der Arbeitszeiten zu kauen, darf sich dafür aber über Mindestlohn und einen Beschäftigungsbonus für neue Jobs freuen.

Ein ausgewogenes Programm für SPÖ und ÖVP

Die ÖVP stöhnt bei der Vorstellung der Mehrausgaben, kann aber dafür strengere Regeln bei der inneren Sicherheit auf ihre Kappe schreiben. Ein ausgewogenes Programm für beide Parteien, das im Wesentlichen keine groben Unzumutbarkeiten beinhaltet.

Bleibt damit in der Koalition alles beim Alten? Mitnichten. Kanzler Kern hat mit seinem Ultimatum an den Koalitionspartner Leadership bewiesen. Er hat die ÖVP vor sich hergetrieben – im Wissen, dass seine Partei Neuwahlen weniger fürchten muss als die Konservativen.

Am Ende hat er seinen Willen durchgesetzt. Dass Innenminister Sobotka sich am Ende doch fügen musste, wird zu Kerns Legendenbildung beitragen. Nicht ganz zu Unrecht wird der ehemalige ÖBB-Manager nun mit seinem Vorvorgänger Wolfgang Schüssel verglichen – zumindest was seine taktische Kaltschnäuzigkeit betrifft.

Déjà-vu für Bundespräsidentschafts-Kandidat Andreas Khol

So war es ironischerweiser Bundespräsidentschafts-Kandidat Andreas Khol, der Sobotka öffentlich auf Schiene brachte. Er liess dem Innenminister ausrichten: "Letztlich hat er nur die Wahl, alles zu unterschreiben oder dem Herrn Mitterlehner zu sagen: ‚Lieber Reinhold, ich kann das nicht.‘ Dann muss er gehen."

Der alte Politfuchs Khol dürfte ein Déjà-vu gehabt haben. Er war einer der engsten Mitstreiter Schüssels, der vor 17 Jahren eine bereits ausverhandelte Koalition seiner ÖVP mit den Sozialdemokraten platzen liess – um sich von der FPÖ zum Kanzler wählen zu lassen.

Damals wie heute ging es um eine Unterschrift: Schüssel forderte ein Bekenntnis des damaligen roten Spitzengewerkschafters Rudolf Nürnberger zu massiven Einsparungen im Sozialbereich ein. Der weigerte sich – und gab Schüssel damit die moralische Rechtfertigung, den Pakt mit der SPÖ platzen zu lassen. Zumindest diese Freude hat Sobotka Kern nicht gemacht. Damit bleibt in Österreich vorerst alles beim Alten.

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