Montagmorgen: Russische Raketen schlagen in der Ukraine ein und fordern viele Menschenleben. Der UN-Sicherheitsrat will beraten, doch Russlands Veto-Recht wirft Fragen nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Treffens auf.
Nach einem der bislang verheerendsten russischen Angriffe auf die Ukraine an diesem Montag berät sich der UN-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung. Das Treffen findet am Dienstag statt. Viele sehen dies als Farce. Denn Russland ist Teil dieses Organs – und hat ein Veto-Recht. Der russische Aggressor kann daher Resolutionen, die der Rat verabschieden möchte, blockieren. Was also bringt eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats in diesem Fall? Ein Überblick.
Was ist passiert?
Für die Ukraine war der Montag ein schwarzer Tag. In den frühen Morgenstunden des 8. Juli schlugen russische Raketen in Kiew, Krywyj Rih und anderen Städten ein. Nach offiziellen Angaben starben dabei bislang 38 Menschen, 190 wurden verletzt. Besonders betroffen war die Hauptstadt Kiew: Hier töteten russische Raketen 27 Menschen, darunter vier Kinder. Die Angriffe trafen auch medizinische Einrichtungen wie das grösste Kinderkrankenhaus des Landes und eine Geburtsklinik. Hunderte Anwohner halfen Rettungskräften, die unter dem Schutt vergrabenen Kinder und Mitarbeitenden zu bergen. Noch während der Bergungsarbeiten schrieb die britische UN-Botschafterin Barbara Woodward auf X: "Wir werden Russlands feigen und verwerflichen Angriff auf das Krankenhaus anprangern."
Russland hat ein Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat – was bringt ein Treffen?
Holger Niemann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Europäische Friedens- und Sicherheitsordnungen sowie Forschungsreferent bei der Wissenschaftlichen Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg (IFSH). Auf Anfrage von RiffReporter erklärt er, Russland könne zwar sein Veto im Sicherheitsrat einlegen, doch könne es nicht verhindern, dass der Sicherheitsrat über aktuelle Krisensituationen diskutiert.
"Die Symbolkraft solcher Diskussionen ist nicht zu unterschätzen", meint Niemann. "Sie schaffen internationale Aufmerksamkeit für das jeweilige Thema und vor allem bieten sie den Mitgliedern des Sicherheitsrats eine Möglichkeit, ihre Haltung zum russischen Angriff klar und deutlich zu kommunizieren." UN-Mitglieder könnten so gegenüber Russland, aber auch gegenüber der Weltöffentlichkeit verdeutlichen, wie sehr sie das russische Verhalten ablehnen.
Welchen Einfluss hat der UN-Sicherheitsrat überhaupt?
Der UN-Sicherheitsrat, oft auch als Weltsicherheitsrat bezeichnet, ist ein zentrales Organ der Vereinten Nationen. Er besteht aus fünf ständigen und zehn nichtständigen Mitgliedern. Die fünf ständigen Mitglieder – Frankreich, Russland, die USA, China und das Vereinigte Königreich – verfügen über ein erweitertes Vetorecht bei der Verabschiedung von Resolutionen. Nach Artikel 24 der UN-Charta haben die Mitgliedstaaten dem Sicherheitsrat "die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" übertragen.
Wie Niemann erklärt, kann der Sicherheitsrat allein über Zwangsmassnahmen gegenüber UN-Mitgliedstaaten entscheiden und dabei auch den Einsatz militärischer Gewalt autorisieren. Zudem entscheide der Sicherheitsrat über die Einrichtung von Blauhelm-Missionen, also Missionen von UN-Soldaten, und spielt etwa bei der Wahl des UN-Generalsekretärs eine zentrale Rolle.
Niemann sagt: "Für die internationale Sicherheitspolitik ist der Sicherheitsrat daher mit Abstand das wichtigste Gremium." In vielen Fällen hätten seine Entscheidungen Konfliktverläufe wesentlich beeinflusst. "Aber die Liste der Krisen, in denen der Sicherheitsrat nicht ausreichend aktiv wurde, ist lang. Dazu gehören etwa die Krisen in Ruanda und Darfur, im Kosovo, der Krieg in Syrien und der Krieg gegen die Ukraine."
Wie könnte eine Reform des UN-Sicherheitsrats aussehen – und wie gross sind die Aussichten auf Erfolg?
"Forderungen, den Sicherheitsrat zu reformieren, gibt es seit Gründung der Vereinten Nationen vor knapp 80 Jahren", erklärt der Experte des IFSH. Seit mehr als 15 Jahren diskutiere die UN-Generalversammlung darüber. "Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen nach einer besseren geographischen Repräsentation der Weltregionen, insbesondere der afrikanischen Staaten, sowie eine Reform des Vetos." Auch die Bundesregierung strebt eine Reform an.
Es gebe viele Reform-Vorschläge, doch Aussicht auf Erfolg habe keine, sagt Niemann. Eine Reform müsste von den fünf ständigen Sicherheitsratsmitgliedern abgesegnet werden, doch die wollen ihre Privilegien nicht abgeben.
Verwendete Quellen:
- unric.org: "Die Charta der Vereinten Nationen"
- x.com: "Beitrag Ambassador Barbara Woodward"
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