- Noch Anfang des Jahres haben Putin und Xi sich "grenzenlose Freundschaft" versprochen und Sicherheitsgarantien festgehalten. Die Stossrichtung: Gemeinsam gegen den Westen.
- Doch mit seinem aggressiven Feldzug in der Ukraine hat Moskau seinen Partner von Anfang an in eine missliche Zwickmühle gebracht.
- Geschadet hat das vor allem Putin selbst: Denn das Verhältnis ist längst nicht mehr auf Augenhöhe.
Dass Moskau und Peking "best buddys" sind, konnte man bei den Olympischen Winterspielen im Februar noch denken. Da gingen Bilder vom Schulterschluss der beiden Machthaber um die Welt, die klare Botschaft: wir gemeinsam gegen den Westen. Ein lachender Xi, ein fröhlicher Putin – demonstrative Einigkeit. Neben Energiedeals hielten Putin und Xi in einer langen Stellungnahme schliesslich auch Sicherheitsgarantien und ihre Kritik an der Nato fest.
Als Russland dann kurz darauf die Ukraine angriff, verurteilte China den Krieg nicht. Stattdessen kritisierte Peking die westlichen Sanktionen und Waffenlieferungen an die Ukraine. Doch von Anfang an war das Bild gemischt: Eine zu deutliche Positionierung versuchte Peking stets zu vermeiden, gleichzeitig spricht es Bände, dass Putin sich jüngst noch bei der chinesischen Führung für ihre "ausgeglichene Position" im Ukraine-Krieg bedankte.
China spielt ein Doppelspiel
Beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit Anfang September betonten die Staatschefs ihre engen Beziehungen dann erneut. Auf militärische Unterstützung kann Putin trotzdem nicht hoffen. Nach der Teilmobilmachung, infolge dessen sich weitere Staaten von Russland abwandten, zeigt sich auch Peking wieder besorgter.
Der Aussenminister der Volksrepublik drängte auf eine schnelle Verhandlungslösung und verdeutlichte, dass es kein Interesse an einer Ausweitung des Konfliktes hat. "Wir rufen alle betroffenen Parteien auf, ein Übergreifen der Krise zu verhindern und die legitimen Rechte und Interessen der Entwicklungsländer zu schützen", sagte der chinesische Aussenminister Wang Yi bei der UN-Generaldebatte in New York. "Faire und pragmatische" Friedensgespräche seien geboten. Die "legitimen Sicherheitsbedenken aller Parteien" müssten berücksichtigt werden.
Auch China-Experte Roderick Kefferpütz erkennt im chinesischen Agieren von Anfang an ein Doppelspiel. "Die Chinesen wollen weder EU noch Russland verprellen und nicht ins Kreuzfeuer westlicher Sanktionen geraten", erklärt er. Auf rhetorischer Seite wende Peking sich deshalb verstärkt nach Moskau. In China heisst der Krieg nicht so, sondern nur Krise. "Ausserdem nimmt China Öl und Gas aus Russland ab, gleichzeitig sind chinesische Halbleiter vermehrt nach Russland geliefert worden", beobachtet er.
Gemeinsamer Nenner: Gegen den Westen
Die Partnerschaft habe vor allem einen gemeinsamen Nenner: Sie ist vereint gegen den Westen ausgerichtet. "Das gemeinsame Interesse läuft gegen die USA und die gegenwärtige Weltordnung", sagt der Experte. Zudem seien beide Systeme autoritär und es gäbe enge persönliche Verbindungen zwischen Xi und Putin.
"Russland ist inzwischen aber nur noch Junior-Partner", urteilt Kefferpütz. Bereits durch seinen Angriff auf die Krim im Jahr 2014 habe Russland sich immer weiter isoliert und sei immer tiefer in die Arme Chinas gelaufen: "Es ist keine Partnerschaft auf Augenhöhe mehr."
Wenn man sich die Sprache, die Mimik und das Auftreten von Xi Jinping und Putin beim Shanghai-Gipfel betrachte, merke man: "Da hat sich was gewandelt. Putin kommt als Bittsteller zu Xi", sagt Kefferpütz. Das hätten auch andere Staaten längst erkannt. Länder wie Kasachstan, die man einst als "russischen Hinterhof" bezeichnete, blickten zunehmend nach China. "Sie trauen Russland nicht", sagt Kefferpütz. Und das wiederum nehme die Volksrepublik sehr genau wahr.
China will Sicherheitsanker sein
"China will dem globalen Süden jetzt signalisieren, dass man ein Hort der Sicherheit, ein Stabilitätsanker ist", analysiert er. Nicht umsonst hätte China kurz nach Kriegsbeginn eine globale Sicherheitsinitiative gestartet: "Das Signal lautet: Der Westen kann nicht für Sicherheit sorgen, wir schon."
China dürfte seine Position gegenüber Moskau gefallen, auch wenn das Doppelspiel strapazierend ist. "China profitiert durch billigere Rohstoffe. Die Öl- und Gaslieferungen aus Russland nach China sind gestiegen", sagt Kefferpütz. Er erwartet auch, dass China Russland in Zukunft in bestimmten Bereichen unter Druck setzen könnte. "Russland pflegt gute Beziehungen zu eher chinakritischen Staaten wie Indien und Vietnam", erinnert er. Russland exportiere viele Rüstungsgüter nach Indien. "China könnte darauf drängen, sie zu beenden", schätzt er.
Russland bleibt wichtiger Player
Die Chinesen hätten ausserdem ein Interesse daran, weiter in den russischen Markt vorzudringen und das Vakuum, das westliche Akteure hinterlassen haben, zu füllen. "Das sieht man zum Beispiel in der Automobilindustrie", beobachtet er. Doch auch, wenn Russland nunmehr Juniorpartner sei, bleibe es ein wichtiger Player.
"Russland ist Nuklearmacht und sitzt im UN-Sicherheitsrat. Ein gutes Verhältnis bedeutet für China, dass es sich vollständig auf die Auseinandersetzung mit den USA konzentrieren kann ", erklärt er.
Der Westen ist auch gefragt
Der Westen sei ebenfalls gefragt: "Ein erneutes Zeichen, dass chinesische Waffenlieferungen und pro-aktive Unterstützung für Moskau ein No-Go sind, könnte gerade nach dem 20. Parteitag geboten sein", sagt Kefferpütz.
"Der Westen sollte sich auch fragen, wo in der Beziehung zwischen Moskau und Peking Konfliktpotenzial ist." Ein Ansatzpunkt könnten beispielsweise die erwähnten Länder Vietnam und Indien sein: "Kann der Westen in dieser Zusammenstellung eine Rolle spielen und mit diesen Ländern im Indo-Pazifik strategische Beziehungen eingehen? Welche Rolle kann dabei eine verantwortungsvolle Rüstungsexportkontrolle spielen?"
Verwendete Quellen:
- RND.de: Xi Jinping und Putin: demonstrative Einigkeit und klare Botschaften
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