Kanzler Olaf Scholz zögert mit der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Die Koalitionsfraktionen erhöhen den Druck – auch wenn das T-Wort gar nicht fällt.
Im Streit um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine erhöht sich der Druck auf Bundeskanzler
Im Entwurf für einen gemeinsamen Koalitionsantrag werden die Taurus, gegen die Scholz sich bisher sträubt, zwar nicht namentlich erwähnt. Das Papier der Fraktionsvorsitzenden, das dem Magazin "Stern" und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, fordert aber "die Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition, um die Ukraine (...) in die Lage zu versetzten, völkerrechtskonforme, gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors zu ermöglichen".
An diesem Dienstag tagen die Bundestagsfraktionen intern. Der Antrag von SPD, Grünen und FDP soll laut "Stern" in dieser Woche im Parlament zur Abstimmung gestellt werden. Formeller Anlass ist der zehnte Jahrestag der Invasion Russlands auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim.
Wie die Forderung begründet wird
"Insbesondere muss die Ukraine auch künftig in die Lage versetzt werden, Angriffe auf militärische Ziele wie Munitionsdepots, Versorgungsrouten und Kommandoposten weit hinter den Frontlinien durchzuführen und ihre Soldatinnen und Soldaten vor den vielgestaltigen Attacken des russischen Militärs bestmöglich schützen zu können", heisst es im Antragsentwurf der Fraktionschefs.
"Der Bundestag begrüsst daher die Lieferungen von Lenkflugkörpern unserer französischen und britischen Partner an die Ukraine. Der Einsatz von präzisen Abstandswaffen zur Landesverteidigung ist mit dem Völkerrecht vereinbar und für den Schutz der Ukraine unverzichtbar." Grossbritannien und Frankreich liefern der Ukraine bereits seit langem Marschflugkörper der praktisch identischen Typen Storm Shadow und Scalp. Diese gelten aber als nicht so präzise und leistungsstark wie Taurus.
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Was Taurus eigentlich sind
Taurus-Marschflugkörper werden von Flugzeugen aus abgefeuert. Sie sind eine Art selbst lenkende Raketen. Sie können Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung mit grosser Präzision treffen. Moskau liegt etwas weniger als 500 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Grenze entfernt, also in Taurus-Reichweite.
Wie Scholz bisher agiert
Die Regierung der angegriffenen Ukraine hatte die Taurus-Marschflugkörper im Mai 2023 offiziell von Deutschland erbeten. Der Kanzler erklärte im Oktober, dass Deutschland Taurus vorerst nicht liefern werde.
Dahinter steht die Befürchtung, dass die Flugkörper russisches Territorium treffen könnten und Russland dies als direkten Angriff mit deutscher Beteiligung werten würde. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wich Scholz am Samstag der Frage aus, ob er sie vielleicht doch noch freigeben will. Er versicherte in einem Interview lediglich, dass Deutschland immer genug tun werde, um die Ukraine zu unterstützen.
Auch gegen die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern hatte sich Scholz zunächst lange gesträubt: Im Januar 2023 gab er dann nach, nachdem die USA die Lieferung von Abrams-Panzern zugesagt hatten, im März wurden sie geliefert.
Was die Koalitionspartner wollen
FDP und Grüne werben seit langem dafür, der Ukraine mit Taurus-Waffen die Möglichkeit zu geben, russische Nachschublinien hinter der Front zu attackieren. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wollten die beiden kleineren Regierungsfraktionen die konkrete Taurus-Forderung in einem gemeinsamen Ampel-Antrag zum zweiten Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar unterbringen.
Nun scheint es eine leicht entschärfte Version ohne Nennung des Namens Taurus zu werden. Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour drückte unmittelbar vor der Sicherheitskonferenz und dem dortigen Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj noch einmal aufs Tempo: "Es ist richtig, dass die Ukraine eine Entscheidung bekommen sollte. Bald. Weil das schon sehr lange anhängig ist", sagte er vergangene Woche der dpa.
Was noch im Antrag steht
"Die Ukrainerinnen und Ukrainer müssen auch längerfristig in die Lage versetzt werden, sich der Aggression des russischen Präsidenten Putin entgegenzustellen. Das ist eine unverzichtbare, klare Botschaft an den russischen Präsidenten, der offensichtlich darauf setzt, dass die internationale Unterstützung der Ukraine nachlässt", heisst es im Antragsentwurf. "Die Europäische Union sollte sich zum Ziel setzen, die langfristige Unterstützung der Ukraine aus eigener Kraft sicherstellen zu können."
Gefordert wird auch, die Ukraine "mit der Lieferung von gepanzerten Kampfsystemen und geschützten Fahrzeugen weiter zu stärken". Das Papier enthält darüber hinaus eine Vielzahl von Forderungen an die Bundesregierung politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Art: etwa weitere Sanktionen zu unterstützen; für die Aktivierung eingefrorener russischer Vermögen zugunsten der Ukraine einzutreten; die Dokumentation von Völkerrechtsverbrechen zu unterstützen; den Ministerien zu empfehlen, ukrainische Namen und Orte in ukrainischer statt russischer Schreibweise zu benennen. (Christian Andresen und Michael Fischer, dpa/ank)
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