Der Gaza-Krieg nimmt viel Platz in der internationalen Diplomatie ein. Umso wichtiger ist nun eine Forderung Dutzender Aussenminister an Wladimir Putin im Ukraine-Konflikt.
Zwei Jahre nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine haben UN-Generalsekretär António Guterres und Dutzende Länder von Präsident Wladimir Putin den Rückzug seiner Truppen verlangt. Bundesaussenministerin Annalena Baerbock wies derweil Forderungen nach Verhandlungen mit Moskau zurück. Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba verlas in New York am Freitag (Ortszeit) eine gemeinsame Erklärung von mehr als 50 Nationen.
"Wir erneuern unsere Forderung an Russland, seinen Aggressionskrieg gegen die Ukraine einzustellen", sagte Kuleba. Russland solle einen "vollständigen, sofortigen und bedingungslosen Rückzug" aller Einsatzkräfte von international anerkanntem ukrainischem Staatsgebiet sicherstellen. Am Freitag hatte es in New York zum Jahrestag zwei hochrangig besetzte Treffen von UN-Vollversammlung und Weltsicherheitsrat gegeben, zu denen auch
"Es ist höchste Zeit für Frieden – einen gerechten Frieden, der auf der Charta der Vereinten Nationen, dem Völkerrecht und den Resolutionen der Vollversammlung basiert", sagte UN-Chef António Guterres vor dem Sicherheitsrat. Zudem warnte der 74-jährige Portugiese vor einer Ausweitung des Konfliktes in Osteuropa. Zahlreiche Kriegsverbrechen vor allem der russischen Streitkräfte müssten ebenso aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Baerbock: "Das Glas ist halb voll"
Die deutsche Grünen-Politikerin Baerbock sagte in ihrer Rede vor dem mächtigsten UN-Gremium, man höre Aufrufe, man solle mit Putin verhandeln. Doch dieser mache deutlich, dass er nicht über Frieden verhandeln wolle, sondern seine "Eroberungen" komplettieren wolle. "Russland, ein ständiges Mitglied dieses Rates, möchte, dass ein souveräner Staat sein Existenzrecht aufgibt. Wo wären wir, wenn sich dieses Prinzip durchsetzen würde", fragte Baerbock in den Saal. Kuleba schwor in seiner Ansprache, die Ukraine werde niemals "ein Angebot zur Kapitulation oder zur Abtretung unserer Ländereien und Freiheiten unter dem Deckmantel des Friedens annehmen".
Zuvor hatte Aussenministerin Baerbock betont, die Ukraine habe 50 Prozent der von Russland eingenommenen Gebiete und das Schwarze Meer wieder freigekämpft. Die Ukraine werde zudem bald Mitglied der Europäischen Union sein. Die Unterstützung des Landes habe sich deswegen nicht nur gelohnt, "sondern das Glas ist halb voll".
Baerbock wies auf das kürzlich unterzeichnete bilaterale deutsch-ukrainische Sicherheitsabkommen hin, das der Ukraine verlässliche und dauerhafte Unterstützung biete. "Wir stehen an der Seite der Ukraine", versicherte die Bundesaussenministerin. Ähnlich äusserte sich auch der britische Aussenminister David Cameron: "Wir werden nicht schwanken, wir werden standhaft für die Freiheit der Ukraine eintreten".
Sein französischer Amtskollege Stéphane Séjourné verurteilte russische Kriegsverbrechen wie Massaker an Zivilisten sowie Vergewaltigungen, Folter und die Verschleppung ukrainischer Kinder: "Diese Verbrechen dürfen nicht ungestraft bleiben." Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield erinnerte Moskau an seine Schuld: "In diesem Krieg ist nur eine Partei der Aggressor. Und nur eine Partei kann es beenden."
US-Aussenminister Antony Blinken war nicht nach New York gereist, genauso wie seine Amtskollegen aus China und Russland. Moskaus Vertreter Wassili Nebensja nutzte seine Rede, um die westlichen Staaten der Doppelmoral und einer heimlichen Agenda in der Ukraine zu beschuldigen.
Keine neue Resolution der UN-Vollversammlung
Anders als im vergangenen Jahr gab es in der Vollversammlung keine Abstimmung einer Resolution gegen Russland. Im Februar 2023 hatten 141 der 193 Mitgliedstaaten für einen Beschluss gestimmt, der Russlands Präsidenten Putin zum Rückzug seiner Truppen aufforderte – ein historisch klares Ergebnis. Ein neuerliches Zeichen der Stärke gab es in diesem Jahr nicht – auch weil befürchtet wurde, dass ein Votum nach hinten losgehen könnte.
Die Stimmung habe sich seit vergangenem Jahr geändert, erklärten Diplomaten in New York. Einerseits habe dies mit Israels Krieg im Gazastreifen zu tun, der viel Aufmerksamkeit gebunden habe. Anderseits nähmen einige Länder der Ukraine ihr Abstimmungsverhalten in der Vollversammlung bezüglich Gaza übel: Im Dezember hatte Kiew sich enthalten, als das grösste UN-Gremium über einen Resolutionsentwurf für eine Waffenruhe in Gaza abstimmte. (Jörg Blank, Christian Fahrenbach und Benno Schwinghammer, dpa/tas)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.