Zwischen der italienischen Regierung und der EU könnte es im Schuldenstreit zu einer Eskalation kommen.
Der Schuldenstreit zwischen der italienischen Regierung und der EU-Kommission droht zu eskalieren. Rom hält trotz aller Kritik an der geplanten höheren Neuverschuldung fest.
Es sei ihm bewusst, dass die Haushaltspläne nicht im Einklang mit dem Euro-Stabilitätspakt stünden, schrieb Finanzminister Giovanni Tria am Montag an die Brüsseler Behörde. Die angepeilte Erhöhung des Defizits sei aber angesichts der "dramatischen wirtschaftlichen Lage, in der sich die benachteiligten Schichten der italienischen Gesellschaft befinden", eine "schwierige aber notwendige Entscheidung". Brüssel steht nun vor einer historisch einmaligen Entscheidung.
Nach Griechenland die höchste Schuldenquote in Europa
Um die Stabilität der Gemeinschaftswährung zu sichern, ist in Europa maximal eine Neuverschuldung von drei Prozent erlaubt. Italien weist jedoch mit mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung nach Griechenland die höchste Schuldenquote in Europa auf. Das ist das Verhältnis der Gesamtverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Land ist daher verpflichtet, mittelfristig eine Politik der Schuldenreduzierung zu verfolgen. Die abgewählte Vorgängerregierung hatte eine Neuverschuldung von 0,8 Prozent zugesagt. Die jetzige Koalition aus europakritischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega will diese aber auf 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung ausweiten. Die EU-Kommission hatte die Pläne Italiens bereits scharf kritisiert. Auch die Finanzmärkten reagierten zunehmend nervös.
Rom hat andere Ansichten
Anders sieht man das in Rom. Die Pläne stellten "kein Risiko für Italien und andere Länder in der EU" dar, schrieb Tria weiter. Auch Premierminister Giuseppe Conte versuchte zu beschwichtigen. "Wir sind keine Horde Hitzköpfe, die in die Regierung gekommen sind", sagte der parteilose Politiker in Rom. Ohne die Massnahmen, die im Haushaltsentwurf enthalten seien, würde Italien in eine neue Rezession rutschen. Conte betonte, dass niemand einen Austritt Italiens aus dem Euro oder der Europäischen Union wolle: "Es besteht keine Möglichkeit des Italexit und keine Möglichkeit, aus der Eurozone auszutreten."
Eine weiter steigende Verschuldung könnte jedoch aus Expertensicht Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen immer höher werden lassen - mit möglichen Gefahren für das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung. Die Ratingagentur Moody's stufte die Kreditwürdigkeit des Landes bereits jüngst herunter. Sie kritisierte, die Pläne zeigten keine "kohärente Reformagenda", die das maue Wachstum Italiens berücksichtigen würde.
Premierminister zeigt sich verhandlungsoffen
Conte zeigte sich zumindest verhandlungsoffen. Die geplanten 2,4 Prozent Neuverschuldung der Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr seien die "Obergrenze", meinte er. "Wir sind auch bereit, eine Drosselung zu erwägen. Wir müssen nicht gezwungenerweise 2,4 Prozent erreichen." Dies hänge vom Wirtschaftswachstum ab. Falls die EU-Kommission den Haushaltsentwurf Roms zurückweise, "setzen wir uns an einen Tisch und überlegen gemeinsam".
Vize-Premier Matteo Salvini gab sich allerdings wie immer hart. Falls die Kommission den Entwurf ablehne, werde man "keinen halben Zentimeter" von den Schuldenplänen abweichen, sagte der Chef der rechten Lega und Innenminister.
Weitere Schritte werden beraten
Die Kommission wird nun am Dienstag bei ihrer turnusmässigen Sitzung in Strassburg über die weiteren Schritte beraten. Theoretisch hat sie bis kommenden Montag Zeit, die italienischen Haushaltspläne abzulehnen. So etwas sei bislang noch nie vorgekommen, hiess es in Brüssel. Rom hätte anschliessend noch einmal drei Wochen Zeit, um Korrekturen vorzunehmen.
Dass es anderswo in der EU aufwärts geht, machten neue Daten deutlich: Europa befindet sich nach Jahren der Finanzkrise mittlerweile wieder etwas im Aufwind, das Wirtschaftswachstum zog zuletzt an, die Staaten haben ihre Neuverschuldung besser im Griff. Das Haushaltsdefizit der 19 Eurostaaten sank der Statistikbehörde Eurostat zufolge 2017 im Vergleich zum Vorjahr von 1,6 auf 1,0 Prozent. Die Schuldenquote sank von 89,1 auf 86,8 Prozent. Elf Euroländer wiesen demnach Haushaltsdefizite auf, acht Länder erzielten Überschüsse. Zu letzteren gehört Deutschland, die grösste Volkswirtschaft der Eurozone. © dpa
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