• Nach dem Nato-Gipfel in Madrid droht ein neues Wettrüsten zwischen dem Westen und Russland.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz beschrieb die Sicherheitslage angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine düster.
  • Die Nato will die Zahl der Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft von 40.000 auf mehr als 300.000 zu erhöhen.

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Nach dem Nato-Gipfel droht ein neues Wettrüsten zwischen dem Westen und Russland. Kremlchef Wladimir Putin kündigte an, auf die mögliche Verlegung von Nato-Soldaten nach Finnland selbst mit Truppenverlegungen reagieren zu wollen. Die Nato hatte bei ihrem zweitägigen Gipfel in Madrid ihrerseits eine deutliche Verstärkung der Ostflanke sowie den Start des Verfahrens zur Aufnahme von Finnland und Schweden beschlossen.

Bundeskanzler Olaf Scholz beschrieb die Sicherheitslage angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine düster: Durch seine aggressive Politik stellt Russland wieder eine Bedrohung für Europa, für die Allianz dar", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag zum Abschluss des Spitzentreffens in der spanischen Hauptstadt. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg äusserte sich ähnlich besorgt. "Wir haben es mit der ernstesten Sicherheitslage seit Jahrzehnten zu tun", sagte der Norweger mit Blick auf den Ukraine-Krieg, aber auch auf die als aggressiv wahrgenommene Politik Chinas. Beide betonten allerdings auch, dass sie die Nato für die Herausforderungen gewappnet halten.

Russland will auf Truppenstationierung im Norden reagieren

Die 30 Bündnisstaaten hatten zuvor ein neues Streitkräfte-Modell beschlossen. Dieses sieht Stoltenberg zufolge vor, die Zahl der Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft von 40.000 auf mehr als 300.000 zu erhöhen. Ausserdem werden mehr schwere Waffen vor allem ins Baltikum und nach Polen verlegt. Ausserdem wurde nach wochenlanger Blockade durch die Türkei der Nato-Beitritt von Finnland und Schweden in die Wege geleitet. Das Treffen in Madrid setzte den Schlusspunkt eines achttägigen Gipfelmarathons von EU, G7 und Nato.

Putin sieht in der Nato-Norderweiterung zwar keine Bedrohung für Russland - hat aber doch eine militärische Reaktion in Aussicht gestellt. "Werden dort jetzt Truppen stationiert und Infrastruktur eingerichtet, so werden wir gespiegelt antworten müssen und dieselben Bedrohungen für das Territorium schaffen, von dem aus wir bedroht werden", sagte Putin der Agentur Tass zufolge. "Alles war gut zwischen uns, aber jetzt wird es irgendwelche Spannungen geben - das ist offensichtlich, zweifelsfrei, ohne geht es nicht."

Scholz nennt Putins Imperialismus-Vorwurf "lächerlich"

Die Spannungen zwischen der Nato und Russland sind schon jetzt so gross wie seit dem Kalten Krieg nicht. Putin warf den führenden Bündnismitgliedern vor, sich mit Hilfe der Ukraine behaupten zu wollen. Es gehe der Nato um «ihre Vorherrschaft, ihre imperialen Ambitionen».

Kanzler Scholz wies diesen Vorwurf barsch zurück: "Das ist ehrlicherweise ziemlich lächerlich", sagte er. Die Nato sei eine defensive Allianz, greife keine anderen Länder an und sei auch für niemanden in der Nachbarschaft eine Bedrohung. "Tatsächlich ist es Putin, der Imperialismus zum Ziel seiner Politik gemacht hat und zum Gegenstand seiner Politik."

Nato will Beschlüsse für Erweiterung nächste Woche treffen

Am kommenden Dienstag will das Bündnis mit der Unterzeichnung der Beitrittsprotokolle formell die Aufnahme von Schweden und Finnland beschliessen. Dann müssen sie noch von den 30 Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Dies könnte Schätzungen zufolge sechs bis acht Monate dauern.

Die beiden nordischen Staaten hatten unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine beschlossen, ihre jahrzehntelange Neutralität aufzugeben und der Nato beizutreten. Die Grenze der Nato zu Russland verlängert sich somit um mehr als 1300 Kilometer.

Biden: Werden Ukraine so lange unterstützen wie nötig

Die von Russland angegriffene Ukraine kann langfristig auf die Hilfe der Nato-Staaten setzen. "Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie es nötig ist", sagte US-Präsident Joe Biden in Madrid. Die USA und die anderen Alliierten würden so lange zur Ukraine halten, um sicherzustellen, dass das Land nicht von Russland besiegt werde.

Zugleich stellte Biden dem kriegsgeplagten Land weitere Waffenlieferungen im Umfang von mehr als 800 Millionen Dollar (etwa 769 Millionen Euro) in Aussicht. In den kommenden Tagen plane seine Regierung eine entsprechende Ankündigung. Dazu gehörten etwa ein neues modernes Luftverteidigungssystem und zusätzliche Munition für das Raketenwerfersystem des Typs Himars, das Kiew bereits erhalten habe.

Leopard für die Ukraine? Lambrecht spricht mit spanischer Kollegin

Am Rande des Gipfels war auch eine mögliche Lieferung von Leopard-Kampfpanzern der spanischen Streitkräfte aus deutscher Produktion an die Ukraine Thema. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) führte dazu in Madrid Gespräche mit ihrer spanischen Amtskollegin Margarita Robles. Deutlich geworden sei, dass es auf spanischer Seite noch keine Entscheidung gibt, hiess es anschliessend.

Die Regierung in Madrid überlegt spanischen Berichten zufolge, Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A4 sowie Luftabwehrraketen zu liefern. Es handele sich um eingemottete Panzer, die erst für den Einsatz vorbereitet werden müssten, schrieb die Zeitung Anfang Juni. Dem Bericht zufolge könnten rund 40 von 108 Leopard-Panzer, die Spanien 1995 gebraucht in Deutschland gekauft habe, wieder einsatzbereit gemacht werden. Deutschland müsste einer Weitergabe aber erst noch zustimmen.

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Nach Madrid kommt Vilnius: Der Nato-Gipfel im kommenden Jahr findet nach Angaben von Stoltenberg an der Ostflanke des Bündnisses statt. Man werde sich in der litauischen Hauptstadt treffen, sagte der Norweger. Litauen hat eine gemeinsame Grenze mit der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad. Der baltische Staat grenzt zudem an Belarus, einen engen Verbündeten Moskaus. (dpa/okb)

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