Wladimir Putins Propagandamaschine inszeniert den Konflikt in der Ukraine als einen Krieg der Worte. In einem Land, in dem die Pressefreiheit stark eingeschränkt ist, machen die Medien Stimmung gegen die ukrainische Regierung und den Westen. Dabei schrecken sie auch vor Verschwörungstheorien nicht zurück.
ARD-Korrespondentin Golineh Atai rang um Worte. Die Journalistin hatte am Montag in Donezk eine friedliche Demonstration für die Einheit der Ukraine miterlebt, die von bewaffneten Männern "mit bestialischer Gewalt" angegriffen worden war. Auch die Polizei habe sie nicht schützen können. Ein "prorussischer Mob" sei mit Knüppeln auf ihr Fernsehteam zugekommen. Erst als ihr Kameramann sie als russische Journalisten ausgab, hätten die Schläger von ihnen abgelassen.
Besonders erschütterte die deutsche Reporterin, dass die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass das Geschehen völlig umdrehte. Das staatliche Medienorgan machte aus der Demonstration einen "antifaschistischen Marsch", bei dem "patriotische russische Lieder" gesungen worden seien. Ukrainische Schläger hätten die Prozession attackiert und viele Beteiligte verletzt.
Das Beispiel ist nur eines von vielen, wie Russlands Medien derzeit über die Krise in ihrem Nachbarland berichten. Sie machen sich die unübersichtliche Lage im Nachbarland zunutze. "Man versucht, durch die Kontrolle der Medien die Meinungsbildung in Russland über den Ukraine-Konflikt zu steuern", sagt Christian Mihr, Geschäftsführer bei "Reporter ohne Grenzen", im Gespräch mit unserem Portal. "Es zeigt deutlich, dass Information auch eine Waffe ist."
Stimmungsmache und Verschwörungstheorien
Für Moskau ist die Revolution in der Ukraine eine "nationalistische Bewegung". Die russischen Medien machen Stimmung gegen die Regierung in Kiew, die nach Ansicht des Kremls illegitim ist. Bereits während der Proteste auf dem Maidan wurden gezielt Falschinformationen verbreitet, in denen die Rolle der Rechtsextremen bei den Demonstrationen überbetont wurde. Nach der Flucht von Präsident Viktor Janukowitsch werde nun versucht, einen faschistischen ukrainischen Staat aufzubauen. Die neue Staatsmacht soll nach Darstellung Putins die russische Minderheit bedrohen.
Damit schüren die Moskauer Medien Ängste der russischen Bevölkerung, auch in der Ukraine. Obwohl die UN-Menschenrechtsbehörde zu dem Schluss kam, dass es in der Ukraine keine systematischen Attacken gegen Russen gebe, wird der Bericht in Zweifel gezogen, wie praktisch alle Berichte der nicht kremltreuen Seite. Meldungen über Gewaltdelikte machen fast immer ukrainische Kräfte zu Tätern und Russen zu Opfern.
Daneben werden teils dubiose Gerüchte gestreut, wie dass in der Ukraine "Sammelpunkte für illegale Migranten" gebaut würden, die nach Ansicht des russischen Aussenamtes an Konzentrationslager aus der Nazizeit erinnern.
Das Misstrauen gilt nicht nur der ukrainischen Regierung, sondern auch europäischen und amerikanischen Politikern, Medien und Organisationen. Dabei wird ein starker Gegensatz zwischen Ost und West aufgebaut. "Russische Medien betonen immer wieder, dass das heutige Russland vermeintlich für Freiheit und Meinungspluralität steht, während die imperiale und heuchlerische Grossmacht USA ein Lügengebilde aufrecht erhalte", schildert Mihr. Die USA und Europa sollen ein Interesse daran haben, dass sich die Lage in der Ukraine nicht stabilisiert, und sogar auf einen "russlandfeindlichen Charakter" in dem Land hinwirken.
Die prorussischen Separatisten werden dagegen positiv dargestellt. Sie stehen in engem Kontakt mit den russischen Mediendiensten und geben ihnen viele Interviews. Die Begriffe "Volkswehr" oder "Bürgerwehr" suggerieren, dass die Milizen nur zum Schutz der Bevölkerung eingesetzt würden, ebenso wie die Bezeichnung "Selbstverteidigungskräfte".
Auch der angeblich "vom Volk gewählte" Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, wird in den kremlnahen Medien unterstützt. Seine Gefangennahme von Mitarbeitern des OSZE aus dem Westen, zu denen auch vier Deutsche gehören, wird mit ihrer angeblichen Tätigkeit als "Spione" gerechtfertigt. "Dabei werden auch Bezüge zu Nazi-Spitzeln im zweiten Weltkrieg hergestellt", berichtet Mihr.
In Russland gibt es keine Pressefreiheit
Gleichzeitig empören sich die Moskauer Medien über die angebliche Einschränkung der Pressefreiheit russischer Journalisten in der Ukraine. Das klingt zynisch aus einem Land, in dem seit dem Jahr 2000 mindestens 30 Reporter wegen ihrer Arbeit getötet wurden. Allein in den vergangenen zwei Jahren gab es in Russland nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" mehr als 30 Angriffe auf Journalisten. Eine kritische Berichterstattung über die russische Regierung existiert kaum.
Russland liegt in der Rangliste der Pressefreiheit, die von "Reporter ohne Grenzen" herausgegeben wird, auf Platz 148 von 179 Ländern. Die TV-Sender nehmen eine zentrale Rolle ein, 90 Prozent der politischen Informationen werden über das Fernsehen vermittelt. Viele Redaktionen der landesweiten Sender wurden nach dem Amtsantritt von
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.