- Seit über 20 Jahren gibt Wladimir Putin in Russland den Ton an.
- Was treibt den ehemaligen KGB-Agenten an?
- Welche Ziele verfolgt er mit seiner Politik? Und wie ist seine Haltung gegenüber Ukraine?
Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass
Putins vor einigen Jahren getätigter Ausspruch, der Zusammenbruch der Sowjetunion sei die "grösste geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts" gewesen, hatte viele im Westen aufhorchen lassen. Erst kürzlich berichtete der 69-Jährige, er habe sich nach seiner Rückkehr aus Dresden, wo er bis 1990 als Spion des sowjetischen Geheimdienstes stationiert war, als Taxifahrer in Russland ein Zubrot verdienen müssen.
Putins Annäherungsversuch an den Westen verpuffte
Wie Putin dürften zahlreiche Russen den Zusammenbruch des Kommunismus als Demütigung empfunden haben - für diejenigen, die sich bei der Privatisierung in den chaotischen Jahren unter Putins Amtsvorgänger Boris Jelzin nicht persönlich bereicherten, bedeutete er oft auch Armut.
Während der 1952 im damaligen Leningrad geborene Putin spätestens mit seiner Wahl zum Präsidenten im Jahr 2000 den ganz grossen Aufstieg geschafft hatte, blieb er dem Denken der einstigen Weltmacht dennoch verhaftet. Sein Versuch einer Annäherung an den Westen zu Beginn seiner Amtszeit - deutlich ausgedrückt in seiner Rede im Bundestag 2001, die er zu grossen Teilen in fliessendem Deutsch hielt - verpuffte bald.
Die über die Jahre erfolgte Ausdehnung des westlichen Militärbündnisses NATO in die ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes beunruhigen ihn nach eigener Aussage sehr. Nun fordert Putin sogar die Rücknahme der NATO-Osterweiterung und betont, mit einer möglichen Aufnahme der Ukraine wäre seine rote Linie definitiv überschritten. Beobachter sehen darin Rachegelüste, gepaart mit dem Wunsch, die Zeit zurückzudrehen.
Putin feilt an "historischer Einheit von Russen und Ukrainern"
Der Ukraine als eigenständiges Land spricht der ehemalige Jura-Student Putin die Existenzberechtigung ab. Die Ukraine sei von Lenin, dem Gründer der Sowjetunion, "geschaffen" worden, behauptete er Ende vergangenen Jahres.
Die "historische Einheit von Russen und Ukrainern" werde seit Jahren aufgrund einer "anti-russischen" Verschwörung unterminiert, schrieb Putin einige Monate zuvor in einem längeren Artikel und wischte damit die Demokratiebewegungen 2005 und 2014 im Nachbarland beiseite. Der Westen "baut in der Ukraine ein politisches System auf, in dem Präsidenten, Abgeordnete und Minister wechseln, aber die Linie zur Spaltung mit Russland, zur Feindschaft mit ihm, unverändert bleibt".
Als 14-Jähriger brach Putin einem Mitschüler angeblich das Bein
Putin glaube, die Ukrainer würden vom Westen manipuliert, sagt die Politikexpertin Tatjana Stanowaja. In Wirklichkeit seien sie seiner Ansicht nach nicht nur im Osten des Landes, in dem seit 2014 Krieg zwischen pro-russischen Milizen und der ukrainischen Armee herrscht, pro-russisch. Aus Sicht des Kremls diene ein Angriff auf die Ukraine der "Befreiung von einem ausländischen Besatzer".
Eine Lebensweisheit habe er aus seiner Jugend mitgenommen, erzählte der Judoka Putin 2015: "Wenn der Kampf unvermeidbar ist, muss man als Erster zuschlagen." Seine Lehrerin Vera Gurewitsch berichtete, als Putin im Alter von 14 Jahren einem seiner Mitschüler das Bein brach, habe er gesagt, dass manche "nur Gewalt verstehen". Als Staatschef scheute er in der Aussenpolitik denn auch nie vor militärischen Konfrontationen zurück - ob in Tschetschenien, Georgien oder später in Syrien und Libyen.
Gegner lässt Putin regelmässig ins Gefängnis werfen
Dass er von Demokratie nichts hält, bewies Putin in seiner Karriere zur Genüge. Dem russischen Parlament entzog er zahlreiche Befugnisse, kritische Medien liess er schliessen oder auf Linie bringen. Auch mit widerspenstigen Oligarchen ging er alles andere als zimperlich um. Putin-Gegner landen regelmässig im Gefängnis.
Auch bei Wahlen überlässt er nichts dem Zufall - Berichte über massive Fälschungen zugunsten Putins und seiner Partei Geeintes Russland sind bei allen Urnengängen an der Tagesordnung. Obwohl der aus einem Arbeiterhaushalt stammende Putin bereits seit zwei Jahrzehnten an der Macht ist, sicherte er sich durch eine Verfassungsänderung die Möglichkeit, bis 2036 im Amt zu bleiben.
Der Satz von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei dessen Besuch kürzlich in Moskau, er wisse ja nicht, wie lange der russische Präsident im Amt bleibe - bestimmt "nicht ewig" - dürfte dem für seine Macho-Posen bekannten Putin daher alles andere als gefallen haben. (Antoine Lambroschini/afp/hub)
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