Mit Desinformationen versuchten russische Akteure auf X Stimmung gegen die Ampel-Regierung und die Ukraine zu machen. Das Auswärtige Amt spricht von einer grossen Kampagne.
Das Auswärtige Amt hat einem Bericht zufolge eine russische Desinformationskampagne auf der Onlineplattform X aufgedeckt. Ziel der Kampagne sei es offenbar, den Unmut gegen die Ampel-Regierung zu verstärken und die Unterstützung für die Ukraine zu unterminieren, berichtete der "Spiegel" am Freitag. Experten hätten im Auftrag des Auswärtigen Amts den Kurzbotschaftendienst X mit einer speziellen Software analysiert und seien dabei auf ein massives Netzwerk falscher Nutzerkonten gestossen, die deutschsprachige Inhalte verbreiten.
50.000 gefälschte Konten auf X
Im Untersuchungszeitraum vom 20. Dezember bis zum 20. Januar identifizierten die Experten demnach mehr als 50.000 gefälschte Nutzerkonten, die insgesamt mehr als eine Million deutschsprachige Tweets absetzten. An manchen Tagen wurden rund 200.000 Tweets abgesetzt, was zwei Tweets pro Sekunde bedeutet. Häufig tauche in den Tweets der Vorwurf auf, die Bundesregierung vernachlässige die eigene Bevölkerung, um die Ukraine zu unterstützen, berichtete der "Spiegel" unter Berufung auf die vertrauliche Analyse weiter.
Dort stand unter anderem: "Ich finde es enttäuschend, dass die Regierung mehr für andere Länder tut als für die eigenen Bürger." Ein weiterer Tweet lautete: "Es ist eine Schande, dass die Ampel-Koalition die Probleme im eigenen Land nicht zuerst angeht."
Das Auswärtige Amt beobachtet seit geraumer Zeit mit mehreren Datenanalysten Debatten zu aussenpolitischen Themen in den Onlinenetzwerken. Ziel ist es, Versuche der Einflussnahme durch ausländische Akteure aufzudecken. "Desinformation ist zu einem globalen Bedrohungsfaktor geworden", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts dem "Spiegel". "Sie wird von denjenigen, die unsere Werte nicht teilen, gezielt eingesetzt, um ganze Gesellschaften zu destabilisieren – nicht nur in westlichen Demokratien, sondern überall."
Falschmeldungen sind nicht neu, nur seien heute die Voraussetzungen optimal. Nie war es leichter, eine Nachricht abzusetzen, die sich anschliessend in den sozialen Netzwerken rapide verbreiten kann. Fake-News in den sozialen Medien zu erkennen, sei indes wesentlich schwieriger geworden.
Angst vor Einmischung vor Wahlen in Deutschland, Europa und den USA
Nach Angaben des Auswärtigen Amts im "Spiegel" fand 2022 schon einmal solch eine Desinformationskampagne statt. Die jüngste Welle sei Teil einer grossangelegten russischen Initiative, die unter dem Namen "Doppelgänger" bekannt wurde. Damals standen neben Deutschland auch Frankreich, Grossbritannien, Italien und die Ukraine im Fokus der russischen Angreifer. Der Facebook-Mutterkonzern Meta sprach von der bislang "grössten und hartnäckigsten" russischen Onlineoperation und sperrte zahlreiche beteiligte Konten.
Die EU handelte daraufhin und sanktionierte zwei russische IT-Firmen. Structura National Technologies und Social Design Agency konnten Beteiligungen an den Desinformationskampagnen nachgewiesen werden. Ausserdem sollen die beiden Firmen laut US-Behörden an Aktionen in Lateinamerika beteiligt gewesen sein.
Diese neuen Enthüllungen sind besonders brisant, weil in diesem Jahr sowohl die Wahl zum EU-Parlament als auch die US-Wahl ansteht. Auch in drei deutschen Bundesländern, Thüringen, Sachsen und Brandenburg, wird im Herbst ein neuer Landtag gewählt. Die Sorge ist gross, dass die russische Einflussnahme in diesem Jahr noch einmal massiv zunehmen könnte. (afp/the)
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