China soll Kampfdrohnen an Russland liefern. Aussenministerin Baerbock droht mit Konsequenzen. Doch wie könnten die aussehen? Und steckt mehr hinter der Reaktion des Westens, als es den Anschein hat?

Mehr News zum Krieg in der Ukraine

"Wir haben Berichte von Geheimdienstquellen über die Existenz einer Fabrik in China erhalten, die Drohnen herstellt, die nach Russland geliefert und im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden", sagte ein EU-Beamter Anfang dieser Woche. Der Auswärtige Dienst der Europäischen Union bestätigte frühere Medienberichte, wonach geprüft werde, ob China Russland mit Drohnen beliefere. Nach Angaben von Diplomaten soll auch der Iran an dem Gemeinschaftsprojekt beteiligt sein.

Bundesaussenministerin Annalena Baerbock nutzte den Anlass, um Peking zu warnen: "Das muss und wird Konsequenzen haben", sagte sie am Rande eines EU-Treffens in Brüssel.

EU-Aussenpolitiker warnen China vor "Eskalation"

Auch weitere EU-Aussenpolitiker wie der litauische Aussenminister Gabrielius Landsbergis oder Finnlands Aussenministerin Elina Valtonen forderten laut "Tagesschau" Konsequenzen. Der stellvertretende italienische Ministerpräsident und Aussenminister Antonio Tajani nannte eine mögliche chinesische Militärhilfe an Russland einen "grossen Fehler". Die EU müsse ihm zufolge Peking vor einer "Eskalation" warnen.

Die chinesische Regierung hingegen dementierte die Vorwürfe und erklärte, nach wie vor keine tödlichen Waffen an eine der Kriegsparteien zu liefern. Peking habe Drohnen für militärische Verwendung und solche, die zivil und militärisch einsetzbar seien, streng nach dem Gesetz kontrolliert.

Wird China damit zur Kriegspartei?

Wird China damit zur Kriegspartei? Hier ist das Völkerrecht nicht eindeutig, würde aber im Zweifel zu Gunsten Chinas entscheiden. "Auch die westlichen Staaten haben der Ukraine Waffen geliefert, ohne zur Kriegspartei zu werden", sagt Aylin Matlé von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gegenüber unserer Redaktion. Die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin kommt zum selben Schluss: Die meisten Experten sind demnach der Meinung, dass Waffenlieferungen an sich, die der Aufstockung der Arsenale von kriegführenden Staaten dienen, noch kein Grund dafür sind, den Lieferanten als Kriegspartei zu definieren.

Anders sieht es beispielsweise im Fall von Nordkorea aus. Seit dem Herbst sind etwa 10.000 nordkoreanische Soldaten für Russland im Kriegseinsatz. Damit ist das Land unzweifelhaft zur Kriegspartei geworden.

Wie wichtig sind die Drohnenlieferungen für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine?

Aber wie wichtig sind die Drohnen überhaupt für Russland? "Sie werden den Krieg nicht entscheiden", erklärt Matlé. "Allerdings, wenn sie in grosser Stückzahl geliefert wird, kann die chinesische Unterstützung die Ukraine weiter in Bedrängnis bringen."

Bisher hatte die ukrainische Armee es geschafft, die russischen Drohnenangriffe – auch durch die Unterstützung deutscher Waffenlieferungen – zu grossen Teilen abzuwehren. Sollten nun neuartige Drohnen zum Einsatz kommen, die auf das Kampfgeschehen in der Ukraine zugeschnitten wurden, könnte das neue Herausforderungen für die ukrainische Luftabwehr bedeuten.

Kommt es zu einer neuen Blockbildung gegen den Westen?

"Neben der militärischen Neuigkeit dieser Unterstützung gibt es auch eine politische Botschaft. Sie bedeutet, dass China näher an Russland rückt", erklärt Aylin Matlé. Von einem neuen Block, der sich aktuell gegen den Westen positioniert, möchte sie aber nicht sprechen. Dafür seien die Interessen der Länder China, Nordkorea, Russland und Iran, das ebenfalls an der Drohnenproduktion beteiligt sein soll, zu unterschiedlich.

Auch besteht ein Konkurrenzdenken zwischen den Staaten, etwa China und Russland, die im Fernen Osten um Einfluss konkurrieren. Die "Achse", wie es Matlé bezeichnet, verfolgt vor allen Dingen das gemeinsame Ziel, die globale Vormachtstellung der USA zu untergraben. Diese Verbindung sei durchaus in der Lage, den Westen in Bedrängnis zu bringen, für entscheidender hält Matlé in diesem Zusammenhang aber die Truppenentsendung Nordkoreas.

Diese hat klargemacht, dass die Feinde des Westens sich trotz Differenzen gegenseitig unterstützen – zur Not auch mit Bodentruppen.

Welche westlichen Konsequenzen sind denkbar?

Nun soll zunächst einmal das Gespräch mit China gesucht werden. "Sollte China nicht gesprächsbereit sein in dieser Hinsicht, sind Sanktionen denkbar", sagt Matlé. "Die Fachleute, die diese Drohnen helfen zu entwickeln, könnten mit Einreisesperren belegt werden und die beteiligten Unternehmen müssten womöglich mit Geschäftsverboten rechnen."

Inwiefern diese Sanktionen China wirklich schaden, bleibt zweifelhaft. Die EU ist von China als wichtigen Handelspartner abhängig. Anders als Russland beschränken sich die Geschäftsbeziehungen hierbei nicht nur auf den Kauf von Rohstoffen. China verkauft inzwischen auch grosse Mengen an Gütern in die EU, die damit von China deutlich abhängiger ist als andersherum. "Ich vermute, dass die EU als Akteur nicht besonders viel Einfluss nehmen kann", sagt Matlé.

Welches Kalkül könnte hinter der Drohung der EU-Aussenminister stecken?

Viel mehr als konkrete Massnahmen gegen China könnten die Drohgebärden gegenüber Peking aber einem anderen Zweck dienen. Zwar waren die Berichte über die Kooperation zwischen Peking und Moskau in Sachen Drohnenproduktion bereits deutlich früher bekannt, Konsequenzen wurden aber erst nach dem Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl gefordert.

Aussenpolitik-Expertin Matlé: "Es könnte gut sein, dass das Thema jetzt aufs Tableau gehoben wird, um eine weitere Argumentationsgrundlage gegenüber der zukünftigen US-Regierung unter Donald Trump zu haben, um sie zu überzeugen, dass der Krieg gegen die Ukraine in Verbindung mit dem US-amerikanischen Interesse gegenüber China steht."

Trump hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, das Engagement in die Ukraine zurückzufahren. Die USA sind der grösste Unterstützer der Kiewer Regierung. Den Ausfall müssten die EU-Mitgliedsstaaten, allen voran Deutschland, als zweitgrösster Unterstützer der Ukraine, kompensieren.

Über die Gesprächspartnerin

  • Aylin Matlé ist Senior Research Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Ihre Fachgebiete umfassen unter anderem die Nato und die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik Deutschlands und der USA.

Verwendete Quellen

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.