Die USA haben Informationen, denen zufolge Russland an einer Weltraum-Waffe arbeiten könnte. Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses spricht von einer "ernsthaften Bedrohung für die nationale Sicherheit". Mit neuer Technologie könnte Russland Satelliten im Weltall angreifen. Noch sind viele Fragen offen, Militärexperte Gustav Gressel ordnet die Lage ein.
Wenn Meldungen über eine neue Waffe aus Russland kommen, sind das in aller Regel keine guten Nachrichten. Die jüngste von ihnen: Russland soll nach Angaben der US-Regierung an militärischen Fähigkeiten arbeiten, um gegen Satelliten im All vorgehen zu können.
Um welche Technologie es sich genau handeln könnte, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, nicht. Offen bleibt, ob es sich um eine Atomwaffe, eine nuklear angetriebene Waffe oder eine nuklearfähige Waffe handeln könnte.
Kreml weist Berichte zurück
Es bestehe jedoch keine unmittelbare Gefahr für die Sicherheit "von irgendjemandem", hiess es. Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Repräsentantenhauses, Mike Turner, sprach hingegen von einer "ernsthaften Bedrohung der nationalen Sicherheit".
Der Kreml weist die Berichte zurück und spricht von einer "bösartigen Fälschung". "Es ist offensichtlich, dass das Weisse Haus mit allen Tricks und Raffinessen versucht, den Kongress zur Abstimmung über das Gesetz zur Bereitstellung von Geld (für die Ukraine) zu bewegen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow gegenüber der Nachrichtenagentur "Interfax".
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Viele Fragen offen
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Auch Militärexperte Gustav Gressel verfolgt die Berichte aufmerksam. "Die Informationslage darüber ist noch relativ begrenzt", gibt er zu. Es sei beispielsweise unklar, ob die geplante Waffe dauerhaft im Weltraum stationiert sein solle und permanent die Erde umkreise oder nur hochgeschossen werde. "Das Gerät gibt es schliesslich noch nicht, es soll erst noch entwickelt werden. Inoffizielle Spekulationen sagen, dass es im Orbit stationiert wird", so der Experte.
Mögliche Anti-Satelliten-Anwendungen
Sofern etwas Atomares zum Einsatz kommt, hält Gressel mehrere Möglichkeiten für denkbar.
"Das könnte zum Beispiel ein Sprengsatz sein, der durch eine nukleare Detonation – etwa durch einen elektromagnetischen Impuls – wirksam ist", sagt er. Handele es sich dabei um den Sprengsatz einer Raketenabwehrrakete, wäre das nichts ganz Neues. "Die Sowjetunion und später auch Russland hatte immer nuklear bestückte Raketenabwehrraketen stationiert", erinnert Gressel.
Es könnte sich seiner Einschätzung nach jedoch um eine Anti-Satelliten-Anwendung handeln, bei der die Raketen höhere Orbits erreichen können, um Satelliten in weiteren Umlaufbahnen als nur die in unmittelbarer Erdnähe zu treffen. "Das wäre eine neue Verwendung, aber die Waffe wäre schon vorhanden", erklärt er.
Einfangen der Waffe im All
Anders sähe es aus, wenn es sich um einen nuklearen Sprengkopf handeln würde, der im Orbit detoniert und dort stationiert ist. "Das würde eine Verletzung des Weltraumvertrages darstellen", sagt Gressel. Für Russland wäre das aus seiner Sicht aber nichts Ungewöhnliches – "schliesslich hat es auf fast jede internationale Abrüstungskonvention gepfiffen, inklusive der Chemiewaffenkonvention", meint Gressel.
Sollte sich eine solche Waffe permanent im Weltall befinden, gibt es nach Einschätzung des Experten aber Möglichkeiten, sie zu bekämpfen. "Das geht zum Beispiel durch Einfangen oder durch Abschuss. Man könnte sie dann sozusagen aus dem Orbit herauswerfen und sie in der Atmosphäre verglühen lassen", sagt er. Würde man sie abschiessen, würde man jedoch Weltraumschrott erzeugen. Ob das möglich wäre, hänge davon ab, in welchen Umlaufbahnen die Waffe schweben würde.
Signale von US-Satelliten stören
Gressel hält eine dritte Variante für realistischer: "Es könnte sich um einen elektronischen Störungs-Satelliten mit einem nuklearen Reaktor als Energiequelle handeln, der in die Nähe von amerikanischen Satelliten geschossen werden soll, um im Ernstfall deren Funksignal zu überlagern", sagt er.
In der Anwendung wäre das zwar neu, aber Satelliten, die statt Solarzellen einen Reaktor als Energiequelle haben, seien nicht neu oder illegal. "Die Sowjetunion hat früher sehr viele dieser Geräte betrieben, die noch immer um die Erde schweben", sagt Gressel.
Nachdem in den 1970er-Jahren solch ein Satellit in Kanada abgestürzt sei und einen Landstrich verseucht habe, würden diese Satelliten auf einen "Friedhofsorbit" geschossen. "Der Reaktor wird gesprengt, sobald er ausgedient hat", sagt Gressel.
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Stör-Satellit könnte GPS ausfallen lassen
Für den Einsatz als Störsender sieht er einen Satelliten mit nuklearem Reaktor als gut geeignet an, da dieser eine höhere Spannung erreichen könne. Für amerikanische Satelliten wäre ein solches Szenario problematisch. "Ein Störsender, der sich selbst im Weltraum befindet, kann Signale mit einer sehr hohen Flächenabdeckung überlagern. Damit könnte man relativ gut eine ganze Hemisphäre ausblasen", so Gressel.
Ein denkbares Szenario: Ein solcher Stör-Satellit könnte GPS zum Ausfall bringen oder massiv stören. "Ein Abschuss wäre in diesem Fall schwierig, weil sich der Störer nah an den eigenen Satelliten befindet. Die Überreste des Abschusses würden als Weltraummüll ausserdem in der eigenen Satellitenbahn mitfliegen und sie über längere Distanz zerstören", gibt er zu Bedenken.
"Weltraumschrott ist ohnehin ein Problem"
Die Russen hätten in den letzten Jahren bereits mehrmals geprobt, eigene Satelliten sehr knapp an amerikanische, aber auch europäische Satelliten heranzumanövrieren. "Bis jetzt habe ich den Sinn von solchen Manövern nicht verstanden, aber wenn sie Störsender-Satelliten bauen, wäre das natürlich ein Clou", so der Experte.
Zu Verteidigung käme in diesem Fall nur ein präzises "De-Orbiten" durch einen Raumgleiter oder ein spezielles Raumfahrzeug in Frage. "Solche Raumfahrzeuge müssten schon getestet und bereits vorhanden sein, damit man den Störsender im Notfall unmittelbar einfangen kann", sagt Gressel.
Seiner Meinung nach wäre es eine Überlegung, ein entsprechendes Programm auch unter zivilem Vorwand zu entwickeln: "Weltraumschrott ist ohnehin ein Problem und man könnte probieren, einige grosse Schrottteile kontrolliert zum Absturz zu bringen", sagt Gressel.
Über den Experten
- Gustav Gressel ist Experte für Sicherheitspolitik, Militärstrategien und internationale Beziehungen. Er absolvierte eine Offiziersausbildung und studierte Politikwissenschaft an der Universität Salzburg. Schwerpunktmässig befasst sich Gressel mit Osteuropa, Russland und der Aussenpolitik von Grossmächten.
Verwendete Quellen
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