Nach dem russischen Beschuss von Energieanlagen müssen sich die Menschen in der Ukraine auf Stromabschaltungen einstellen. Dafür gibt es auch noch andere Gründe. Zudem hat Russland erneut ein wichtiges Wasserkraftwerk attackiert.
Nach massiven russischen Angriffen hat der ukrainische Energieversorger Ukrenergo (Ukrenerho) von heute an viele Stromabschaltungen für die ganze kommende Woche angekündigt.
Das Defizit im Energiesystem werde höher sein als in der vergangenen Woche, sagte der Chef des Energieversorgers, Wolodomyr Kudryzkyj, im ukrainischen Fernsehen. Wegen der Engpässe werde es Stromabstellungen innerhalb des ganzen Tages geben, vor allem am Morgen und in den Abendstunden.
Die Gründe für die Abschaltungen seien vielfältig. Nach dem massiven russischen Beschuss der vergangenen Wochen seien bestimmte Objekte der Energieinfrastruktur beschädigt, darunter auch einige Wasser- und Heizkraftwerke. Diese Objekte produzierten weniger Energie als sonst, hiess es. Seit Samstag würden zudem planmässig zwei Reaktoren von Atomkraftwerken repariert. Das habe nicht aufgeschoben werden können, die Leistung sei deshalb geringer als sonst, sagte Kudryzkyj.
Ein Faktor seien zudem die ziemlich hohen Temperaturen von über 30 Grad Celsius, die in der Ukraine in der kommenden Woche erwartet würden. Damit wachse der Verbrauch durch eine intensivere Nutzung von Klimaanlagen. Das Land müsse insgesamt mit einem erheblichen Mangel an Strom rechnen. Es sei auch nicht möglich, den Bedarf durch den Import von Energie zu decken, sagte Kudryzkyj. Der Stromimport sei zwar teils mehr als verdoppelt worden. "Aber selbst das reicht nicht aus, um nachts komplett das Abstellen von Strom zu verhindern."
Die Stromsperren sollen den Verbrauch einschränken und das Netz stabilisieren, nachdem russische Luftangriffe zuletzt einen erheblichen Teil der ukrainischen Stromproduktion lahmgelegt hatten. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Bürger aufgerufen, möglichst wenig Strom zu verbrauchen.
Wasserkraftwerk in "kritischem Zustand"
Nach einem erneuten russischen Raketenangriff am Wochenende ist das beschädigte Wasserkraftwerk an einem Stausee des Dnipro bei Saporischschja laut Behörden in "kritischem Zustand". Spezialisten müssten die Sicherheit des dazugehörigen Damms untersuchen, sagte der Militärgouverneur von Saporischschja, Iwan Fedorow.
Das Kraftwerk wurde in den vergangenen Monaten mehrfach zum Ziel russischen Beschusses. Bei einem massiven Raketenangriff Ende März brach ein Brand aus. Das Kraftwerk wurde stark beschädigt und musste eine Zeit lang abgeschaltet werden. In der Nacht zum Samstag schlugen erneut Raketen in der Anlage ein. Anschliessend wurde der Damm für den Verkehr vorübergehend gesperrt.
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In ihrem seit mehr als zwei Jahren andauernden Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte die russische Armee im März und April gezielt Kraftwerke, Umspannwerke und Stromleitungen aus der Luft beschossen. Die Produktionskapazität sank nach offiziellen Angaben um 44 Prozent. Die Stromproduktion aus Kohlekraftwerken ging fast vollständig verloren. Auch Wasserkraftwerke am Dnipro wurden beschädigt. Die Aussichten auf rasche Reparaturen sind schlecht.
Energieimporte reichen nicht immer aus
Die Stromproduktion aus Kernkraft funktioniert zwar weitgehend. Aber auch Energieimporte aus Nachbarländern reichen nicht immer aus, die Lücke zu schliessen. Neben den planmässigen Stromabschaltungen, die über das Land verteilt werden, gibt es Ausfälle durch Kampfhandlungen.
Im ersten Kriegswinter 2022/23 hatte Russland vor allem auf Umspannwerke in der Ukraine gezielt. Das Stromnetz brach zwar nicht zusammen, aber Millionen Ukrainer und Ukrainerinnen sassen ohne Elektrizität und damit auch ohne Heizung und Wasser im Dunkeln. Russland will mit den Angriffen auf die Energieinfrastruktur des Landes vor allem die Bevölkerung demoralisieren. (dpa/tha) © dpa
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