• Die russische Armee versucht ihre hohen Verluste in der Ukraine inzwischen laut Medienberichten sogar durch Zwangsrekrutierungen in Gefängnissen auszugleichen.
  • Um Nachwuchs für die Armee zu gewinnen, wurde unter Russlands Präsident Wladimir Putin bereits vor einigen Jahren die Jugendorganisation "Junarmija" gegründet.
  • In der "Junarmija" können Kinder bereits ab acht Jahren Mitglied werden und lernen laut Verteidigungsminister Sergei Schoigu, "mit allem zu schiessen, ausser mit Raketen".

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Es ist ein hoher Blutzoll, den Russland für den Angriff auf die Ukraine derzeit zahlt. Laut Angaben eines US-amerikanischen Abgeordneten sollen seit Beginn des Krieges 75.000 Soldaten verwundet, vermisst oder getötet worden sein. Eine unglaubliche hohe Zahl, geht man von ungefähr 200.000 Soldaten aus, die zu Beginn der Offensive die russische Streitmacht darstellten. Allein bei der Zahl der Gefallenen gehen realistische Schätzungen von britischen und US-amerikanischen Geheimdiensten von 15.000 bis 25.000 Mann aus.

Für die aktuelle Offensive im Donbass benötigt die russische Armee also neue Soldaten. Medienberichten zufolge sollen daher bereits in russischen Gefängnissen Soldaten angeworben werden sowie Zwangsrekrutierungen in den russisch besetzten Gebieten in der Ostukraine stattfinden. Bisher schreckt die russische Regierung unter Präsident Wladimir Putin noch davor zurück, eine Generalmobilmachung zu befehlen. Das wäre ein Eingeständnis der eigenen Schwäche und würde die angebliche "Spezialoperation" dann auch offiziell zu einem ausgewachsenen Kriegseinsatz machen.

"Junarmija": eine paramilitärische Jugendorganisation für Kinder ab acht Jahren

Aber es gibt auch eine andere Möglichkeit, neues "Menschenmaterial" für die Armee zu gewinnen. Seit 2016 existiert in Russland die "Junarmija", eine paramilitärische Jugendorganisation. Bereits ab acht Jahren können Kinder Mitglied werden und lernen dort nicht nur Disziplin und Gehorsam, sondern auch das Schiessen.

Heranwachsende hätten dort laut Verteidigungsminister Sergei Schoigu die Möglichkeit, "Flugzeuge zu fliegen und mit dem Fallschirm zu springen, unter Wasser zu tauchen und auf unseren Kriegsschiffen und U-Booten zu fahren und mit allem zu schiessen, ausser mit Raketen", wie die FAZ berichtet.

Gründungsvater Schoigu hatte das Ziel der Organisation von Anfang an klar definiert: "Um junge Menschen dazu zu bringen, Russland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, müssen die Bereitschaft und der Wille zum Dienst bereits in der Kindheit und Jugend geweckt werden. Um eine positive Einstellung zur Armee als öffentliche Einrichtung und zum Militär als Beruf zu schaffen, muss sich der Staat systematisch und mit allen relevanten Ressourcen an der militärisch-patriotischen Arbeit beteiligen."

"Junarmija": Über eine Million Mitglieder

Seit ihrer Gründung ist die Organisation rasch gewachsen. Betrug die Anzahl der Mitglieder 2018 noch einige Hunderttausend, sollen heute über eine Million junge Menschen Teil der "jungen Armee" sein.

Auch in der Ostukraine soll sie bereits Rekruten ausheben. Dabei geht es nicht immer freiwillig zu. Seit 2020 hat die Jugendorganisation das Ziel, an jeder Schule des Landes vertreten zu sein. Waisenkinder, Kinder von Sicherheitskräften, Staatsbeamten und Angestellten der nationalen Rüstungsindustrie werden dazu aufgefordert beizutreten. Nach dem Vorbild ehemaliger sowjetischer Jugendorganisationen werden die Mitglieder in speziellen Räumlichkeiten indoktriniert und ideologisch geschult.

Laut der finnischen Militär-Expertin Joanna Alava sei das Ziel das Heranzüchten regimetreuer "Bürgersoldaten", die sich als Gegner jeglicher liberaler Werte verstehen. Geübt wird vor dem Porträt von Staatspräsident Putin und der russischen Flagge. Die Ausbildung übernehmen in der Regel ehemalige Angehörige der Sicherheitskräfte.

Schoigu: Aus jungen Menschen patriotisch gesinnte Bürger machen

Offiziell gehe es laut Verteidigungsminister Schoigu darum, junge Menschen zu gesunden und patriotisch gesinnten Bürgern zu machen. Die Jugend in Russland hat mit Alkohol- und Drogenproblemen und organisierten Jugendbanden zu kämpfen.

Laut Russland-Expertin Sarah Pagung von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ist die sogenannte patriotische, aber auch nationalistisch-militaristische Erziehung tatsächlich die wichtigste Funktion der Jugendorganisation, allerdings gebe es dafür auch politische Gründe: "Was wir seit einiger Zeit beobachten, ist, dass die Regierung es sich zum politischen Ziel gemacht, sich die Loyalität der jüngeren Generation zu sichern", erklärt Pagung gegenüber unserer Redaktion.

In den vergangenen Jahren waren es insbesondere junge Menschen, die bei den Protesten gegen Präsident Wladimir Putin beteiligt waren. Die Jugendorganisation sei "ein Gegenmittel", so Pagung.

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Rekrutierung für den Einsatz in der Ukraine

Allerdings sei auch kaum zu übersehen, dass es ebenfalls darum gehe, militärische Grundfertigkeiten zu lernen und junge Menschen an das Militär heranzuführen. So werden bei den Veranstaltungen der Organisation, die teilweise auch auf der russisch besetzten Krim stattfinden, Erste Hilfe an der Front beigebracht und das Zusammenbauen und abfeuern von Sturmgewehren.

Alles Fertigkeiten, die den möglichen Rekruten beim Militärdienst und einem Einsatz im Kriegsgebiet zugutekommen. Dass die Verluste der russischen Armee nun durch die Rekrutierung von "Junarmija"-Mitgliedern ausgeglichen werden könnten, hält Russland-Expertin Pagung für möglich und naheliegend. Entsprechende Berichte hatte es von ukrainischer Seite gegeben, "in welchem Ausmass das passiert, ist von aussen aber schwer einzuschätzen."

Den Kontakt zur Front halten die Mitglieder der Organisation auch jetzt schon. Seit dem Einmarsch in der Ukraine schreiben sie laut Angaben von Militär-Expertin Alava Briefe und Postkarten an die Soldaten im Einsatz.

Über die Expertin:
Sarah Pagung arbeitet bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und forscht zu russischer Aussen- und Sicherheitspolitik sowie zu Informationspolitik.

Verwendete Quellen:

  • FAZ.net: Schon Achtjährige sollen mit allem schiessen ausser Raketen
  • Spiegel.de: Nachwuchs für den Krieg
  • SZ.de: "Jede Armee hat einen Punkt, an dem es kippt"
  • Welt.de: "Diese zwangsrekrutierten Soldaten sind wirklich nur Kanonenfutter"
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