Bundesaussenministerin Annalena Baerbock bricht ihren Besuch in einer ukrainischen Stadt ab, weil ihrer Delegation eine russische Aufklärungsdrohne folgt. In diesem Moment kommt der Krieg ganz nah an sie heran.
Es war der Moment, an dem die Bedrohlichkeit des Krieges in der Ukraine ganz nah an die Ministerin herankam – oder besser gesagt: über ihr schwebte. Ukrainische Sicherheitsleute sichteten eine russische Aufklärungsdrohne, als Bundesaussenministerin
Eine brenzlige Situation – und eine Situation, die deutlich macht, wie unheilvoll und zermürbend der Alltag für die Menschen in der Ukraine ist. Genau darüber hatte Baerbock kaum 60 Minuten zuvor gesprochen, als sie den zerstörten Verwaltungssitz von Mykolajiw im Süden der Ukraine besuchte.
"Der blanke Terror des russischen Präsidenten setzt auf Zermürbung", sagte Baerbock. "Er setzt darauf, dass die Furchtbarkeit dieses Krieges irgendwann dazu führt, dass die Menschen hier vor Ort resignieren oder die internationale Gemeinschaft resigniert – und genau das werden wir nicht tun."
Baerbocks Worte hallen nach, als ihre Kolonne mit hohem Tempo im Visier der russischen Drohne die Stadt verlässt. Die Räder der tonnenschweren gepanzerten SUVs rattern in Schlaglöchern. Die Fahrzeuge bringen die Ministerin und ihre Delegation zur ukrainischen Grenze nach Moldau. In einer solchen Situation sei es die "sicherste Option", in Bewegung zu bleiben, heisst es zur Begründung. Warnsirenen fordern derweil die Bewohnerinnen und Bewohner von Mykolajiw auf, umgehend Schutz im Bunker zu suchen.
Baerbock: "Natürlich ist all das, was wir liefern, zu wenig"
Am Samstagnachmttag war Baerbock zu einem vorab nicht angekündigten Besuch in der südukrainischen Hafenstadt Odessa eingetroffen. Die Ministerin zeigt viel Mitgefühl bei ihren Terminen vor Ort, sie verspricht weitere deutsche Hilfe – und weiss doch, dass sie ihre Gastgeber enttäuschen muss. Denn die Ukraine ist im Abwehrkampf gegen Russland in die Defensive geraten und braucht dringend mehr Waffen.
"Natürlich ist all das, was wir liefern, zu wenig", sagt Baerbock in Odessa. "Wir zerbrechen uns intensivst den Kopf, wie wir davon mehr bekommen könnten, auch von weit reichenden Waffensystemen." Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba hält dem Westen beim Treffen mit Baerbock vor, nicht schnell genug zu handeln: Hätte der Westen nach der russischen Invasion sofort Waffen geliefert, hätte der Krieg verkürzt werden können.
Die militärische Lage sieht aktuell also nicht gut aus für die Ukraine. Bereits am Samstagabend hatte Baerbock in Odessa den Kriegsalltag hautnah mitbekommen: Wegen eines Luftalarms hatte sie rund 15 Minuten im Luftschutzbunker ihres Hotels Schutz suchen müssen.
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Mykolajiw als Symbol für den Widerstand
Mit ihrem Besuch in Mykolajiw wollte Baerbock eigentlich einen hoffnungsvollen Schlusspunkt unter ihren Besuch zum zweiten Jahrestag des russischen Überfalls setzen. Denn für die Ukraine sind Mykolajiw und seine Bevölkerung zum Symbol für den Widerstand gegen die russische Invasion geworden.
Zu Beginn des russischen Angriffskriegs vor zwei Jahren war die strategisch wichtige Hafenstadt eines der ersten Ziele, das von Raketen getroffen wurde. Trotz massiver Angriffe hat sich die Stadt erfolgreich gegen eine russische Eroberung verteidigt.
Baerbock besuchte in Mykolajiw ein mit deutscher Hilfe errichtetes Wasserwerk, das mit Solarenergie Meerwasser entsalzt und zu Trinkwasser für rund 200.000 Menschen aufbereitet – denn Russlands Armee hatte nach Kriegsbeginn das alte Wasserwerk zerstört. Erneuerbare Energien, deutsches Know-how mit zivilem Nutzen, ein Termin wie gemacht für eine Grünen-Ministerin. Doch dann tauchte die russische Drohne auf – und erzwang die überstürzte Abreise aus Mykolajiw. (AFP/tas)
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