• Saporischschja nordwestlich von Mariupol ist noch vergleichsweise sicher. Im Kinderkrankenhaus der Stadt kümmern sich die Ärzte um verletzte Mädchen und Jungen aus Kampfgebieten.
  • "Niemand möchte sehen, was wir hier sehen", sagt Chefarzt Juriji Borsenko.
  • Besuch an einem Ort, an dem kriegsverletzte Kinder um ihr Leben ringen - teilweise allein, da die Eltern selbst verwundet wurden.

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Im Kinderkrankenhaus von Saporischschja krümmt sich die 13 Jahre alte Milena vor Schmerzen. Eine Kugel zerfetzte ihren Mund und ihre Zunge, auch mehrere Wirbel sind verletzt. Milena stammt aus Mariupol, die seit Wochen von der russischen Armee belagerte Hafenstadt im Süden der Ukraine.

Ihre Familie versuchte wie so viele andere dem ständigen Bombardement in Mariupol zu entfliehen, "Kinder" stand auf einem Schild auf ihrem Auto. Dennoch wurde ihr Fahrzeug von russischen Soldaten beschossen, ausser Milena wurde glücklicherweise niemand von ihrer Familie verletzt. Dieselben Soldaten, die auf Milena schossen, hätten sie danach in ein Krankenhaus gebracht, erzählt die Mutter, die ihren Namen nicht nennen möchte.

Chefarzt: "Niemand möchte sehen, was wir hier sehen"

Milena wird wieder vollständig gesund werden, sagen die Ärzte. Im Bett neben ihr aber ringt der kleine Wladislaw mit dem Tod. Dem Fünfjährigen wurde in den Bauch geschossen, als seine Familie aus ihrem Dorf Polohy zwischen Mariupol und Saporischschja vor den vorrückenden Truppen fliehen wollte. Weder Mutter noch Vater können sich um Wladislaw kümmern, sie liegen schwer verletzt in anderen Kliniken. Ein Beatmungsgerät hält den Jungen am Leben; die Ärzte fürchten, dass er die Nacht nicht überstehen wird.

"Wir haben Kinder mit Kopfverletzungen, Amputationen, durchlöchertem Unterleib und Knochenbrüchen", sagt Chefarzt Juriji Borsenko. "Ich glaube, niemand möchte sehen, was wir hier sehen." Die Klinik nimmt Kinder aus den heftig umkämpften Gebieten im Osten und Süden der Ukraine auf.

Krieg in der Ukraine: Klinik macht sich auf einen Angriff gefasst

Die Stadt Saporischschja 250 Kilometer nordwestlich von Mariupol ist noch relativ sicher, auch wenn in der Umgebung gekämpft wird und manchmal von fern Explosionen zu hören sind. Doch das Krankenhaus macht sich auf das Schlimmste gefasst: Gelbe Klebebänder an den Fensterscheiben sollen verhindern, dass sie bei einer Druckwelle zerspringen, in den Ecken stapeln sich Sandsäcke und im Keller wurde ein Schutzraum mit Metallbetten eingerichtet.

Die schwersten Fälle von der Neugeborenen-Intensivstation wurden bereits ins Untergeschoss verlegt, denn mit den benötigten Apparaten können die Babys bei Alarm nicht so schnell in Sicherheit gebracht werden. Der knapp zwei Wochen alte Mischa liegt dort. Gesicht und Fäuste sind verkrampft, als würde er gleich weinen. Er wurde in Tokmak südlich von Saporischschja geboren, während die Stadt beschossen wurde. Die Geburt war kompliziert und Mischa konnte nicht richtig mit Sauerstoff versorgt werden. Er hat Hirnschäden und Probleme beim Atmen und wird vermutlich sein ganzes Leben behindert sein.

Viele Kinder werden ihr Leben lang behindert sein

Die Ärzte des Krankenhauses haben Erfahrung mit Kriegsverletzungen: Sie kümmern sich seit 2014 um Kinder, die bei den Kämpfen im Donbass im Osten der Ukraine verletzt wurden. Seit dem russischen Grossangriff auf die Ukraine am 24. Februar sei ihre Zahl drastisch gestiegen und das Personal arbeite rund um die Uhr, sagt Iwan Anikin, der Leiter der Neugeborenenstation. Aus Sicherheitsgründen nimmt er seine 14-jährige Tochter nun immer mit in die Klinik.

Auf den Krankenhausfluren sind oft die Schmerzensschreie der jungen Patienten zu hören. Die meisten der eingelieferten Mädchen und Jungen werden für immer behindert sein, berichten die Ärzte. So wie die 15 Jahre alte Mascha aus einem nahegelegenen Dorf. Sie war am 13. März, einem schönen sonnigen Tag, mit ihrer Mutter und ihrer Schwester auf dem Weg nach Hause, als eine Rakete direkt neben ihnen einschlug. Die Mutter warf sich über die Töchter, alle drei überlebten. Doch Mascha verlor ihr rechtes Bein und ihr rechter Arm ist schwer verletzt. "Nach vier Operationen geht es Mascha viel besser", sagt ihre Grossmutter Walentyna Fetschtschenko. "Sie gerät aber in Panik, sobald sie ein lautes Geräusch hört." (afp/mcf)

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