Für die Ukraine ist es mitten in ihrem Kampf gegen die russische Invasion ein Triumph: Die EU spricht mit dem Land über den geplanten Beitritt. Moskau hingegen setzt trotz neuer Sanktionen auf Krieg. Die Lage im Überblick.
Die EU beginnt an diesem Dienstag die Gespräche für spätere Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau. Die Unterredungen werden am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg organisiert, nachdem in der vergangenen Woche die sogenannten Verhandlungsrahmen beschlossen worden waren. Mit ihnen werden die Leitlinien und Grundsätze für die Verhandlungen festgelegt. Es handelt sich nur um den Startschuss für den Prozess, Verhandlungen im eigentlichen Sinne gibt es noch nicht.
Der ukrainische
Der Beginn von Beitrittsgesprächen mit der von Russland angegriffenen Ukraine und deren kleinem Nachbarstaat Moldau war bereits bei einem EU-Gipfel im Dezember grundsätzlich beschlossen worden. Gleichzeitig wurde aber vereinbart, dass vor dem Verhandlungsstart alle Reformauflagen erfüllt sein müssen. Dies bescheinigte die zuständige EU-Kommission der Ukraine erst in diesem Monat, nachdem unter anderem Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung, für einen besseren Schutz von nationalen Minderheiten und zur Einschränkung des politischen Einflusses von Oligarchen ergriffen worden waren.
Europastaatsministerin Lührmann: "Historischer Tag für Europa"
Europastaatsministerin Anna Lührmann (Grüne) sagte: "Heute ist ein historischer Tag für Europa! Wir eröffnen die EU-Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau." Ihr Besuch in der Ukraine und in Moldau vorige Woche habe sie beeindruckt. "Beide Länder haben trotz der russischen Bomben, der Desinformations-Kampagnen und der Destabilisierungsversuche grosse Fortschritte erzielt", sagte sie.
Für die Menschen in der Ukraine gilt die Eröffnung von EU-Beitrittsverhandlungen vor allem als wichtiges Zeichen dafür, dass es sich lohnt, den Abwehrkampf gegen Russland weiter fortzusetzen. Wie lange es nach einem Start der Gespräche bis zum EU-Beitritt dauern könnte, ist aber völlig offen.
Theoretisch könnte ein Beitrittskandidat auch nie Mitglied werden. Bei der Ukraine gilt es derzeit so auch als ausgeschlossen, dass sie vor dem Ende des russischen Angriffskriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew nach Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand einfordern - und die EU wäre Kriegspartei.
Selenskyj wechselt Kommandeur von Militäreinheit aus
Die Ukraine wehrt sich seit mehr als zwei Jahren mit westlicher Hilfe gegen die russische Invasion. Nach Berichten über hohe Verluste in den ukrainischen Streitkräften hat Präsident Selenskyj den Generalleutnant Jurij Sodol vom Posten des Kommandeurs der Vereinigten Kräfte entlassen. Gründe für den Schritt nannte er nicht. Zuvor hatte aber der Stabschef der umstrittenen Asow-Brigade, Bohdan Krotewytsch, Medien zufolge Anzeige gegen Sodol erstattet. Er warf dem Kommandeur fahrlässige Befehle vor, die zu grossen Verlusten geführt hätten.
Medien zufolge gab es nicht zuletzt in der Obersten Rada, dem Parlament in Kiew, Vorwürfe gegen Sodol: Er habe ukrainische Soldaten schlecht auf Einsätze vorbereitet - zum Beispiel in der umkämpften Region Charkiw.
In seiner Videobotschaft verurteilte Selenskyj ausserdem einen russischen Raketenangriff auf die Stadt Pokrowsk im ostukrainischen Gebiet Donezk. Vier Menschen seien getötet, Dutzende weitere verletzt worden, sagte der Präsident. Er kündigte einen Vergeltungsschlag nach dem russischen Angriff an. "Und unsere Antwort wird ganz fair sein."
Russland tut neue EU-Sanktionen als wirkungslos ab
Die EU hatte zuvor ihr 14. Sanktionspaket beschlossen, um Russlands Kriegswirtschaft zu stoppen. Moskau tat die neuen Strafmassnahmen aber einmal mehr als wirkungslos ab. Vielmehr schade sich die EU wieder selbst, teilte das Aussenministerium in Moskau mit. Der Westen schaue weder auf die Folgen für die eigene Wirtschaft noch für den Wohlstand der Menschen in der EU, sagte Vize-Aussenminister Alexander Gruschko.
"Der Sinn der Sanktionen bestand darin, die russische Wirtschaft zu strangulieren, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu zerstören. Erreicht hat die EU das Gegenteil", sagte Gruschko. Russland warnte zudem vor erneut steigenden Energiepreisen in der EU.
Die Aussenminister der 27 Mitgliedstaaten billigten die Sanktionen in Luxemburg zusammen mit weiteren neuen Strafmassnahmen wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Das Aussenministerium in Moskau teilte am Abend mit, dass im Gegenzug weitere Vertreter aus Politik und Wirtschaft sowie von Institutionen aus der EU mit einem Einreiseverbot in Russland belegt würden. Details wurden nicht genannt.
Das Sanktionspaket beinhaltet erstmals weitreichende Sanktionen gegen Russlands milliardenschwere Geschäfte mit Flüssigerdgas (LNG). Vorgesehen ist, dass Häfen wie der im belgischen Zeebrugge künftig nicht mehr zur Verschiffung von russischem LNG in Drittstaaten genutzt werden dürfen. Dies soll dazu führen, dass Russland wegen mangelnder Transportkapazitäten weniger Flüssigerdgas verkaufen kann und weniger Gewinne erzielt, die für die Fortsetzung des Angriffskriegs gegen die Ukraine verwendet werden könnten.
Russische Analysten sprachen von einem Schlag gegen LNG-Produzenten. Allerdings seien die Sanktionen vergleichsweise weich; und es gebe eine Übergangszeit, die es russischen Unternehmen ermögliche, wie etwa beim Ölembargo neue Abnehmer und alternative Routen zu finden. Schon jetzt profitieren Indien und China - insgesamt der asiatische Raum - von den vergleichsweise günstigen Energie-Angeboten der Rohstoffgrossmacht Russland. (dpa/vit)
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