Russland hat eine neue Waffe entwickelt, beziehungsweise eine alte modifiziert: die FAB-1500-Gleitbombe. Anders als viel gepriesene Wunderwaffen beeinflusst sie das Kriegsgeschehen massgeblich.
Zum Anfang eine Faustregel: Im Krieg hat nur das Einfache Bestand. Das beweist sich derzeit in der Ukraine. Russlands viel gepriesene Wunderwaffen entpuppten sich in der Vergangenheit als Reinfall. Die Hyperschall-Kinschal-Raketen etwa werden zielsicher von den Patriot-Raketen abgefangen.
Die nuklearbetriebenen Poseiden-Tsunami-Torpedos sind nutzlos, es sei denn,
Jetzt hat Russland eine "Wunderwaffe" gefunden, die funktioniert und die Kämpfe auf eine zermürbende Art und Weise beeinflusst. Die Ironie: Die Bombe ist nicht neu. Sie ist vielmehr altmodisch, ein Relikt aus der Sowjetzeit und trotzdem zu einer hocheffektiven Waffe geworden.
Die FAB-1500-Bombe verändert den Krieg
Es geht um die FAB-1500-Bombe. Eigentlich eine Fliegerbombe, die von Flugzeugen abgeworfen wird, unpräzise und ohne jegliches Lenksystem. Sie explodiert, wo sie aufschlägt. Deswegen nennt man diese Art von Waffen auch "dumme Bomben". Das russische Militär hat diese Bomben jetzt allerdings mit einem Satellitenleitsystem ausgestattet und sie zu präzisionsgelenkten Gleitbomben modifiziert.
So sollen sie bei unbeweglichen Zielen ähnlich präzise wie Marschflugkörper ihr Ziel erreichen – mit derselben Explosionskraft, aber zu einem Bruchteil der Kosten. Der ukrainische Aussenminister nannte die Gleitbomben in einer Regierungserklärung Ende März laut "newsweek.com" "den Hauptvorteil auf dem Schlachtfeld".
Die Zahl in der Typbezeichnung gibt an, wie viel die Bomben wiegen. Nachdem zuerst Bomben mit 250 und 500 Kilogramm zur Gleitbombe umgerüstet wurden, wiegen die 1,5-Tonnen-Bomben so viel wie ein VW Golf und bestehen knapp zur Hälfte aus Sprengstoff. Anders als dumme Bomben werden diese allerdings nicht direkt über dem Ziel abgeworfen, sondern – laut Experten des Institute for the Study of War – von russischen Kampfflugzeugen, in einer Entfernung von bis zu 70 Kilometern.
So umgehen die russischen Piloten ukrainische Verteidigungssysteme. Videos sollen belegen, wie effektiv dieses Vorgehen in der Praxis ist. Während die Kampfjets in sicherer Entfernung bleiben, verwandeln die FAB-1500 Gebäude in Schutt und Asche und Bombenkrater von 15 Metern Durchmesser.
Soldaten fürchten die Bombe: "Die FAB-1500 ist die Hölle"
Der "Telegraph" berichtet ebenfalls über diese Videos und verweist auf russische Militärblogger. In den Videos fliegen die Bomben schräg ins Bild, bevor sie die Gebäude treffen und in gewaltigen Feuerbällen explodieren. "Es setzt die Moral der Soldaten stark unter Druck. Nicht alle unserer Jungs können dem standhalten. Zwar sind sie inzwischen mehr oder weniger an die FAB-500 gewöhnt, aber die FAB-1500 ist die Hölle", wird ein Soldat in der Frontstadt Kasnohorivka von "CNN" zitiert.
Während im August 2023 noch 800 dieser Bomben im Monat eingesetzt wurden, sollen es derzeit 700 pro Woche sein, wie der Aussenminister der Ukraine Dmytro Kuleba Ende März laut Bericht erklärte. Tendenz steigend. Damit setzen die russischen Streitkräfte den Nachschub, die Logistik und die Infrastruktur der Ukraine extrem unter Druck.
Die Gleitbombe soll laut einem ukrainischen Militärbericht, der dem "Guardian" vorliegt, "eine Schlüsselrolle bei der Zerstörung der Stadt Awdijiwka und der Besetzung der Ruinen" gespielt haben. Die Einnahme der Stadt gilt als wichtigster militärischer Erfolg seit der Schlacht um Bachmut.
Die Zahl der Einsätze zeigt, dass es sich um billige Standardware handelt. Zum Vergleich: Marschflugkörper wie britische Storm-Shadow-Raketen haben mit einem 450 Kilogramm-Gefechtskopf zwar eine ähnliche Zerstörungskraft, doch hat Grossbritannien nur insgesamt 900 Stück davon bestellt, zu einem Stückpreis von 790.000 britischen Pfund.
Wie teuer die Gleitbomben genau sind, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, allerdings ist die Technik simpel. Es werden Flügel wie bei Marschflugkörpern angebracht und es wird ein Navigationsgerät integriert. Vergleichbare amerikanische Technik kostet 22.000 US-Dollar pro Stück.
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Keine Abwehrmöglichkeiten gegen FAB-1500
Besonders frustrierend im Gefecht: Die Gleitbomben lassen sich kaum abfangen. Sie sind zu klein und dadurch von Radargeräten kaum zu erfassen. Zudem besitzen sie keine Triebwerke oder Hitzequellen, die die Bombe verraten könnten. "Die einzige Möglichkeit, dieser barbarischen Taktik entgegenzuwirken", sagt Aussenminister Kuleba, "besteht darin, die Flugzeuge abzuschiessen, die diese Bomben abwerfen."
Dies erfordere eine "ausreichende Anzahl moderner Flugabwehrsysteme an der Front". Eine starke Flugabwehr an der Front würde es den ukrainischen Truppen "nicht nur ermöglichen, ihre Positionen nicht zu verlieren, sondern auch die Russen zum Rückzug zu zwingen".
Verwendete Quellen
- telegraph.co.uk: Watch: Glide bombs that raze multi-storey buildings mass-produced by Russia
- euronews.com: What Russia´s Poseidon nuclear drone and could it wipe out the UK in a radioactive tsunami?
- rnd.de: Kann sich Russland seinen neuesten Panzer Armata T-14 nicht mehr leisten?
- cnn.com: Russia´s new guided bomb inflicts devastation and heavy casualties on the Ukrainian front lines
- theguardian.com: Mass use of guided bombs drivin Russian advances, says Ukraine
- publications.parliament.uk: Written Answers to Questions – Tuesday 17 May 2011
- missilethreat.csis.org: SCALP EG / Storm Shadow / SCALP Naval / Black Shaheen / APACHE AP
- criticalthreats.org: Russian Offensive Campaign Assessment, March 10, 2024
- af.mil: Joint Direct Attack Munition
- sueddeutsche.de: Was der Fall Awdijiwkas bedeutet
- understandingwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, February 17, 2024
- newsweek.com: How Russia´s Deadly FAB-1500s Could Change Shape of War
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