• Emmanuel Macron pflegt eine enge Beziehung zu Ukraines Präsident Selenskyj.
  • Gleichwohl sprach der französische Präsident vor der Invasion lange und ausdauernd mit seinem russischen Kollegen Putin.
  • Ein Blick auf Frankreichs widersprüchliche Rolle im Ukraine-Krieg.

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Sie haben einen Monat Altersunterschied, sind beide als Aussenseiter ins Amt gekommen und scheuen sich nicht, mit politischen Traditionen zu brechen: Emmanuel Macron und Wolodymyr Selenskyj, der französische und der ukrainische Präsident, standen sich schon vor Beginn des Ukraine-Kriegs persönlich nahe. Zugleich ist Macron aber auch derjenige, der zu Beginn des Kriegs vor einem Jahr am ausdauerndsten mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verhandelte.

Beides trägt dazu bei, dass Frankreich in dem Konflikt für sich eine Sonderrolle unter den EU-Staaten in Anspruch nimmt. Der Blitzbesuch Selenskyjs in Paris vergangene Woche vor dem EU-Gipfel, zu dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in letzter Minute hinzugebeten wurde, unterstrich dies. Während Scholz dann nachts allein nach Brüssel weiterreiste, bot Macron Selenskyj den Mitflug in seiner Präsidentenmaschine an.

Bis heute keine Kampfpanzer aus Frankreich

Im Unterschied zu Scholz ist Macron so gut wie gar nicht dafür kritisiert worden, dass sein Land bis heute keine Kampfpanzer an die Ukraine liefert. "Das hat auch damit zu tun, dass Frankreich schon vor Kriegsbeginn Material geschickt hat, etwa Hubschrauber", sagt Marie Dumoulin, Leiterin des Europaprogramms beim European Council of Foreign Relations.

Zu Beginn des Kriegs habe Frankreich diskret Waffen geliefert, ohne dies öffentlich zu machen. Als die Ukraine später Panzer gefordert habe, seien die Erwartungen an Deutschland grösser gewesen als die an Frankreich. "Es war klar, dass die Leopard-Panzer einen Unterschied machen würden", sagt Dumoulin mit Blick auf das Kampfgeschehen. Von den französischen Leclerc-Panzern gebe es viel weniger, und sie würden seit Jahren nicht mehr produziert.

Scholz und Macron treffen Selenskyj in Paris

London - Paris - Brüssel: Die Europa-Reise des ukrainischen Präsidenten Selenskyjs fällt ausgiebiger aus als erwartet. Nach Berlin kommt Selenskyj allerdings nicht. Der Kanzler trifft ihn aber dennoch schon vor dem EU-Gipfel. (Teaserbild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Natacha Pisarenko)

Expertin: "Es hat Kommunikationsfehler gegeben"

Trotz Macrons Nähe zu Selenskyj ist der französische Präsident mehrfach in die Kritik geraten, zu viel Rücksicht auf Russland zu nehmen. Das Bild von Macron und Putin an dessen XXL-Verhandlungstisch ist vielen im Gedächtnis geblieben - es war einer der letzten vergeblichen Versuche, den Krieg noch zu verhindern. Später telefonierte Macron regelmässig mit Putin.

Manche Äusserungen des französischen Präsidenten - dass Russland "nicht erniedrigt" werden dürfe und dass das Land "Sicherheitsgarantien" brauche - hatten in der Ukraine und bei Verbündeten Befremden ausgelöst. Auch Macrons Aussage, dass eine Nato-Beitritt der Ukraine "unwahrscheinlich" sei, stiess viele vor den Kopf.

"Es hat Kommunikationsfehler gegeben", meint Dumoulin. Im Grunde sei Macron von der Idee getrieben, dass dieser Krieg die internationale Sicherheitsordnung ins Wanken bringe. "Ich habe keine Lust, dass am Ende die Chinesen und Türken darüber verhandeln, wie es weitergeht", sagte Macron kürzlich der Zeitung "Le Monde".

Macron will Ukraine "bis zum Sieg" unterstützen

Macrons Kontakt zu Putin sei seit September abgebrochen, "unter dem Eindruck der Grausamkeiten, der Angriffe auf die Infrastruktur und dem Leid der Zivilbevölkerung", meint Célia Belin, Pariser Büroleiterin des European Council for Foreign Relations. Die gemeinsame Reise mit Scholz nach Kiew und der Besuch in Butscha im vergangenen Juni haben sicher ihren Teil dazu beigetragen.

In den letzten Telefonaten mit Putin, die jeweils mit Selenskyj abgestimmt waren, war es auch nicht mehr um das grosse Ganze gegangen, sondern nur noch um konkrete Probleme, etwa den Schutz des Atomkraftwerks Saporischschja in der Ukraine.

Deutlicher als Scholz betont Macron auch immer wieder, dass die Ukraine "bis zum Sieg" unterstützt werden solle, und dass die Ukraine selber über den Zeitpunkt für Verhandlungen entscheiden müsse.

In den vergangenen Jahren hatten Frankreich und Deutschland noch gemeinsam versucht, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Doch die Minsker Abkommen, die den Konflikt im Osten des Landes eindämmen sollten, waren in der Ukraine als aufgezwungen empfunden und von Russland am Ende ignoriert worden.

Macron dürfte die Münchner Sicherheitskonferenz am Freitag dafür nutzen, Frankreich einen Platz an einem künftigen Verhandlungstisch zu sichern. "Das deutsch-französische Gespann wird dabei keine Rolle mehr spielen", meint Belin. Das Normandie-Format (das Vertreter Russlands, der Ukraine, Frankreichs und Deutschlands umfasste) habe sich überlebt. Sie fügt hinzu: "Dafür sind die USA unumgänglich geworden." (afp/fab)

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