Während die Ukraine im vergangenen Jahr auf Rekordniveau Waffen importierte, brachen die Waffenexporte Russlands im gleichen Zeitraum drastisch ein.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat den globalen Rüstungsmarkt stark verändert: Allein Europas Waffenimporte haben sich, über fünf Jahre berechnet, beinahe verdoppelt. Das geht aus einem Bericht hervor, den das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri am Montag veröffentlichte.
Demnach hat in Europa die Einfuhr von Rüstungsgütern wie Kampfflugzeugen, Panzern und U-Booten im Zeitraum von 2019 bis 2023 um etwa 94 Prozent im Vergleich zu 2014 bis 2018 zugelegt. Grösster Importeur in Europa war dabei die Ukraine – mit 23 Prozent der gesamten Waffeneinfuhren der Region. Deutschland gehörte noch immer zu den Top fünf Exportländern weltweit.
"Russland wird auch in Zukunft eine massive Bedrohung darstellen. Daher können wir definitiv davon ausgehen, dass die europäischen Länder weiterhin neue Aufträge erteilen und die beträchtlichen Mengen an Waffen geliefert bekommen werden, die sie bereits in den vergangenen Jahren bestellt haben", sagte Sipri-Forscher Pieter Wezeman der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist also zu erwarten, dass das Niveau der Lieferungen und der Waffenimporte durch die europäischen Länder auch in den kommenden Jahren weiter steigen wird". Insgesamt war der globale Waffentransfer aller Staaten im Vergleich leicht um 3,3 Prozent gefallen.
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Russland verliert Rang zwei der grössten Waffenexporteure an Frankreich
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten gehört Russland nicht mehr zu den beiden grössten Waffenlieferanten. Während die USA an der Spitze ihre Waffenexporte um weitere 17 Prozent erhöhte, nahmen die Lieferungen aus Russland um mehr als die Hälfte (53 Prozent) ab. Damit rutschte das bisher stabil zweitplatzierte Russland knapp hinter Frankreich, das sein Exportvolumen um 47 Prozent erhöhte.
"Ich denke, eine der grössten Überraschungen ist immer noch, dass der Rückgang der russischen Waffenverkäufe noch schneller war als erwartet", sagte Wezeman zu der Entwicklung. Dies sei jedoch mit Vorsicht zu geniessen, denn es stünden noch einige Geschäfte Russlands bevor – sofern es diese rechtzeitig erfüllen oder die Rüstungsgüter überhaupt produzieren könne. Dennoch: "Es ist schon bemerkenswert, zu sehen, dass Russland so tief und so schnell gefallen ist, und das wiederum führt zu der dominierenden Rolle des Westens bei der Bewaffnung der Welt", so der Experte.
Während Russland 2019 Waffen in 31 Staaten exportierte, waren es im vergangenen Jahr nur noch zwölf. Mit elf Prozent am weltweiten Exportvolumen rangiert Russland damit auf Platz drei hinter Frankreich – mit zehn Prozentpunkten weniger als im vorherigen Vergleichszeitraum. Die drei grössten Abnehmer russischer Waffen sind dabei Indien, China und Ägypten.
China, einst einer der grössten Abnehmer russischer Waffen, bemüht sich derzeit, seine eigene Produktion zu steigern. Auf China entfielen dem Bericht zufolge aber immer noch 21 Prozent der russischen Exporte, grösster Waffenabnehmer Moskaus ist jedoch Indien mit einem Anteil von 34 Prozent.
USA erhöht Waffenexporte in den vergangenen fünf Jahren
Die USA blieben unangefochten auf Platz eins der Exporteure: Im Zeitraum 2019 bis 2023 belieferte sie 107 Staaten. Das sind mehr als in jedem anderen Fünfjahreszeitraum zuvor und weit mehr als jeder andere Waffenexporteur. Ganze 42 Prozent der weltweiten Waffenlieferungen gehen auf den Grosslieferanten zurück – ein globaler Anstieg um acht Prozentpunkte zum vorherigen Vergleichszeitraum. Gefolgt von Frankreich, Russland, China und Deutschland auf dem fünften Platz der weltweiten Waffenlieferanten – alle zusammen machten etwa 75 Prozent der gesamten Waffenexporte aus
Europa importierte dabei auch mehr Waffen aus den USA, heisst es in dem Sipri-Bericht. Im Zeitraum 2019 bis 2023 stammen 55 Prozent der Importe in Europa aus den USA, zwischen 2014 und 2018 waren es noch 35 Prozent. Dies liege auch daran, dass die meisten europäischen Staaten Nato-Mitglieder sind sowie Partner der USA bei der Entwicklung von Waffensystemen wie dem F-35-Kampfjet, erklärte Sipri-Forscherin Katarina Djokic. Die weltweiten Waffenexporte steigerten die USA in den vergangenen fünf Jahren um 17 Prozent.
Mindestens 30 Staaten lieferten der Ukraine nach der russischen Invasion im Februar 2022 grosse Mengen an Rüstungsgütern, grösstenteils in Form von Militärhilfe. Die Ukraine war im Jahr 2023 folglich der mit Abstand grösste Waffenimporteur der Welt. Die USA lieferten 39 Prozent der ukrainischen Waffenimporte, gefolgt von Deutschland (14 Prozent) und Polen (13 Prozent). Mit Blick auf den gesamten Zeitraum 2019 bis 2023 landeten die Ukrainer auf Platz vier der weltweiten Waffenimporteure, gleich hinter Indien, Saudi-Arabien und Katar.
Die Sipri-Daten beziehen sich auf das Volumen der Waffenlieferungen, nicht auf deren finanziellen Wert. Da das Volumen von Jahr zu Jahr je nach Auftragslage stark schwanken kann, legt das unabhängige Institut den Fokus eigentlich auf Fünfjahreszeiträume statt auf Einzeljahre. Bei der Ukraine machten sie kriegsbedingt jedoch eine Ausnahme.
Deutschland in Top 5 der grössten Waffenexporteure
Weiter gehört Deutschland zu den "Big Five" der Waffenindustrie. In dem Fünfjahreszeitraum sanken die deutschen Rüstungsexporte um 14 Prozent im Vergleich zu 2014 bis 2018. Der Anteil der deutschen Waffenexporte machte 5,6 Prozent des weltweiten Gesamtvolumens aus. Für Israel gehörte Deutschland mit 30 Prozent der Waffenimporte des Landes hinter den USA (69 Prozent) zu den grössten Lieferanten. Auch für die Ukraine zählt Deutschland zu den zwei grössten Herkunftsländern ihrer Waffenimporte.
"Normalerweise sprechen wir nicht über den Jahresvergleich, aber es ist bemerkenswert zu sehen, dass insbesondere im letzten Jahr die deutschen Waffenexporte einen jährlichen Höchststand erreicht haben, der deutlich über dem der Vorjahre liegt", sagte Forscher Wezeman. Das könne darauf hindeuten, dass die deutschen Waffenexporte auch in den kommenden Jahren weiter steigen werden. (afp/dpa/the)
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