Die gesetzliche Rente ist für viele Menschen die Haupteinnahmequelle im Alter. Neue Zahlen aber zeigen: Millionen Menschen bekommen weniger als 1.250 Euro netto im Monat – selbst wenn sie jahrzehntelang versichert waren. Die Linke spricht vom einem "Armutszeugnis".
"Die Rente ist sicher": Dieser Satz geht auf den früheren Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) zurück. Mit Blick auf die Stabilität der Umlage mag das stimmen. Bei der Rentenhöhe hingegen scheinen Zweifel angebracht. Denn: Millionen Rentner in Deutschland bekommen weniger als 1.250 Euro netto im Monat ausgezahlt – sie gelten damit statistisch als relativ arm. Das geht aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) an den Linken-Abgeordneten Matthias W. Birkwald hervor, die unserer Redaktion vorliegt.
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Nach EU-Definition gilt in Deutschland als relativ arm, wer netto über weniger als 1.247 Euro im Monat verfügt. Relative Armut bedeutet, dass das Nettoeinkommen unterhalb von 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Das mittlere Einkommen, auch Medianeinkommen genannt, teilt die Bevölkerung in zwei gleich grosse Hälften: Die eine Hälfte bekommt mehr, die andere weniger.
Bei der Rente zeigt sich: Auch eine lange Versicherungszeit schützt nicht zwingend vor relativer Armut. Bei mindestens 35 Versicherungsjahren sind es 3,84 Millionen Renten, die unter 1.250 Euro liegen. Bei 40 Versicherungsjahren sind es 2,84 Millionen und bei 45 Versicherungsjahren noch 1,4 Millionen Renten, die darunter liegen. Die Zahlen beziehen sich auf den Stichtag 31.12.2022. Aktuellere Werte liegen noch nicht vor.
Ministerium: Rente nur ein Teil des Einkommens
Das BMAS verweist in seiner Antwort an Linken-Politiker Birkwald darauf, dass "aus der Höhe der Altersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht auf die Höhe des Alterseinkommens geschlossen werden kann, da weitere Einkommen und der Haushaltskontext nicht berücksichtigt sind".
Weitere denkbare Einkommens- und Vermögensquellen wären etwa Aktien, Immobilien oder Zahlungen aus einer betrieblichen Altersvorsorge.
Allerdings: Wie viele Menschen, die weniger als 1.250 Euro netto aus der gesetzlichen Rentenversicherung bekommen, zusätzlich noch Einnahmen aus einer betrieblichen Absicherung erhalten, kann das Ministerium nicht sagen. Hierzu "liegen der Bundesregierung keine Daten" vor, heisst es in einer weiteren Antwort an den Linken-Rentenexperten Birkwald.
Zum Vergleich: Insgesamt beziehen rund 31 Prozent der Menschen ab 65 Jahren mit 35 bis 39 Erwerbsjahren eine betriebliche Altersvorsorge. Bei denen mit mehr als 40 Erwerbsjahren steigt der Anteil auf rund 35 Prozent. In der Rentenpolitik setzt die Bundesregierung auf ein Dreisäulenmodell: Neben der gesetzlichen Rente sind die Bürger angehalten, privat und betrieblich vorzusorgen.
Linke fordert ausserordentliche Rentenerhöhung um zehn Prozent
Angesichts millionenfacher Renten von unter 1.250 Euro netto im Monat spricht Linken-Politiker Birkwald von einem "Armutszeugnis". Seine Forderung: "Wir müssen die gesetzliche Rente stärken". Dazu gehöre eine ausserplanmässige Rentenerhöhung um zehn Prozent und ein Anheben des Rentenniveaus von aktuell 48,15 Prozent auf 53 Prozent. "Das wäre ein erster und wichtiger Schritt gegen die immer stärker zunehmende Altersarmut", sagte Birkwald unserer Redaktion.
Hinzu kommt: Nicht alle Rentenbezieher erhalten die vollen Zahlungen aus der gesetzlichen Versicherung. Im Jahr 2022 zählte die Deutsche Rentenversicherung 223.580 Renten mit Abschlägen. Das entspricht 25,6 Prozent aller Neu-Renten in diesem Jahr. Versicherte müssen einen Abschlag in Kauf nehmen, wenn sie etwa vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Diese Menschen kamen demnach auf eine Bruttorente von 1.266,25 Euro im Monat bei einem Abschlag von 120,33 Euro.
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