Horst Seehofer hat nun doch die Reissleine gefunden und seinen Rücktritt als Parteichef angekündigt. Dem lange unumstrittenen CSU-Häuptling mangelte es zuletzt nicht nur an Fürsprechern in der eigenen Partei. Auch in Berlin wurde der Druck so gross, dass sein Abgang als Innenminister im Jahr 2019 im Raum steht. Nun äussert sich Seehofer persönlich zum möglichen Rückzug - und stiftet mit seiner Aussage mehr Verwirrung, als Aufklärung.

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Einsam war es zuletzt um Horst Seehofer geworden, sehr einsam.

Niemand in der CSU fand sich in den vergangenen Wochen mehr, der den Parteichef öffentlich unterstützt, sich wenigstens halb hinter ihn gestellt hätte.

Niemand war mehr bei Seehofer, als sich immer mehr Bezirks- und Kreisverbände, Abgeordnete und Landräte, ja sogar einst Wohlmeinende von dem 69-Jährigen abwandten.

Jetzt hat auch Seehofer, nach dem Verzicht von Angela Merkel auf den CDU-Vorsitz, die Reissleine gefunden und gezogen: Er will den Posten als CSU-Chef frühzeitig räumen. Das bestätigte er am Montag bei einem Termin im sächsischen Bautzen. Der Zeitpunkt ist noch nicht klar, der werde im Lauf der Woche mitgeteilt. Am Sonntag war die Rede von Anfang 2019.

Sein Amt als Bundesinnenminister will Seehofer hingegen trotz anderslautender Berichte nicht abgeben: "Das Amt des Bundesinnenministers ist von dieser Entscheidung in keiner Weise berührt", fügte er hinzu.

Zäsur für die gesamte deutsche Politik

Es ist eine Zäsur, vor allen für die CSU. Seehofer ist eines der grossen Polit-Alphatiere der CSU gewesen, einer der alten Haudegen, von denen es nur noch wenige gibt.

Und so tragisch dies seine internen Kritiker ob seiner Lebensleistung finden, steht Seehofer nun eigentlich vor den Scherben seiner Karriere: Mehrere krachende Wahlniederlagen in Folge und ein dramatischer Ansehensverlust der CSU in Bayern und im Bund gehen hauptsächlich auf sein Konto.

Die Zeiten absoluter Mehrheiten für die CSU scheinen endgültig Geschichte. Und sein persönliches Ansehen ist Umfragen zufolge längst im Keller.

Horst Seehofer ist doppelt gescheitert

Schmerzhaft für Seehofer: Er, der immer ankündigte, er wolle am Ende seiner Karriere einen geordneten Übergang gestalten, ist damit aus CSU-Sicht nun doppelt gescheitert.

Nach der Bundestagswahl-Pleite im vergangenen Jahr musste er auf Druck seiner Partei und insbesondere der Landtagsfraktion die Staatskanzlei in München räumen und Platz für seinen ewigen Kontrahenten Markus Söder machen.

Und jetzt, nach dem dramatischen Absturz bei der Landtagswahl, hat ihn seine Partei binnen Wochen faktisch auch noch aus dem Amt des Parteivorsitzenden gejagt. Und wiederum dürfte sein Nachfolger Markus Söder heissen.

Selbst Wohlmeinende nennen es tragisch, dass Seehofer in der Vergangenheit schon mehrere Möglichkeiten und Zeitpunkte für einen selbstbestimmten Rücktritt verstreichen liess.

Einer beschreibt es so: Seehofer, der immer von sich behauptete, feinen Instinkt für das zu haben, was die Menschen bewegt, habe zum Schluss das Gespür für die Stimmungen in der Bevölkerung und in seiner eigenen Partei verloren.

CSU und Seehofer haben sich längst auseinandergelebt

Beratungsresistent sei er geworden, schimpften viele CSUler zuletzt, völlig abgehoben.

Zwar war Seehofer schon immer ein politischer Eigenbrötler, ein Sturkopf, der, wenn es kritisch wurde, immer nur sich selbst vertraute. Das aber sei zuletzt immer schlimmer geworden, heisst es. Die CSU und Seehofer hatten sich längst weit, weit auseinandergelebt.

Andererseits hat die Partei Seehofer viel zu verdanken. Auch die, die ihn jetzt aus dem Amt gedrängt haben, sprechen von einer grossen Lebensleistung des 69-Jährigen. Sie loben Seehofers sozialen Kompass. "Soziales Gewissen" der CSU wurde der Ingolstädter früher genannt.

Tatsächlich hat Seehofer seiner Partei mehr als 45 Jahre lang gedient - und sie mitgeprägt. Insgesamt 28 Jahre sass er für die CSU im Bundestag.

Er brachte es zum Bundesminister, zum Parteichef und bayerischen Ministerpräsidenten. Dabei hat er Höhen und Tiefen erlebt, persönlich und politisch.

2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast das Leben kostete. Seine gesamte Karriere stand auf dem Spiel, als er einst im Streit über die Gesundheitspolitik als Bundestags-Fraktionsvize zurücktrat.

2008 schlägt Seehofers grosse Stunde

Doch Seehofer kam wieder, wurde wieder Bundesminister. 2007 unterlag er im Kampf um den CSU-Vorsitz seinem Rivalen Erwin Huber.

2008 aber kam seine grosse Stunde: Nach dem damaligen Landtagswahl-Fiasko und dem Verlust der absoluten Mehrheit holte ihn die CSU als Retter nach München, er wurde in Personalunion CSU-Chef und Ministerpräsident.

Es folgte wieder ein Auf und Ab. Seehofers grösster Erfolg war die Rückeroberung der absoluten Mehrheit der Mandate im Landtag 2013.

Doch er musste auch viele Niederlagen verantworten, etwa die Pleite bei der Europawahl 2014, als Seehofers Strategie, sozusagen gleichzeitig für und gegen Europa zu sein, schiefging.

Ähnlich war es auch bei der Bundestagswahl im Herbst 2017, als Seehofer gleichzeitig für und gegen die Kanzlerin war. Folge war ein Absturz auf nur noch 38,8 Prozent.

Und wieder stand Seehofer vor dem politischen Aus. Am Ende konnte er sich nur deshalb als Parteichef halten, weil er bereit war, das Ministerpräsidenten-Amt zu räumen.

Mindestens zwei Regierungskrisen gehen mit auf sein Konto

Zur Wahrheit gehört aber auch: In Berlin, bei den damals laufenden Koalitionsverhandlungen, wollte die CSU nicht auf ihn verzichten. Er war der einzige, dem man die nötige Durchschlagskraft attestierte.

Seehofer nutzte dies, um noch einmal durchzustarten: Er zimmerte sich ein Riesen-Innenministerium zurecht. In dem Amt polarisierte er von Anfang an, keinem Streit ging er aus dem Weg - beziehungsweise zettelte ihn erst an.

Zwei Regierungskrisen, einmal wegen der Asylpolitik, einmal wegen der Causa Maassen, gingen mindestens mit auf Seehofers Konto. Für weite Teile der Opposition war der Bundesinnenminister von Anbeginn an der Gegner Nummer eins.

Auch im Ansehen der Bevölkerung rutschte er immer weiter ab. Geradezu dramatisch abwärts ging es nach jener denkwürdigen Nacht Anfang Juli, als Seehofer auf dem Höhepunkt seines Asyl-Streits mit der Kanzlerin seinen Rücktritt ankündigte - und am Ende doch beide Ämter behielt.

Rücktritt könnte endgültig sein

Diesmal aber soll Seehofers Rücktritt tatsächlich endgültig sein: Anfang 2019 zumindest als Parteichef. Minister will er nun aber offenbar doch bleiben - auch wenn der politische Gegner das schon zuvor scharf kritisiert hat.

Seehofer sei der Falsche auf dem Posten des Innenministers, betonte Grünen-Chef Robert Habeck beim RBB.

Gebraucht werde ein Innenminister, "der ein klares rechtsstaatliches Verhältnis und Verständnis hat und nicht den Staat parteipolitisch interpretiert". Und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt meint: "Jeder Tag, den Horst Seehofer weiter Innenminister bleibt, ist ein Tag zu viel."

Doch eilig hat es Seehofer nicht. Zumal die CSU, allen Querelen zum Trotz, ihrem Noch-Vorsitzenden eines ermöglichen will: einen "würdigen Abschied", wie einer aus dem engsten Führungszirkel betont. (szu/dpa/afp)

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