Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine wächst auch die Bedrohungslage in den Anrainerstaaten. Jetzt fordern die baltischen Länder und Polen eine Verteidigungsinitiative gegen Russland und Belarus.

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Angesichts der Bedrohungen durch Russland und Belarus fordern Polen, Estland, Lettland und Litauen EU-Unterstützung bei der militärischen und zivilen Grenzsicherung. "Wir benötigen eine Verteidigungsinitiative, um die Europäer heute und in den kommenden Jahren zu schützen", schrieben die Staats- und Regierungschefs der Länder kurz von dem EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel.

Europa erarbeitet Pläne zum Schutz vor Russland und Belarus

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen auf dem Gipfel eine Strategische Agenda für die kommenden fünf Jahre verabschieden, in der es auch um die Verteidigung geht. Im Entwurf der Erklärung heisst es dazu: "Wir werden die nötigen Instrumente mobilisieren, um unsere Sicherheit und den Schutz unserer Bürger zu verstärken und auf neue Bedrohungen zur reagieren." Aus Frankreich und Italien gibt es Forderungen nach einem milliardenschweren Verteidigungsfonds, der über Gemeinschaftsschulden finanziert werden soll. Deutschland lehnt dies ab.

Als konkretes Projekt nennen die Autoren des Schreibens den "Aufbau eines Verteidigungsinfrastruktursystems entlang der EU-Aussengrenze zu Russland und Belarus". Dieses könne der dringenden Notwendigkeit Rechnung tragen, die EU vor militärischen und hybriden Bedrohungen zu schützen. Von den hybriden Bedrohungen beeinträchtige insbesondere die instrumentalisierte Migration die Sicherheit des gesamten EU-Gebiets, heisst es in dem Brief. Damit sind Versuche gemeint, gezielt Menschen aus armen oder konfliktreichen Ländern in die EU zu schleusen.

Das Ausmass und die Kosten der angedachten Verteidigungsinitiative erfordern aus Sicht der Autoren des Schreibens politische und finanzielle EU-Unterstützung. Planung und Umsetzung sollten aber in Abstimmung mit der Nato und deren militärischen Anforderungen erfolgen, heisst es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Er wurde von Polens Regierungschef Donald Tusk, Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas, Litauens Präsident Gitanas Nauseda und Lettlands Ministerpräsidentin Evika Silina unterzeichnet.

Ende Mai hatte die polnische Regierung unter Donald Tusk einen Plan namens "Ostschild" vorgestellt, der umgerechnet 2,4 Milliarden Euro kosten soll. Daneben gibt es die "Baltische Verteidigungslinie", in deren Rahmen etwa Lettland seit 2014 einen neuen Grenzzaun zu Russland gebaut hat.

Putin und Lukaschenko zunehmend aggressiver

Mit Blick auf die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko schreiben die Staats- und Regierungschefs, sie hätten wenig Zweifel, dass deren Absichten zunehmend feindselig würden, wenn man sie nicht zurückhalte. "Russland hat seine strategischen Ziele, die die Wiederherstellung von Pufferzonen und Einflussbereichen der Vergangenheit beinhalten, nicht geändert und das stellt eine existenzielle Bedrohung für Europa und die transatlantische Gemeinschaft dar", warnen sie. "Wir leben im Schatten des Krieges und unsere Länder spüren, was es bedeutet, die Frontstaaten der EU zu sein."

Unabhängig von der EU-Unterstützung für die Grenzsicherung fordert Polen gemeinsam mit Griechenland zudem eine gemeinschaftliche EU-Finanzierung des Ausbaus der europäischen Luftverteidigung. In einem neuen Konzeptpapier zu der Initiative mit dem Namen "Shield and Spear" (deutsch: Schild und Speer) heisst es: "Da sich die Luftbedrohungen an den europäischen Grenzen weiterentwickeln, (…) wird ein neuer strukturierter und umfassender Ansatz für die Luftverteidigung auf unserem Kontinent unverzichtbar." Die Bedrohungen reichten von fortschrittlichen Drohnen und elektronischer Kriegsführung bis hin zu Langstreckenraketen, Hyperschall-Marschflugkörpern oder Kampfflugzeugen der fünften Generation. (afp/dpa/the)

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